Geschrieben am 1. September 2019 von für Crimemag, CrimeMag September 2019

Serie: „La Zona – Do not cross“

Nukleares Inferno in Europa

Ein Essay von Markus Pohlmeyer zur Serie „La Zona – Do not cross“ (2017)

In Spanien kam es zu einer nuklearen Katastrophe. Wer räumt nun die verstrahlte Erde weg? Natürlich der ‚Abschaum‘ der Gesellschaft. Die Alternativen: wieder ins Gefängnis, auf die Straße oder in dein Herkunftsland zurück. Wen kümmert’s. Und um ein neues Leck zu vertuschen, werden die Geigerzähler der Arbeiter (auch von diesen selbst) manipuliert. Korruption auf allen Ebenen: vom Regierungsvertreter über den lokalen Paten bis zur Polizei. Schmuggel und Drogenhandel blühen. Die betroffenen Menschen, umgesiedelt oder zusammengepfercht, wurden im Grunde im Stich gelassen. 

Und ein Defekt an den Notstromgeneratoren hat beinahe zu einer zweiten Katastrophe geführt. Das Anheuern von Arbeitern, die da reingehen sollen, geht gründlich schief. Die Arbeiter werden dann wie Freiwild gejagt. Und so müssen drei Mitarbeiter des Kraftwerks hinab in das Herz der Finsternis. Das Monster ist unsichtbar. Dessen ständiges Bedrohungspotential der Soundtrack betont: da ist etwas, lauernd, was nicht beherrscht werden kann – selbst in schier banalen Szenen. Und du hörst es. An den Geigerzählern. 

Der Reaktor muss gekühlt werden. Drei Menschen in Schutzanzügen auf dem Weg in die Hölle. Dunkelheit und Wasser. Laura entscheidet, ihren Geigerzähler abzustellen. Der unsichtbare Schrecken ist jetzt auch unhörbar geworden. Wir wissen, die Werte sind astronomisch, sind tödlich. Dunkle Gänge. Einer muss hustend umkehren. Nur noch zwei. Eine Tür. Kein Weg zurück. Als Laura diese Tür schließt, die Schwelle überschreitend, schaut sie durch ein Sichtfenster: in die Kamera und wie direkt in meine Augen. Dokumentarische Nähe? Das war zum Heulen. Die Tür schließt sich. Die nächsten Wege können wir nicht mehr mitgehen. Intimität des Todes. Den Rest erfahren wir durch eine Art Teichoskopie. Die Reaktoren seien erfolgreich gekühlt, die drei Mitarbeiter sofort ausgeflogen worden. 

Das Monster ist unsichtbar. In der 7. Episode von Staffel 1 dieser beeindruckenden Serie baut sich ein kaum auszuhaltender Horror auf. Minimalistisch: Drei Menschen. Dunkelheit, Taschenlampen, ein Weg durch lange, nasse, verlassene Gänge. Hinab in die Unterwelt, in jene atomare Hölle, die einen innerlich verbrennt – trotz spezieller Schutzanzüge. Zu sehen nur noch die blau beleuchteten Augen. Menschenopfer. (Das erinnerte mich an „Alien“:[1]an den Weg über den infernalischen Planeten, an den Abstieg in die Höhle unter dem gestrandeten Schiff. Die Astronauten sind schon längst tot, der Film aber noch nicht zu Ende. Das Monster fast nie sichtbar: zuerst innen, verborgen, aber da; dann in den Schächten und Räumen des Schiffes, sich versteckend, aber da.) 

Der Pate wird später genüsslich seiner Familie das Essen servieren, der Politiker die übliche Vertuschung der Presse entgegenlügen. Nur dem traurigen Helden und seiner traurigen Frau, beide von Hoffnung zerstört, getrieben von Verzweiflung beide, scheint etwas Glück gegönnt, denn deren bei der Reaktorkatastrophe umgekommene Sohn hat nämlich mit seiner Freundin in Madrid ein Kind, einen Enkel, wie sie erfahren, hinterlassen. Vergessen Fukushima und Tschernobyl? Europa in der nuklearen Apokalypse. Keine zürnenden Dämonen. Menschengemacht. Gnade uns Gott.

Siehe auch Markus Pohlmeyer: Kierkegaard: Naturalismus oder Gott in Manh(a)attan, in: http://culturmag.de/crimemag/essay-markus-pohlmeyer-kierkegaard-und-die-atombombe/97288, Zugriff am 15.12.2016

Markus Pohlmeyer

Markus Pohlmeyer lehrt an der Europa-Universität Flensburg. Seine vielfältigen Texte bei CulturMag hier.


[1]Zum Einfluss anderer Filme (wie auch von „Alien“) siehe dazu auch https://de.wikipedia.org/wiki/La_Zona_%E2%80%93_Do_not_cross, Zugriff am 19.8.19

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