War da etwas?
Joachim Feldmann sinniert. Kurz.
Neulich war Buchmesse. Und ich habe sie wieder einmal verpasst. Nicht, dass ich ernstlich vorgehabt hätte, nach Frankfurt zu fahren. Glücklicherweise habe ich einen Beruf, der mir zu solchen Extravaganzen keine Zeit lässt. Ehrlich!
Früher war das anders. Schon im August überlegte ich, wie es mir gelingen könnte, zwei Tage freizuschaufeln, um den Höhepunkt des literarischen Lebens in diesem Lande nicht zu verpassen. In der Woche vor der Messe radelte ich täglich zum Bahnhofskiosk und durchstöberte die überregionalen Zeitungen nach Literaturbeilagen. Rezensionen, die mir besonders gefielen, schnitt ich aus, um sie in einem ausgedienten Schuhkarton zu sammeln. Oder ich legte sie in das besprochene Buch, sofern es sich in meinem Besitz befand. Das war nicht unwahrscheinlich, denn selbst als Gelegenheitskritiker wurde ich mit den im Frühjahr und Herbst erscheinenden Verlagskatalogen beglückt und konnte nach Herzenslust Neuerscheinungen bestellen. Die dann auch gelesen wurden. Ab und an schrieb ich selbst eine Rezension, allein schon, um die großzügige Versorgung mit aktueller Literatur nicht zu gefährden. Denn ich war neugierig und voller Entdeckerfreude.
Doch diese Neugier ist mir abhanden gekommen. Ich höre alte Platten und lese alte Bücher. Manchmal handelt es sich Klassiker in einer neuen Ausgabe. Gegenwartsliteratur nehme ich nur noch in homöopathischen Dosen zu mir und mein besonderes Misstrauen gilt den Empfehlungen der Feuilletons. Denn was heute hochgelobt wird, bringt übermorgen nicht einmal 25 Cent beim Altbuchverwerter, weiß der Zyniker in mir. Und den mag ich eigentlich gar nicht. Also leide ich.
Das ist kein Kulturpessimismus. Vermutlich war früher gar nichts besser, weder die Literatur, noch deren Kritik. Nur ich war eben jünger.
Joachim Feldmann unterrichtet Deutsch und Englisch an einer berufsbildenden Schule, schreibt Literaturkritiken und gibt die Literaturzeitschrift „Am Erker“ mit heraus. Er wurde Mitte dieses Jahres 60. Heute, am 4. November, hört er Teil 14 von Bob Dylans „Bootleg Series“: More Blood, More Tracks. Bei CrimeMag ist er ein kontinuierlicher Rezensent, bei so gut wie allen „Bloody Chops“ zu finden und ansonsten hier.