Geschrieben am 5. Dezember 2015 von für Crimemag, Kolumne, Kolumnen und Themen, News

Kolumne: Frank Göhre: Gelesen. Gehört. Gesehen (4)

Frank-Göhre-_FotoEine Art Weihnachtsmärchen.

Es begab sich aber, dass im fernen Sibirien ein Kind geboren ward, auserkoren, zu jubilieren und zu preisen all das, was Licht und Freude in unseren tristen Alltag bringt oder auch: Starke Emotionen: Stell´ für dich 
die Uhr auf Sonnenzeit, geh´ ins Licht, die Hoffnung wird dich tragen.

 Es ist ein Mädchen, das im vierten Lebensjahr von seinen Eltern Maria und Peter behutsam in eine schlichte Tragetasche gelegt und mit auf eine weite, sehr weite Reise genommen wird: Lass uns zusammen ein Stück gehen, schenk‘ mir ein bisschen Zeit, erzähl‘ mir deine Geschichte, die das Leben für dich schrieb.

Einige Länder und viele Landschaften werden durchquert, wogende Felder und schattige Wälder, Herbergen gibt´s in den düsteren Gassen der Städte, rote Lichter spiegeln sich auf nassem Asphalt: Die Nacht steht still,
 wirft ihre Schatten, treibt mit dir ihr eigenes Spiel, du fängst zu schwimmen an, da ist kein Land 
wohin du schaust, alles fremd, 
du kennst dich nicht mehr aus.

Doch siehe da, mit einem Mal eröffnet sich dem Blick ein gar reizvolles Städtchen, gelegen inmitten malerischer Weinhügel, in einer Region, die schon so manch gewichtigen und auch mächtigen Mann hervor gebracht hat, den Beck (SPD) und den Kohl (CDU), den Pfälzer: Du bist der Captain meiner Seele, bist der Wind in meinen Segeln 
und ich will nicht länger leben – ohne dich. Ich bin verlor´n auf off´ner See, wenn du nicht sagst, wohin es geht.
 Alleine überseh´ ich jedes Riff –Yeah.

In der Ära Kohl also ist sie vorerst angekommen, die Kleine, und das prägt und bleibt als Wunsch und Wille nach einem geistig und moralisch sauberen Land. Rasch entwickelt sie sich zu einer jungen, hübschen Frau, strohblond und gelenkig bei jeglichem Spaß und Spiel, ein quirliges Menschenkind, und doch diszipliniert wie kaum jemand ihres Alters: Fachoberschulreife, Tanz und Gesang, Bodengymnastik, Ausbildung zur staatlich anerkannten Musicaldarstellerin, erste Engagements im Volks-, wie im Staatstheater, mit Vierundzwanzig dann der Kracher: Ich fühl so viel Leben, komm, lass uns jetzt lieben … das ist unser Tag.
Oder auch: „Ich werde jetzt zur Frau.“

Sie, mit der ihr innewohnenden sentimentalen russischen Seele, und er, der nur drei Jahre ältere niederbayrische Bewahrer deutschen Liedguts und geschmeidiger Fernsehmoderator, tun sich im „Ersten“ – hier „sitzen Sie in der ersten Reihe“ – beim „Hochzeitsfest der Volksmusik“ zusammen, singen ein Duett – „Hammer Stimme“, „bekomme eine Gänsehaut“, „ein Traumpaar“ – und bleiben fortan auch erotisch eng verbunden: Wir verstehen uns blind, weil wir beide Teil vom gleichen Himmel sind … du willst bestimmt was Verrücktes tun, und ich sag okay, zieh mich nur kurz um … ganz losgelöst … verlier und verbrauch mich … in zerriss´nen Jeans … tanzen wir heut mal aus der Reihe … im Kopf tausend Symphonien … in diesen Nächten halt ich dich … wenn es doch nur für immer wär …

Das ist es bis heute, und es ist in diesen letzten zehn Jahren mit dem zur Frau gewordenen blonden Mädel karrieremäßig steil bergauf gegangen. 2006 das erste Soloalbum Von hier bis unendlich; 2007 So nah wie du (auch als TV Special des MDR); 2008 die erste Solo-Tournee und das dritte Studioalbum Zaubermond; 2009 das vierte Album So wie ich bin, Musikpreis ECHO Pop in der Kategorie „Deutschsprachiger Schlager“ und in der Kategorie „DVD Produktion des Jahres: Mut zum Gefühl“; 2011 Für einen Tag, zwei Wochen nach der Veröffentlichung in Deutschland mit Gold ausgezeichnet, später mit Platin; 2013 Farbenspiel. Die Farbenspiel-Tournee 2015 von Düsseldorf nach Basel, von Leipzig nach Wien, von Gelsenkirchen nach Rostock, kreuz und quer durch die Lande also, wird von mehr als 800.000 Menschen besucht, das Album millionenfach verkauft. Vier ECHOs, den Bayrischen Fernsehpreis und Werbeverträge mit Tchibo, VW, Meggle, Douglas und Garnier kann sie präsentieren: Bilder die man nie vergisst, und dein Blick hat mir gezeigt, das ist unsre‘ Zeit … Atemlos durch die Nacht, bis ein neuer Tag erwacht, atemlos einfach raus, deine Augen ziehen mich aus … großes Kino für uns zwei … Alles was ich will, ist da, große Freiheit pur, ganz nah, nein wir wollen hier nicht weg, alles ist perfekt…

Mehr geht nicht.

Doch gemach: Der NDR-Fernsehspielchef Granderath, innovativ wie er zu sein glaubt, hat für sie noch was in petto: „Im ersten Teil der Tatort-Doppelfolge Der große Schmerz sind vor allem viele Tote und viel Blut zu sehen. Schlagerstar Helene Fischer spielt in Schweigers Krimi ebenfalls eine große Rolle … ‚Schwarze Haare, schöner Körper, sehr grüne Augen‘, so wird sie von Nick Tschillers (Til Schweiger) Partner Yalcin Gümer (Fahri Yardim) beschrieben. Helene Fischer spielt eine russische Killerin und Ex-Prostituierte. Nach nur wenigen Minuten hat sie im Tatort schon ihren großen Auftritt: Nick Tschiller und seine Kollegen stürmen eine Einrichtung im Rotlichtmilieu, Tschiller wird angegriffen und Leyla (Helene Fischer) schnappt sich eine Waffe und erschießt den Bösewicht. ‚Sie hat mein Leben gerettet‘, sagt Tschiller danach.“

Sprich: Gerettet wird die Rolle des NDR-Fernseh-Kommissars, und ob das eine gute Idee ist, kann bezweifelt werden. Die für den 22. und 29. November 2015 angekündigte Doppelfolge des Til Schweiger/Helene Fischer-Tatorts ist aufgrund der Pariser Terroranschläge auf den 1. und 3. Januar 2016 verschoben worden – ansonsten aber haben ARD und ZDF keinerlei Probleme mit Gewaltdarstellungen und Szenarien des Grauen (siehe dazu Alf Mayer, Offener Brief an die ARD-Programmkonferenz, Crimemag, 11. Januar 2014)

So geht es dann für die russischstämmige Sängerin direkt zum ultimativen Höhepunkt des Jahres 2015 – nach London, in das legendäre Studio der Beatles in der Abbey Road. Dort, begleitet vom Royal Philharmonic Orchestra, singt sie auf 2 CDs, was in uns allen positiv wie negativ „starke Emotionen“ auslöst, hörbar von sich selbst ergriffen: Stille Nacht … Leise rieselt der Schnee …
Vom Himmel hoch da komm ich her … Süßer die Glocken nicht klingen …
Am Weihnachtsbaum die Lichter brennen … Fröhliche Weihnacht überall …

Und auf Disc 2 für alle Flüchtlinge, Asylanten und andere fremdsprachige Mitmenschen: Jingle Bells, Jingle Bells … Driving Home For Christmas …
Let It Snow … White Christmas … Winter Wonderland … Hallelujah …
Hallelujah, Hallelujaes ist ein Ros´ entsprungen … Im fernen Sibirien ward einst ein Kind geboren, es kam zu uns und erfreut und erwärmt auch in diesen mitunter schrecklichen Zeiten unser Herz mit gar lieblichem Gesang.

Diese, ihre Weihnachtsbotschaft, ist eigentlich nicht mehr zu toppen.

Oder?

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