Geschrieben am 30. März 2013 von für Crimemag, Film/Fernsehen

Spotlight: Tatort: „Summ, Summ, Summ“

summ-summ-summ-3Ausgesummt

– Die Aufarbeitung des „Tatorts“ vom vergangenen Sonntag kann nicht ohne Superlativ beginnen. 12,81 Millionen Menschen, das entspricht einer Quote von 34 Prozent, schalteten um 20:15 Uhr das Erste ein. Ein Erfolg für die Erfinder des Ermittlerteams aus Münster. Thiel und Boerne haben es wieder einmal geschafft, die Massen vor die Bildschirme zu locken und, das war dem Sender wie den Medien wichtig zu betonen, Till Schweigers Debüt zu übertreffen. Die Frage, ob es dem „Tatort“ gelungen ist, zu unterhalten, besser noch, zu begeistern, bleibt beim Blick auf die Statistik unbeantwortet. Gina Bronner-Martin hat genauer hingesehehn.

Der „Tatort“ begann, wie man es erwartet: Professor Boerne triezte seine Assistentin Alberich und zoffte sich mit Thiel. Der sich wiederum mit seinem, weichen Drogen nicht abgeneigtem Vater, welcher gerade ein neues Projekt gestartet hatte. Diesmal waren es Bienen. Die, so ahnte man, sollten später eine maßgebliche Rolle spielen, wie auch die beiden Giftspinnen, die sich in einer Bananenkiste versteckt in Boernes Wohnung schleppen ließen – natürlich von Alberich. Auch Manfred, „Vadders“ Kumpel aus früheren Zeiten, wurde früh genug eingeführt, um relevant zu werden.

In dem Eintopf, in dem Boerne, Thiel und Alberich rührten, befanden sich also nach wenigen Minuten Bananen, Spinnen, Bienen sowie ein zwielichtiger Geselle. Die Drehbuchautoren Jan Hinter und Stefan Cantz würzten mit einem den Frauen zugetanen Schlagerbarden und dessen Managerin, gab eine Stalkerin dazu, schmeckte mit Richard Wagner ab (der Boerne und den Barden zu Freunden werden ließ) und garnierte mit einer verklemmten Saunatür. Allmählich wurde es eng im Topf. Doch es fehlte noch etwas, diese Prise, die … Leiche!

Irgendwie ging sie unter in dieser gehaltvollen Suppe, die Tote im Müllcontainer ausgerechnet des Supermarktes, in dem Boerne seine Einkäufe tätigte (Bananen plus Phoneutria, wir erinnern uns). Die blaue Blume, die sie am Knöchel tätowiert trug, tauchte bei einer anderen Frau wieder auf, die wiederum die Geliebte des Schlagersängers war. Eine von vielen, wie man ahnte. In der Folge wurde ein Anschlag auf die Managerin verübt – wenn man die Szene in der Sauna berücksichtigt, waren es sogar zwei Anschläge –, der Sänger tot in seinem Bett aufgefunden, die Stalkerin mehrfach durchs Bild geschubst.

Who cares?

Man kann den Überblick verlieren, wenn man versucht, diesen Tatort nachzuerzählen. Wer letztlich wem was angetan hat und warum – interessiert das noch? Wie raffiniert der Mord ausgeführt wurde, verschwindet in dem Brei, zu dem die Suppe irgendwann verkochte. Moment, es waren ja zwei Morde! Und Manfred, der geisterte ja auch noch herum. Was war mit dem nochmal? Ach ja, ein geklauter Song. Und die Tote im Müll? Man verzweifelt als Krimifreund und kommt zu dem Schluss, dass eine Story, die immer mehr von Nonsens überlagert wird, das Recht auf das Prädikat „Tatort“ verliert.

Tatort
Too much …

„Zu viel des Guten!“, möchte man rufen. Wobei das Gute leider nicht einmal gut war, sondern aus Abgedroschenem und Versatzstücken bestand, ohne die jeder Krimi hervorragend auskommt. Eigenes bot dieser Tatort durchaus, doch nichts Neues, Überraschendes mehr: Boernes Arroganz. Seine wohlformulierten Sprüche, die man mittlerweile zu gut kennt und längst nicht mehr als brilliant, sondern aufgesetzt empfindet. Sein Geplänkel mit der kleinwüchsigen Assistentin. Thiels Schnoddrigkeit, die das perfekte Diametral zu Boernes durchgestylter Persönlichkeit darstellte, mit der Gewöhnung daran aber nur noch ungezogen wirkt. Klassische Musik, teure Kleidung, schnelle Autos und, und, und.

Was am 20. Februar 2002, dem Tag, an dem die erste Folge des Münsteraner „Tatorts“ ausgestrahlt wurde, noch sensationell anders war, lässt sich heute zusammenfassen wie den Verlauf einer gescheiterten Ehe: einst prickelnd, dann liebgewonnen, jetzt vorhersehbar und damit langweilig – das Furchtbarste, was einer Beziehung zustoßen kann. Der Versuch, verloren gegangene Faszination mit einem Mehr an Inhalt und Tempo zu kompensieren, scheitert fast immer. So auch hier. Trotz beeindruckender Statistik.

Gina Bronner-Martin

Foto: ORF/ARD/Martin Menke. © ORF, Wuerzburggasse 30, A-1136 Wien, Tel. +43-(0)1-87878-13606
Fernsehfilm: Summ, Summ, Summ, ARD: 24.03.2013/20:15; Regie: Kaspar Heidelbach; Drehbuch: Jan Hinter, Stefan Cantz; Kamera: Achim Poulheim; Musik: Arno Steffen; Deutschland 2013. Darsteller: Jan Josef Liefers, Axel Prahl, Friederike Kempter, Mechthild Großmann, Christine Urspruch, Claus D. Clausnitzer, Roland Kaiser, Ulrike Krumbiegel, Fritzi Haberlandt, Petra Kleinert.
Gina Bronner-Martin ist Juristin und Psychologin sowie Journalistin. Sie verfasste Artikel, Porträts, Analysen und Fachbücher, bis sie sich wieder an ihre nie vergessene Leidenschaft erinnerte: Schreiben, um zu erzählen. Inzwischen lebt sie als freie Autorin in der Nähe von München sowie im Schwarzwald und produziert nicht mehr nur Informatives, sondern auch Spannendes.

Tags : , ,