Fredrika Bergman packt aus
– Wenn man nicht mit der Autorin reden kann, aber ein paar heikle Fragen zum Buch hat, dann kann man sich ja immer noch mit der Protagonistin unterhalten. Kristina Ohlsson, die Autorin von „Tausendschön“, war nicht zur Hand, aber ihre Heldin, Fredrika Bergmann. Judith Momo Henke hat mit ihr gesprochen ….
Judith Momo Henke: Frau Bergman, Sie wurden von der Autorin Kristina Ohlsson als zivile Ermittlerin in das Team von Kommissar Alex Recht in Stockholm berufen. Nun ist gerade der zweite Teil „Tausendschön“ auf Deutsch erschienen. Wie fühlt sich das an?
Fredrika Bergmann: Gut! Es ist schön, dass unser zweiter Fall nun in Deutschland erhältlich ist, in Schweden sind wir ja schon bei Band Vier. Daher erlebe ich hier meine Abenteuer erneut. Und das auch noch in einer anderen Sprache. Es ist sehr spannend.
JMH: Erzählen Sie doch kurz, worum es in „Tausendschön“ geht.
FB: Nachdem wir es im ersten Band „Aschenputtel“ mit einem verschwundenen Mädchen zu tun hatten, sind wir nun einer Bande besonders perfider Menschenschmuggler auf der Spur. Aber dass der Fall solche Dimensionen erreichen würde, haben wir ganz zu Anfang natürlich nicht geahnt. Denn zunächst landen zwei Fälle auf unseren Tischen, die vermeintlich gar nichts miteinander zu tun haben: ein erschossenes Ehepaar und ein von einem Auto totgefahrener Unbekannter.
Bei dem Ehepaar scheint es sich um einen Doppelselbstmord zu handeln. Es sieht so aus, als habe der Mann – übrigens ein Pfarrer – sich und seine Frau aus Trauer um die verstorbene Tochter umgebracht. Aber wir stoßen auf Ungereimtheiten, die einen anderen Schluss nahelegen. Und was das unbekannte Unfallopfer angeht: In seiner Tasche finden wir einen Zettel mit arabischen Schriftzeichen, die uns auf die entscheidende Fährte führen. Bis wir auch nur erahnen, wie weitreichend und verzwickt dieser Fall tatsächlich ist, dauert es aber eine Weile.
Ich will nicht zu viel verraten, aber lassen Sie mich so viel sagen: Unsere Autorin Kristina Ohlsson arbeitete im schwedischen Außen- und Verteidigungsministerium, bei der nationalen schwedischen Polizeibehörde in Stockholm und zuletzt als Terrorismus-Experin bei der OSZE in Wien. Und das Wissen aus diesen Tätigkeiten bringt sie in ihre Kriminalromane ein. „Tausendschön“ geht weit über schwedische Familientragödien hinaus – obwohl diese in eine zentrale Rolle spielen.
JMH: Das klingt ja alles sehr spannend, dennoch widmet Kristina Ohlsson auch dem Privatleben der Ermittler viel Raum, besonders Ihrem.
FB: Sie spielen auf meine Schwangerschaft an, die mich in „Tausendschön“ etwas außer Gefecht gesetzt hat. Tatsächlich ging es mir zu der Zeit nicht besonders gut, ich war nur eingeschränkt arbeitsfähig, litt darunter, dass ich mit dem (verheirateten) Vater des Kindes nicht zusammenlebte und hatte fürchterliche Alpträume. Und dann noch das Unglück, das meinem Freund am Ende des Buches passiert … Das war sehr hart und nahm einen großen Raum ein.
JMH: Das ist ja alles sehr verständlich, liebe Frau Bergmann. Dennoch wird besonders dem skandinavischen Krimi manchmal vorgeworfen, sich zu sehr auf das Privatleben der Ermittler zu stürzen und dabei mitunter die Krimihandlung zu vergessen. Und das betrifft nicht nur Sie. Was etwa Ihren Kollegen Peder Rydh angeht, hat man kurzzeitig das Gefühl, er würde nun zu der Art lächerlicher Witzfigur, wie wir sie besonders aus Regionalkrimis kennen.
Torpedierte Klischees
FB: (überlegt kurz) Da gebe ich Ihnen eingeschränkt recht. Zu Beginn hatte ich auch Angst, die Geschichte von Peder könnte in den Klamauk abrutschen – der frauenfeindliche, da selbst von der Liebe frustrierte Polizist, der Zimtröllchen in Gegenwart einer jungen Polizistin mit Penissen vergleicht und daraufhin zu einem Gleichberechtigungsseminar geschickt wird. Das ist tatsächlich grenzwertig, aber ich rechne unserer Autorin Kristina Ohlsson hoch an, dass sie Klischees nur andeutet, Lesererwartungen schürt, um diese dann schlichtweg zu torpedieren. Auch am Ende macht sie das sehr geschickt. Als Leser – und auch uns Ermittlern ging es so – meint man, die Zusammenhänge endlich durchschaut zu haben. Und dann löst sich das Verwirrspiel doch anders auf als gedacht, ohne vollkommen unglaubwürdig zu werden.
JMH: Das habe ich beim Lesen auch so empfunden, obwohl mir die Auflösung etwas weit hergeholt erschien. Aber sie funktioniert im Rahmen des Romans, die Motive werden mehr oder minder schlüssig erklärt, so dass man als Leser doch mit einem halbwegs befriedigten Gefühl aus dem Roman herausgeht. Aber dennoch: Muss das sein, dass der Roman so weit in Ihr Privatleben und das Ihrer Kollegen vordringt?
FB: Sie können mir glauben, dass das für mich nicht immer angenehm ist. Schließlich werden Dinge aus meinem Privatleben breitgetreten, über die ich mit meinen Kollegen ganz bewusst nicht spreche. Aber seien Sie doch ehrlich, ganz kaltgelassen haben die Teile, die nach Feierabend spielen, Sie auch nicht. Ich erinnere mich, dass Sie an einer Stelle ganz nachdenklich aus dem Fenster gesehen haben, erinnern Sie sich? War das nicht, als …
JMH: Frau Bergman, das tut jetzt wirklich nichts zur Sache! Was unsere Leser bestimmt mehr interessiert: An welche Zielgruppe richtet sich die Krimireihe um Sie und Alex Recht?
FB: Ich sehe schon, Sie wollen nicht darüber reden. Wunder Punkt, wie? Na gut. – Ich würde sagen, wir erreichen ein breites Segment. Leser, die spannende Unterhaltung suchen, die sich auch gut im Urlaub schmökern lässt.
JMH: (zweifelnd) Na ja, aber anspruchsvolle Krimileser werden nicht ganz auf ihre Kosten kommen, das müssen Sie schon zugeben. Dazu sind die Dialoge oft zu langwierig, es fehlt an Tempo und erzählerischer Raffinesse, die Polizeiarbeit tappt doch recht trüb vor sich hin.
FB: (spitz) Es mag bei uns vielleicht etwas bedächtiger und weniger explosiv zugehen als bei Stieg Larsson und seiner verkorksten Intelligenzbestie Salander, oder was auch immer Sie unter einem guten Krimi verstehen mögen. Aber zumindest lässt Kristina Ohlsson sich nicht in endlosen Landschaftsbeschreibungen aus und umschifft, wie bereits beschrieben, gekonnt die Klamaukfalle. Ich gebe zu, vielleicht ist Sie nicht die beste Erzählerin, aber sie wagt sich thematisch immerhin in interessante Gebiete vor. Man darf gespannt sein, was die kommenden Bände bringen.
JMH: Ich glaube, darauf können wir uns einigen. Man hat auch schon Schlechteres gelesen. – Frau Bergman, ich danke Ihnen für das Gespräch. Nur eine letzte Frage noch: Weiß die Autorin eigentlich, dass Sie mit mir sprechen?
FB: Also, um ehrlich zu sein …
Judith Momo Henke
Kristina Ohlsson: Tausendschön (Tusenskönor, 02 Fredrika Bergman; Stockholm 2010). Aus dem Schwedischen von Susanne Dahmann. München: Limes 2012. 464 Seiten. 19,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.