Geschrieben am 1. Dezember 2020 von für Crimemag, CrimeMag Dezember 2020

Peter Münder über Martha Gellhorn

Martha Gellhorn und E. Hemingway inmitten chinesischer Soldaten, 1941 © Wiki-Commons

Was uns jetzt fehlt: Marthas moralischer Furor

Wenn Martha Gellhorn (1908-1998) als Kriegsreporterin in den spanischen Bürgerkrieg, zum D-Day nach Omaha Beach, dann auch in den Vietnam-Krieg zog oder noch als 80-Jährige während der US-Invasion aus Panama und Grenada berichtete, dann tat sie dies mit einer kritischen Perspektive, die vor allem die leidende Bevölkerung im Blick hatte. Die hysterische Kommunistenjagd während der McCarthy-Ära und die daraus resultierende Zerrissenheit des Landes hielt sie für eine Perversion, die nach ihrer Ansicht kein vernünftiger Mensch einfach im lethargischen Lemming-Modus  tolerieren konnte. Den heutigen psychopathischen Egomanen im Weißen Haus hätte die Kämpferin für liberal-demokratische  Werte schon bei dessen Amtsantritt ohne relativierende Harmonie-Orgien  angegriffen: Denn für „all this objectivity shit“ hatte sie nur Verachtung übrig. – Über Neuerscheinungen von Gellhorns Briefwechsel mit Freunden, der Familie, Hemingway, Eleonore Roosevelt u.a. zwischen 1930-1949 sowie ihre Reportagen berichtet für uns Peter Münder.

„I don’t want to be elected or anything or mentioned in the papers, I just want to be where history is happening, to see it, to know about it myself, to do whatever small goofy usually futile thing I can do it in order to make some minor events easier for unknown people.“ (Martha Gellhorn)

„She is the most ambitious woman I ever met“. (Hemingway über Martha Gellhorn, mit der er von 1940 bis 1945 verheiratet war )

„Bis heute kann ich kein Buch über den spanischen Bürgerkrieg lesen“, erklärte Martha Gellhorn noch viele Jahre nach dem Ende der Kämpfe zwischen Loyalisten und den Franco-Faschisten, über die sie zwischen 1937-1938 aus Madrid berichtet hatte. „Denn die Bücher präsentieren vielleicht korrekte Fakten, doch sie können niemals die Emotionen, den Enthusiasmus, das Gefühl beschreiben, dass wir damals alle zusammen auf einer Seite kämpften und genau wussten, dass wir uns für eine gerechte, noble Sache engagiert hatten.“

Während sich Ernest Hemingway als Reporter der NANA (North American Newspaper Alliance) damals auf Berichte kaprizierte, in denen er militärische Vorstöße und Manöver, die benutzten Waffen, Opferzahlen, Geländegewinne und eine insgesamt vielversprechende Ausgangslage hervorhob, konzentrierte sich Martha Gellhorn auf den „menschlichen Faktor“– wozu Hemingway ihr geraten hatte, weil sie darüber ja am besten Bescheid wüsste. Ihre lebenslang  anhaltende Spanien-Begeisterung geht auf dieses einzigartige, mit liberal-demokratisch eingestellten Freunden geteilte Gruppenerlebnis zurück. Dazu gehörten nicht nur Malraux, John Dos Passos, Hemingway (mit dem sie dann von 1940-1945 als dessen dritte Ehefrau verheiratet war), Arthur Koestler oder der Photograph Robert Capa. Auf der republikanischen Seite kämpften auch internationale Brigaden mit sowjetischen, auf stalinistischen Hardliner-Kurs getrimmten Kadern, deren Misstrauen vor allem auf  Reporter gerichtet war: Denn waren diese suspekten Figuren nicht alle Spione? Wer vom lupenreinen Stalinisten André Marty damals als Spion  „enttarnt“ wurde, war dann auch schnell exekutiert worden. Marty selbst bekannte sich zu über 500  durchgeführten Massen-Exekutionen. Über die wurde von Reportern wie Hemingway jedoch nie berichtet, was John Dos Passos besonders erboste, da sein Freund, der Dolmetscher Jose Roberts, auch vom Henker Marty exekutiert worden war. Dieser Konflikt zwischen Dos Passos und dem über die Massenhinrichtungen zwar informierten, dies jedoch abstreitenden Hemingway bedeutete damals auch das Ende ihrer Freundschaft. 

Martha Gellhorn wollte von Konflikten innerhalb der Brigaden oder gar von  irgendwelchen Exekutionen nichts wissen; sie schwelgte in ihren Berichten für das Magazin „Colliers“ in begeisterten Stimmungs-Eindrücken: Waren die Spanier und ihre Hilfsbereitschaft trotz aller Entbehrungen nicht bewundernswert? Diese umwerfende Solidarität! Dieser Mut und dazu ihr kämpferischer Optimismus! Bildeten die Spanier zusammen mit den ausländischen Reportern nicht alle eine geschlossene Front gegen die Franco-Faschisten, Mussolini und Hitler? „Ich war nicht länger Pazifistin und wurde damals zur Anti-Faschistin“, schrieb sie in ihrem Reportage-Band „The Face of War“, der vier Spanien-Berichte enthält. Jedenfalls war der spanische Bürgerkrieg Gellhorns Erweckungserlebnis: Dort tauchte sie zuerst ein in den Alptraum eines totalitären Krieges, lernte sie die Spanier als „beautiful people“ kennen: „The noblest and unluckiest on earth.“ Und sie kam auch zu dem Schluss, dass es nach all den monströsen Verbrechen gegen die Menschheit einen gerechten Krieg geben kann – was  später auch während ihrer Begegnungen mit Nazi-Deutschen, vor allem nach der Befreiung Dachaus und während ihrer Reporter-Erfahrungen beim Nürnberger Kriegsverbrecherprozess zu ihrem Credo wurde. Sie war ja im Mai 1945 eine der ersten Augenzeugen in Dachau und hörte Berichte von befreiten KZ-Insassen, die sie in eine extreme Schockstarre angesichts dieser ungeheuerlichen Verbrechen versetzten. Und auch ihren Teutonen-Hass auslöste, der noch beim Rundgang durch das zerbombte Köln verstärkt wurde: Das von den Deutschen lamentierend wie von einem larmoyanten Leierkastenmann runtergenudelte „Wir waren immer gegen die Nazis, haben nie etwas von KZs gehört und bei uns sogar Juden untergebracht“ fand sie einfach widerlich. Verstörend und aufwühlend ist ihre in einem nüchternen, besonders intensiv wirkenden Dokumentarstil gehaltene Dachau-Reportage, in der sie kaum noch atmenden Skeletten zuhört, die  Details über den erlittenen KZ-Horror erzählenn. Die KZ-Befreiung erlebte sie gleichzeitig mit dem Ende des Krieges: „Keine Frage, dass dieser Krieg geführt wurde, um Dachau den Garaus zu machen und alle anderen Orte auszuradieren, die für Dachau stehen – sie für immer vernichten“ – so lautete ihr Fazit der Dachau-Reportage.  

Die Kunst des Ausblendens von Störfaktoren

Gellhorns hermeneutischer Tunnelblick war nicht nur verdunkelt –verblendet, wenn es um brutale Teutonen-Teufel ging; das andere Extrem war ihre idealisierende Verklärung Israels. Nichts Mangelhaftes, Anstößiges, Unrechtmäßiges konnte sie registrieren, wenn es Israel betraf: In ihren Reportagen aus Israel findet man kein einziges kritisches Wort über die in Jerusalem beschlossenen Kriegs- oder Siedlungs-Maßnahmen. Die Israelis sah sie in einer Opfer-Rolle, aus der sich die ehemaligen  underdogs mit Energie, Optimismus und militärischer Stärke selbst befreit hatten. Daher war in ihren Augen einfach alles optimal: Auf Hierarchien wurde auch beim Militär kein allzu großer Wert gelegt, Frauen waren absolut gleichberechtigt und auch bewaffnet. Aber wird diese Begeisterung, die emotionale Einseitigkeit, nicht zum unreflektierten Vorurteil? Blieb in Spanien damals also die Wahrheit  als „First Casualty“ auf der Strecke, wie  Phillip Knightley in seiner bahnbrechenden Studie über  Kriegskorrespondenten als Helden, Propagandisten  und Mythologen schrieb? Nahmen die meisten Reporter nur das wahr, was für ihre Seite nützlich war und positiv wirkte?

George Orwell, der in seiner „Poum“-Einheit bei Barcelona 1937 als Frontkämpfer auf der Seite der Republikaner die demokratische „causa“ gegen die Faschisten verteidigte,  hatte die stalinistischen Kader damals als brutale Machtmenschen erlebt, die alle wichtigen Positionen erobern und über alles bestimmen wollten. Ihn trieb damals die Sorge um, dass ein Sieg der Loyalisten auch bedeuten könnte, dass alle wichtigen politischen Entscheidungen dann von sowjetischen Funktionären gefällt würden – was er  rigoros ablehnte und in kritischen Kommentaren formulierte. Orwell erlitt in einem Gefecht ja einen lebensgefährlichen Hals-Durchschuss, den er nur knapp überlebte – das hinderte die Stalinisten-Fraktion aber nicht daran, den englischen Kämpfer als „Trotzkisten“ und angeblichen Spion zu verfolgen und auch nach seiner Rückkehr nach England über Stalin-affine Medien („Daily Worker“ etc.) denunzieren zu lassen. In „Homage to Catalonia“ beschrieb Orwell 1938 seine Bürgerkriegs-Erfahrungen und ging auch auf die Intrigen ein, mit denen linientreue KP-Anhänger die Veröffentlichung verhindern wollten. 

„Schlagt ihnen die Scheiben ein!“

Doch  von solchen Konflikten und  Intrigen blieb Martha Gellhorn als Reporterin verschont – sie wollte auch nicht als Analytikerin oder Historikerin akzeptiert werden, sondern mit ihrem emotionalen, von starker Empathie für die underdogs dieser Welt  angefachtem Furor eine selbstzufriedene, ignorante Öffentlichkeit wachrütteln. 

Selbstmitleid oder Jammern war nie ihre Sache: Als sie nach dem ersten College-Jahr ihr Studium 1929 abbrach und nach Gelegenheits-Jobs als Fact-Checker bei der New Yorker „New Republic“ und als Nachwuchs-Reporterin bei der „Times Union“ in Albany 1930 mit  75 Dollar und einer Schreibmaschine nach Paris aufbrach, war dies ein Befreiungsakt, der sie aus dem engen St. Louis-Mikrokosmos und der Kontrolle  überprotektiver Eltern erlösen sollte. Mit einigen PR-Artikeln über eine Schifffahrtslinie hatte sie sich eine Gratis-Passage von New York nach Frankreich verdient: In Paris wollte sie ihren Traum von einer Auslandskorrespondentin-Karriere verwirklichen, hatte anfangs aber nur Aufträge bei einer Werbe-Agentur und bei der „Vogue“ bekommen. Ihre Maxime „Go everywhere and see everything“ konnte sie in dieser europäischen Schnupperphase, in der sie auch krank und schwanger wurde, jedenfalls nicht realisieren; daher kehrte sie nach sechs Monaten nach St. Louis zurück. 

Als sie 1935 für das US-Nothilfeprogramm FERA die Lebensbedingungen von Arbeitslosen in Idaho eruieren sollte, musste sie empört registrieren, dass viele Familien hungerten, weil sie von den zugesagten staatlichen Lebensmitteln nichts empfangen hatten. Ihr Rat an die Hungernden war ebenso  einfach wie wirkungsvoll: „Schlagt  die Scheiben der Bürokratenbüros ein, dann werden sie schon reagieren“, meinte sie – und tatsächlich wurden die hungernden Familien danach regelmäßig versorgt – und Martha fristlos entlassen. 

Sie hatte jedenfalls früh gelernt, Flagge zu zeigen, eine Position auch gegen starken Widerstand zu vertreten. Ihre Mutter Edna war eine führende  Suffragette, die in St. Louis für das Wahlrecht von Frauen kämpfte und ihre kleine Tochter Martha zu den Demos mitnahm. So kam auch der enge Kontakt zur feministisch orientierten Eleonore Roosevelt und zu Theodore  Roosevelt zustande; im „Love and War“-Briefband  wird ein interessanter Einblick in ihre Korrespondenz gewährt und auch ein Empfehlungsschreiben des Präsidenten  Roosevelt für die Reporterin abgebildet. Marthas Vater war ein anerkannter deutschstämmiger  Gynäkologe in St. Louis,  der großen Wert auf gepflegte Tischgespräche und tadelloses Benehmen legte – dementsprechend  entsetzt war er dann, als seine geliebte Tochter schwanger aus Paris zurückkehrte und zur Abtreibung nach Chicago fuhr.   

Szenen wie im expressionistischen Stationendrama

Martha  Gellhorns moralischer Fixpunkt war das Berichten über Krisen- und Kriege, die wachrütteln und eine Besinnung auf ethische Normen auslösen sollten. Blickt man aber zurück auf all die weltweit  verstreuten Schauplätze ihrer Reportagen, dann spürt man hinter ihrer hektischen Jagd nach dem ultimativen Thrill auch einen psychologischen Totpunkt, hinter dem sich ihre depressiven Phasen ausmachen lassen. Als sie mit Hemingway 1939 auf Kuba kurze euphorische Glücksphasen auskosten kann, geht es dann doch noch mit Hem zur Jagd nach Idaho, wo ihr Hemingways turbulentes Macho-Gewusel mit all seinen trinkfesten Kumpels auf die Nerven geht: Prompt macht sie sich auf den Weg nach Helsinki, um über den Beginn des russisch-finnischen Krieges inklusive Bombenhagel über Helsinki  in einer Colliers-Reportage zu berichten. Fast manisch-depressiv wirkt der Wechsel von hyper-aktiven Phasen, grüblerischer Nabelschau und spontanen Trips um die Welt, die ihr nach der Scheidung von Hemingway  1945 und der Scheidung vom zweiten Ehemann Tom Matthews 1963 das ultimative Shangri-La irgendwo zwischen Mexico, Kenya, der Karibik, London und Wales bieten sollte. Dass sie sich 1970 schließlich doch noch in London (am Cadogan Square 72, wo inzwischen eine Gedenkplakette angebracht wurde) niederließ, grenzte an ein Wunder: Denn anfangs hielt sie alle Engländer für imbezile Schwachköpfe, die sich apathisch durch den Alltag wurschtelten und selbst  mit den Nazis noch Kompromisse eingehen wollten. Außerdem war das grauenhafte Wetter  ihrer Meinung so tückisch, dass man sich im ewigen Regen nicht nur Depressionen einfangen, sondern auch schizophren werden konnte…

Aber diese Petitessen, im „Love and War“-Briefband von Janet Somerville  mit mildem Wohlwollen präsentiert, sind natürlich banal: Wir wollen hier nicht näher auf all ihre Affären, die tragische Beziehung zum problematischen, oft allein gelassenen Adoptivsohn Sandy, ihre Stimmungsschwankungen oder den in ihren letzten Jahren produzierten  gut bezahlten „Bilger“-Schund eingehen, sondern die Reporterin würdigen, deren moralisches Sensorium im heutigen kurzatmigen digitalen Twitter-Mainstream bzw. den irreführenden  Fake-News-Fabrikationen fehlt. Bemerkenswert, wie schnell sie während der McCarthy-Ära auf die allgemeine Hysterisierung und Zerrissenheit der Amerikaner  reagierte und sich dazu in ihren  Berichten äußerte: Das war für sie ein drastisches Signal, nicht nur auf faschistoide Tendenzen in Europa zu reagieren, sondern auch auf dem Home Turf.  So würde sie heute auch mit ihrem unüberhörbaren moralischen Furor reagieren, hätte sie den hysterischen, betrügerischen  Dealmaker in Washington noch erlebt. 

„Clobber the Herman“

Auf zwei mitreißende, wachrüttelnde Reportagen soll hier noch hingewiesen werden: „The Black Widow“ beschreibt (in „The Face of War“)  ihren nächtlichen Höllenritt auf der Bombe, als sie im Januar 1945 einen englischen Bomber-Angriff auf deutsches Gebiet miterlebt. Sie sitzt wegen fehlender Sitzplätze in einer gigantischen C47 auf einem wackligen Fass, ihr wird eine Sauerstoffmaske in die Hand gedrückt, die nicht passt, dazu eine Anleitung für Notfälle, die sie nicht versteht und ein schweres  Fallschirmpaket auf den Rücken gebunden, das sie fast bewegungsunfähig macht. Natürlich wird ihr Bomber von deutschem Abwehrfeuer und deutschen Fliegern unter Beschuss genommen, während die englische Leitzentrale am Boden ihrem Piloten Anweisungen für den Bombenabwurf  auf deutsche Ziele gibt. Das lakonische Fazit, das sie nach diesem Einsatz immer wieder hörte, lautete: „We sure clobbered the Herman.“ Mit welcher Detailfreude, welchem Ernst sie die junge Besatzung und ihren lässigen Umgang mit der Todesgefahr beschreibt – das ist große, überwältigende Reportagekunst.

Und aus ihren sieben Vietnam-Reportagen (auch in „The Face of War“) kann man auf den ersten Blick erkennen, wie unerträglich sie diesen verlogenen  amerikanischen Vernichtungskrieg fand: Das offizielle  Gefasel darüber, die Herzen der Vietnamesen zu gewinnen, den täglichen Body Count, das perverse  Töten friedlicher Reisbauern, das Zerbomben ziviler Gebiete, den routinemäßigen  Napalm-Einsatz, der das Fleisch der Kinder zerschmelzen lässt. Ihre Aversion gegen diesen perversen Krieg  und den amerikanischen militärisch-industriellen Komplex hatte sich im Pentagon schnell herumgesprochen; Gellhorn wurde jedenfalls eine Akkreditierung als Reporterin konsequent verweigert – und das zu einer Zeit, als 600 Reporter aus Vietnam berichteten. So flog sie dann auf eigene Faust  nach Vietnam und berichtete für den „Guardian“ – vor allem aus Krankenstationen und Waisenhäusern.     

Die Dritte von rechts …

Als Krankenschwester an Omaha Beach

In  der heißen Phase des Zweiten Weltkriegs verfolgte Gellhorn von Italien aus den Vormarsch amerikanischer Truppen und landete im Juni 1944 ihren wohl größten Scoop, als sie sich als Krankenschwester getarnt in Southampton auf einem Rotkreuz-Hospitalschiff verstecken konnte und dann in Omaha Beach den D-Day der Alliierten unter 160 000 Soldaten erlebte – was selbst der Haudegen Hemingway nicht geschafft hatte. Als irritierenden Kontrapunkt registriert man beim Rückblick auf 1944  aber auch die Veröffentlichung ihres kitschigen Softporno-Romans „Aliana“, in dem sich eine karibische Mulattin mit diversen Männern einlässt, ihren Prinzen aber nicht findet. Sie wollte sich eben neben Hemingways  gigantischem Bestseller „For whom the bell tolls“ auch einen Namen als Roman-Autorin machen und nicht ewig als langbeiniges Begleiter-Model des Großwildjägers bezeichnet werden. Später wollte sie ja sogar juristisch gegen Journalisten vorgehen, die sie irgendwie in Verbindung zu Hem brachten. 

Ihre letzten Stationen nach ihrem Hausbau in Kenya (1968) führten Martha Gellhorn nach Mittelamerika für eine Reportage über die amerikanische Panama-Invasion und 1996 zuletzt nach Brasilien für einen Bericht über ermordete Straßenkinder in Salvador. Aber da war sie nach einer schlecht verlaufenen Katarakt-Operation bereits extrem gehandicapt und konnte kaum noch sehen oder schreiben. Als Martha Gellhorn dann noch krebskrank wurde und sie einen fatalen Exitus nicht mehr auskämpfen wollte, beschloss sie ihr Ende selbst: Am 15. Februar nahm diese 89jährige  großartige Reporterin ihre schon zurechtgelegte Zyankali-Kapsel und starb in ihrer Londoner Wohnung. 

Peter Münder

Seine Texte bei uns hier. Zuletzt über die „USA Trologie“ von John Dos Passos – und hier in dieser Ausgabe auch über die Autoschmiede Bertone.

Literatur: 

Janet Somerville (ed.): Yours, for probably always: Martha Gellhorn’s Letters of Love and War, 1930-1949. Firefly Books, New York 2019. 528 S., $ 40.

Martha Gellhorn: The Face of War. Writings from the Frontline., 1937- 85. Eland Publishing Ltd., London 2016. 319 S., 12,99 GBP.

Martha Gellhorn: The View from the  Ground. Granta Books, London 1989. 459 S.

Caroline Moorehouse: Martha Gellhorn – A life. Chatto & Windus, London 2003. 550 S.   

Phillip Knightley: The First Casualty. From the Crimea to the Falklands: The War Correspondent as Hero, Propagandist and Myth Maker. Pan Books, London 1989. 478 S.     

Martha Gellhorn: Reisen mit mir und einem Anderen. Fünf Höllenfahrten.  Deutsch von Herwart Rossmann, Nachwort von Sigrid Löffler. Dörlemann Verlag, Zürich 2011. 544 S.  

Angela Schader: Die Augen des Gewissens (Zum 100. Geburtstag von M. Gellhorn). Neue Zürcher Zeitung, 7. November 2008.