Geschrieben am 1. Juli 2019 von für Crimemag, CrimeMag Juli 2019

„Perry Rhodan. Das größte Abenteuer“

Zeitreise zu den Anfängen

Bodo V. Hechelhammer über den Roman von Andreas Eschbach

Das Buch verspricht nicht weniger als »Das größte Abenteuer« zu erzählen. Nicht nur unserer terrestrischen Welt, nein, im Grunde des gesamten Universums, ja aller nur denkbaren Universen. Denn es geht in dem knapp 850 Seiten umfassenden Werk um »Perry Rhodan«, also um den unsterblichen Helden der größten und langlebigsten Weltraum-Serie der Welt, nein des Universums. Während diese seit fast sechzig Jahren bestehende, wöchentlich erscheinende und über 3 000 Hefte umfassende Reihe schon längst die Zukunft in mehreren tausend Jahren fortschreibt, geht der Roman zeitlich ganz zurück. Er ist ein Prequel und beschreibt, wie alles mit Perry Rhodan überhaupt begann.

Heft Nr. 1, 8.9.1961

Der erste Band, »Unternehmen Stardust«, des von Karl-Herbert Scheer (1928 – 1991) und Walter Ernsting alias Clark Dalton (1920 – 2005) erdachten epischen Roman-Universums, erschien am 8. September 1961 und beschrieb die nahe Zukunft des Sommers 1971 als Datum der Mondlandung. Hier setzt der Roman an bzw. greift zeitlich vor. Es entwickelt sich nämlich eine Biografie Perry Rhodans bis zu jenem epochalen Ereignis, nämlich dem Zusammentreffen mit technisch überlegenen Außerirdischen nach der ersten Mondlandung durch Rhodan am 20. Juni 1971, welches das Schicksal der Menschheit so entscheidend verändern sollte – entsprechend der Geschichtsschreibung des Perryversums.

Autor des schwergewichtigen Romans ist Andreas Eschbach, Jahrgang 1959 und bekannter Bestseller- und Thriller-Autor. Der Science-Fiction-Fachmann, der selbst einmal Luft- und Raumfahrttechnik studierte, hat zahlreiche Bücher geschrieben. So machte er 1998 mit seinem Bestseller »Das Jesus Video« auf sich aufmerksam, und seine ihm treue Lesergemeinde vergrößert sich kontinuierlich. Sporadisch verfasste Eschbach auch als Gastautor für die Perry Rhodan Heft-Serie, die er selbst in seiner Jugend begeistert verschlungen hatte, einzelne Ausgaben. So war es nicht vollkommen überraschend, dass er vom Verlag gebeten wurde, sich an eine Art biographischen Entwurf Rhodans zu wagen. Der Zeitpunkt schien günstig zu sein, wurde doch Anfang 2019 die Heftmarke 3 000 geknackt und jährt sich in diesem Jahr tatsächlich die erste Mondlandung; die echte vom 21. Juli 1969, also die mit Neil Armstrong (1930 – 2012). Denn Eschbachs größtes Abenteuer ist die Geschichte der Raumfahrt, nur eben etwas alternativ erzählt.

„Das größte Abenteuer der irdischen Menschheit begann am 4. Oktober 1957 alter Zeitrechnung. An jenem Tag gelang es Menschen zum ersten Mal, einen Satelliten in eine Umlaufbahn um die Erde zu befördern.“ (Seite 5)

Eine Eschbach-Arbeit

Eschbachs Roman behandelt den Zeitraum zwischen 1936 und 1975, eingerahmt durch die fiktiven Ereignisse der Geburt Perry Rhodans und dem Zeitpunkt, an dem die Menschheit erstmalig das Sonnensystem verlässt. Eschbach beleuchtet das Leben Perry Rhodans entlang echter historischer Fakten und Personen, bindet das zusammen in die realexistierende Geschichte der Raumfahrt und des Kalten Krieges ein. Hier liegt der besondere Reiz seiner Herangehensweise, der in die Rolle eines fiktionalen Zeitzeugen schlüpft. Eschbach wird quasi zu einem kontrafaktischen Zukunftschronisten. Denn Zeit ist relativ, spielt daher immer eine große Rolle in der Serie und in dem Buch. Manchmal begegnet einem ein klein wenig von Winston Grooms (*1943) Forrest Gump, der ja auch rückblickend ein Leben erzählt und dessen fiktive Hauptfigur er schließlich ebenfalls echte historische Ereignisse erleben und alternativ mitprägen lässt. So begegnet man bei Perry Rhodan jetzt beispielsweise Henry Kissinger (*1923) oder Allen W. Dulles (1893 – 1969). Oder Rhodan trifft auf Martin Luther King (1929 – 1968), nimmt als Pilot der Air Force am Vietnam-Krieg teil, unterhält sich gar mit Wernher von Braun (1912 – 1977) auf der Toilette des Weißen Hauses oder trinkt mal schnell einen Kaffee mit Neil Armstrong, kurz bevor er schließlich selbst zu seiner Mondmission aufbricht. Also Rhodan, nicht etwa Armstrong. 

Andreas Eschbach erzählt mit Hilfe einer fiktiven Person aus dem Perry Rhodan-Universum, bezeichnenderweise (Nomen est Omen) durch Homer G. Adams, einer 3 000 Jahre in der Zukunft lebenden Leserschaft die frühe Lebensgeschichte Rhodans bis in die 1970er Jahre hinein. Anschaulich und detailliert werden Rhodans deutsche Wurzeln, seine Kindheit und Jugend ausgebreitet, die Entwicklung seine Charaktereigenschaften erläutert und seine militärische Karriere hergeleitet. Es wird erklärt, wie er Teil eines geheimen Weltraumprogramms wurde und wie er schließlich auf dem Mond landete. Eschbach breitet mitunter die Vita Rhodans so lebendig aus, dass man stellenweise glaubt, es handle sich tatsächlich um eine echte Lebensbeschreibung, um eine historische Figur der Raumfahrt. Das Changieren zwischen den einzelnen Erzählwelten, das Vermischen der Realität mit der des Perryversums ist eine große Stärke des Romans. Mit jedem Buchabschnitt verändert sich die jeweilige Perspektive kontinuierlich, entfernen sich die beiden Realitäten zunehmend voneinander. Allerdings fallen einzelne Beschreibungen ein wenig zu detailliert und zu langatmig aus. Gerade die Herleitung von Perry Rhodans Persönlichkeitsentwicklungen und einzelne Episoden seines Lebens nehmen viel Zeit in Anspruch. Sehr gelungen sind dagegen die Abschnitte, die gerade die konkreten Vorbereitungen der Mondmission ausbreiten, also das Prequel zum »Unternehmen Stardust« selbst darstellen und hierbei neue Details liefern. Der letzte große Abschnitt greift dann die aus der Serie bereits bekannten Elemente um das Jahr 1971 und seine mehrschichtigen Folgen auf, erzählt diese nach und bewertet sie mitunter neu. Am Ende verlässt die geeinte Menschheit das eigene System und greift nach den Sternen.

„Halten wir fest: Am 25. Mai 1975 gegen 15 Uhr 31 GCT (Galakto City Time) verließen erstmals Menschen der Erde mit Überlichtgeschwindigkeit das Sonnensystem. Es war das größte aller Abenteuer – und es hatte gerade erst begonnen.“ (Seite 848)

Andreas Eschbach bei der Frankfurter Buchmesse 2018 © Harald Kriche/ WikiCommons

Andreas Eschbachs stößt mit »Perry Rhodan. Das größte Abenteuer« natürlich nicht in eine besonders anspruchsvolle literarische Dimension vor. Das wird auch nicht die Idee gewesen sein, ebenso wie die Serie selbst stilistisch den eigenen Ansprüchen einer ewig laufenden Romanreihe bestens genügt. Aber Eschbach hat genau recherchiert, erzählt unterhaltsam, fesselt immer wieder mit spannenden Abschnitten, begeistert besonders mit seinem Ansatz einer aus der Zukunft rückblickend fiktionalen Biografie und öffnet mit seinen alternativen Einordnungen der Geschichte gerade das Herz derjenigen Generation von Altlesern, also den Kindern des Kalten Krieges, die vereinigt in der utopistischen Hoffnung auf eine bessere Parallelwelt mit der Serie groß geworden sind. Alt geworden sind sie allerdings allein, den Perry Rhodan ist ja bekanntlich unsterblich.

Bodo V. Hechelhammer
Seine Texte bei uns hier. Am 2. September erscheint von ihm bei PiperSpion ohne Grenzen. Heinz Felfe – Agent in sieben Geheimdiensten„.

  • Andreas Eschbach: Perry Rhodan. Das größte Abenteuer. Fischer Tor, Frankfurt 2019. Hardcover, 848 Seiten, 25 Euro. – Andreas Eschbach und Perry Rhodan in der „Perrypedia“ und  hier.

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