Autistischer junger Hacker wird als Terminator eingesetzt
Nun hat er den Weg zurück zur geliebten Nakashima-Schreibmaschine doch noch gefunden: Nach seiner glänzenden Autobiographie „Outsider“ (2015) hatte der inzwischen 80jährige Superbestseller-Autor Frederick Forsyth („Der Schakal“, „Die Todesliste“) ja bereits seinen Autoren-Ruhestand angekündigt; nun ist also sein „allerletzter“ Thriller „Der Fuchs“ erschienen. – Von Peter Münder.

Schon seit dem Verschwinden eindeutiger Feindbilder nach dem Ende des Kalten Krieges hatten Thriller-Autoren enorme Probleme; nach den Nine-Eleven-Terrorattacken bestand ihr Problem offensichtlich auch darin, ein diffuses globales Konfrontations-Phantom überhaupt noch präzise in den Fokus zu bekommen: „Die Realität ist so verrückt, dass es keinen Sinn macht, einen Plot zu erfinden“, schrieb Frederick Forsyth angesichts des sich selbst auflösenden sowjetischen Imperiums . Aber er fand immer wieder Wege aus dem großen kognitiven Nebelfeld und verlagerte sich in seinen Plots auf Schauplätze wie Somalia, Pakistan oder Afghanistan („Die Todesliste“, 2013). Das Aufspüren eines weltweit gesuchten Hasspredigers wird darin nur möglich, weil ein 19jähriger, am Asperger-Syndrom leidender Cyperspace-Nerd Supercomputer hacken und alle wichtigen Daten für die Jagd auf den Terror-Prediger eruieren kann.
Auch der scheue, autistische 18jährige „Fuchs“ namens Luke ist nun, fünf Jahre nach der „Todesliste“ wieder so ein Nerd, der sein „richtiges“ Leben nur am PC , total abgeschirmt von der schnöden Welt da draußen in der englischen Provinz, verbringt. Seine Mutter beschützt ihn vor allen Außenkontakten, er blüht aber auf, wenn er Herausforderungen bewältigen soll, die eigentlich gar nicht zu lösen sind: Wie etwa das Eindringen in die gigantischen Computer der NSA oder des russischen Militärsystems. Ursprünglich war dieses PC-Hacking für Luke nur eine Art digitales Kreuzworträtsel. Das Stöbern in fremden PC-Systemen – weder von Amerikanern, noch von Russen oder Iranern für möglich gehalten – war sein Hauptgewinn. Er wollte nichts zerstören und sich auch nicht als Whistleblower profilieren – nur mal nachschauen, was sich im digitalen Supersystem so tut.
Dann kommt der längst aus dem Geheimdienst ausgeschiedene, aber noch als Berater der Innenministerin (Theresa May lässt grüßen) Sir Adrian Weston auf die Idee, den Fuchs nach seinem Herumstöbern im NSA-System nicht an die USA auszuliefern, sondern ihn für sein eigenes Wiedergutmachungsprogramm einzuspannen: Denn Sir Adrian hat noch etliche Rechnungen aus der guten Kalten Kriegszeit offen. Nicht nur mit den Russen, sondern auch mit den Iranern und ihrem geheimen Nuklear-Programm zur Urananreicherung … Und eigentlich auch mit den Nord-Koreanern usw. So wird aus den separaten Attacken schnell ein Feldzug gegen „Schurkensysteme“ – zwar kein Krieg, aber wirkungsvolle Einzelaktionen gegen so einen egomanisch-aggressiven Typen wie den mit Plutokraten und Gangstern kooperierenden russischen Machthaber Vodzov (ehedem wie Putin als Spion in der DDR).
Der immer noch bestens mit Militär, Geheimdiensten und Politikern vernetzte Sir Adrian findet für seine Vergeltungspläne gegen sinistre Potentaten zwar überall offene Ohren, doch er hat keinen Hang zu größenwahnsinnigen militärischen Abenteuern – auch wenn sich die Konflikte zuspitzen und etwa die Erniedrigung der Russen angesichts ihres neugebauten, aber völlig aus dem Ruder laufenden gigantischen Kreuzers im Kanal nach dem Kollaps des Computersystems bis zum aggressiven Gegenschlag steigert. Auch in Teheran sind die Zentrifugen für das Nuklearmaterial nicht mehr kontrollierbar – aber der Tipp für den Zugangs-Code ihrer Computer ist natürlich ein gigantischer Erfolg für den israelischen Geheimdienst …
Forsyth gelingt es, den Kontrast von lebensfremdem Eremiten-Dasein des 18jährigen PC-Hackers und einer monströsen heißlaufenden Verfolgungs-Maschinerie dubioser politischer Systeme wirkungsvoll und spannend aufzubauen und dabei noch die brisanten politischen Implikationen zu berücksichtigen. Merkwürdig ist jedoch, dass seine Kritik an Russen, iranischen Ayatollas, dem imbezilen nordkoreanischen Raketen-Fetischisten u.a. ausgerechnet den gefährlichsten und unberechenbarsten Egomanen von allen – den Dealer im Weißen Haus – ausblendet.
Aber man weiß ja nie, vor allem nicht bei diesem dynamischen, phantasievollen 80jährigen Autor: Vielleicht hat Forsyth doch schon einen neuen Plan für seinen nächsten Thriller über einen tollwütigen US-Präsidenten in der Schublade? Wo ist die Realität denn so verrückt wie in Washington? Einen irren Plot gibt es dort ja eigentlich täglich – den muss der englische Thriller-Spezialist nicht erst erfinden.
- Frederick Forsyth: Der Fuchs (The Fox, 2018). Deutsch von Rainer Schmidt. Verlag C. Bertelsmann, München 2019. 320 Seiten, 20 Euro.