Definitiv in die Flop-Kategorie
Anna Veronica Wutschel über die TV-Serie “Candice Renoir”.
La Vie est Belle ! Der Franzose – correspondant au cliché -, weiß mit der entspannten Laisser-Faire-Attitüde das Leben zu genießen. Und so wird auch gern das französische Kino betrachtet: Leichtfüßig kommt es daher, zuweilen schweigsam, zuweilen etwas verschwatzt, selten ohne intellektuelles Herzstück, dem die Franzosen jedoch statt mit bildungsphilistrischer Schwere das Geistreiche mit lockerer Gelassenheit abgewinnen können. Das muss nicht jeder goutieren, diesbezüglich gibt es unzählige Ausnahmen, und generell sollte niemals etwas Komplexes undifferenziert miteinander gleichgesetzt werden. Doch nicht nur der Cineast erkennt einen französischen Film sofort, wobei es diesbezüglich kaum einen Unterschied macht, ob es sich um “Claires Knie”, “Die schöne Querulantin”, “Jules und Jim”, “Tee im Harem des Archimedes” oder “Die wunderbare Welt der Amélie” handelt. Etwas scheint dem französischen Film eigen.
Nun, da inzwischen behauptet wird, gut gemachte Serien könnten womöglich das bessere Kino sein, sei mir dieser kurze Vorgedanke gestattet. Denn auch wenn die Idee im Einzelfall zutreffen mag, erzeugt die momentane Serienschwemme unzählige unbedeutende Flops. Die Reihe “Candice Renoir”, die entfernt an “Julie Lescaut” und “Kommissar Navarro” erinnert, sich indes vielmehr an Serien wie “Monk” und “Death in Paradise” zu orientieren scheint, gehört definitiv in die Flop-Kategorie. Obschon im herrlichen Süden Frankreichs, in Sète und Montpellier, gedreht und als Krimiserie vermarktet, erzählt “Candice Renoir” familientauglich seicht von den kleinen Kratzern, die das schöne Leben manchmal abbekommt. Und könnte trotz aller Savoir-Vivre-Bemühungen auch eine amerikanische Schnell-Produktion sein. Doch worum geht’s eigentlich?
Tough & süß
Die toughe Titelheldin Candice Renoir (sympathisch zuckersüß: Cécile Bois) hat ihren Job bei der Polizei vor zehn Jahren an den Nagel gehängt, um ihrem beruflich erfolgreichen Ehemann ins Ausland zu folgen. Als die inzwischen vierfache Mutter von einer Affaire ihres Mannes erfährt, packt sie kurzerhand die Koffer und kehrt mit ihren lieben Kleinen zurück nach Frankreich. Einst hat Candice erfolgreich in Paris ermittelt, doch nun sendet man sie ins beschauliche Sète, das niemandem in der Familie zunächst so recht gefallen will. Nur für Candice ist das berufliche Angebot ein Glücksfall, von ganz oben kam die Direktive, sie als Commandant einzustellen und ihr, der langjährigen Berfusabstinenzlerin, direkt ein ganzes Team zu unterstellen.
Mit dieser Herausforderung ist die allein erziehende Mutter allerdings in vielfacher Hinsicht überfordert. Die Kinder nörgeln und nerven mit albernen Streichen, die Computerprogramme, mit denen die Polizei inzwischen arbeitet, erweisen sich als undurchschaubar, da es Candice nicht einmal gelingt, sie zu öffnen. Und ihr neues Team – wen wundert’s? – begegnet ihr mit unverhohlener Ablehnung. Doch – wir wissen es ja – la vie est belle und Candice stets heiteren Gemüts. Der Nachbar Hervé (Alexandre Varga) ist ein zu vernaschender Leckerbissen, der allzu bereit auch gleich seine Ehefrau aus der Villa wirft. Und das Team ist eigentlich auch ganz nett. Selbst Capitaine Dumas (Raphael Lenglet), der sich selbst Hoffnungen auf die Stelle des Commandants gemacht hatte, schließt die eigenwillige Candice irgendwie in sein Herz. Der freundliche Kollege Medjaoui (Mhamed Arezki) kann besonders gut mit schwangeren Frauen, vermutlich weil er selbst gerade Vater wird, während der weibliche Aggro-Computer-Nerd Da Silva (Gaya Verneuil) schweigend im eigenen familiären Dschungel kämpft. Sei’s drum, Candice wird sich auf ihre erfahrene, mütterliche Art darum kümmern, lässt sich jedoch zunächst lieber von der koketten Kriminaltechnikerin und Gerichtsmedizinerin (formidable gewitzt: Alix Poisson) Diät- und Sextips geben.
Brillant logikfrei
Nebenbei wird selbstredend auch ermittelt. Die Fälle scheinen zunächst undurchschaubar, doch Candice findet unbeirrbar das lose Ende vom Faden und entwirrt entschlossen mit ebenso albernen wie skurrilen Ermittlungsmethoden das Chaos der falschen Fährten. Commandant Renoir hat das Auge für das absurdeste Detail, brilliert mit schrägen Geistesblitzen und einer Kombinationsgabe, deren Logik wohl nur sie selbst folgen kann. So ist die hübsche Blondine, die gern in jedes Fettnäpfchen tritt, das sich ihr in den Weg stellt, und die zunächst von ihren Kollegen ganz böse Barbie genannt wird, vor allem eins: anstrengend. Cécile Bois jedoch spielt ihre Rolle so keck reizend, dass der Zuschauer Candice letztlich in ihrer Haushalts-, Kinderschar-, Liebhaber- und Mascara-Pirouette irgendwie ins Herz schließt. Ihr Team ist gut besetzt, doch trägt Cécile Bois die Inszenierung. Lediglich Alix Poisson, die rasch eine Art Vertraute von Candice wird, trumpft mit sichtbarer Spielfreude auf. Oder ist es nur ihr süffisantes Lächeln, dass dem Geschehen ebenso skeptisch gegenüberstehen könnte wie die Rezensentin, das die Figur aus der Schauspielerriege hervorhebt?
Die restlichen Nebendarsteller setzen sich leider zumeist wenig überzeugend, dafür recht holprig in Szene. Die, wie bereits erwähnt, verzwirbelten Episoden, die mit so schwerfälligen Titeln wie “Reich ist, wer anderen nichts schuldet” oder “Wehe dem, der das Unglück bringt” aufwarten, erzählen ganz ohne Blut, ohne Gewalt und auch ohne ernsthafte Sozialkritik, dass das Leben nicht nur schön ist, sondern letztlich auch gut. Manche Menschen, so könnte die harmlose Botschaft lauten, tun mal etwas Böses. Aber die meisten wollen gar nicht böse sein, ein Unglück hat dazu geführt, dass sie eine schlimme Tat begangen haben. Die meisten bereuen. Alle anderen werden verächtlich weggesperrt. Märchen sind da weitaus brutaler. Den Esprit muss sich der Zuschauer herbeidenken und mit einem Salade Niçoise und einem guten Vin Rouge kann er als Selbstversorger vor dem Fernseher für mehr französisches Flair sorgen, als die Serie selbst. Aber gut, Candice Renoir geht in Frankreich gerade in die 4. Staffel, und irgendwie ist sie ja doch – assez sympa ! Ganz nett!
Höchst löblich ist übrigens, dass man die Serie auch im französischen Original abspielen kann. Leider gibt es, wie es bei Edel so oft der Fall ist, wieder keine Untertitel. Das ist nicht nur für Hörgeschädigte sondern auch für Frankophile, die im Eifer des Geschehens vielleicht doch nicht alles verstehen, höchst bedauerlich.
Anna Veronica Wutschel
Candice Renoir. 1. Staffel. 3 DVDs. Darsteller: Cécile Bois, Raphaël Lenglet, Alix Poisson, u. a. Studio: Edel Motion. Laufzeit: 416 Minuten. Deutsch (Dolby Digital 2.0), Französisch (Dolby Digital 2.0). Erscheinungstermin: 26.02.2016. Preis: 27,99 Euro.