Geschrieben am 3. Dezember 2014 von für Kunst, Litmag

Das Berliner „Museum der Stille“ von Nikolaj Makarov

Modell-von-Sergei-Tchoban_500pxNichts hat gefehlt

– Eine Museumsempfehlung mit Rückblende von Daniel Khafif.

Mit der Kunst ist es bekanntermaßen wie mit der Küche – die Geschmäcker sind verschieden. Das in vielen, oft eisigen Hallen etablierter Kunsttempel mit viel Lob zurückgeworfene Echo auf den bildenden Künstler Nikolaj Makarov scheint diese Regel mit der berühmten Ausnahme zu belegen. Fast sämtliche Berliner Medien (von „zitty“, „Tip“ zur „Morgenpost“), Kunstmagazine oder Szene-Blogs wie „ModeAffe“ boten2014 eine wunderbare Hommage an das Oeuvre Nikolay Makarovs, dessen “Museum der Stille” rechtzeitig zur Berlin Art Week im September 2014 wiedereröffnet wurde – und nun zum Winter mehr denn je zur inneren Einkehr lockt.

La Bohème…

Es ist ein Comeback dieses besonderen Orts, eine ersehnte Wiedereröffnung.

Was war passiert?

Rückblick ins Jahr 2000: Als Nikolaj Makarov zur Jahrtausendwende seine berühmten Kakerlakenrennen (All Time Winner: „Olga“) inmitten von Bars, Salons oder Galerien, den feierfesten Epizentren einer damals noch tobenden und angstbefreiten Bohème veranstaltete, ahnte kaum jemand, dass ein Jahrzehnt später nicht „mangelnde Jobperspektive“, sondern „knapper Wohnraum” zum nervenden wie realen Dauerthema werden würde.

Makarovs illustre, opulente und teils vom TV übertragenen Kakerlakenspektakel fügten sich einst nahtlos in das Bild der feierfreudigen und lebensfrohen Russen, wie es von den Urhebern der Russendisko, den DJs bzw. Autoren Gurzhky und Wladimir Kaminer im legendären Kaffee Burger an der Torstraße bis zur Erschöpfung (in jedweder Hinsicht) durchgetrieben wurde. Doch gab und gibt es sowohl bei Kaminer, als auch Makarov und vielen anderen russischen Künstlern eine dem Feierexzess diametral gegenüber stehende andere Charakterseite: Die des tiefsinnigen, philosophischen wie eben stillen Denkers, welche ebenso für das künstlerische, wie auch das russische Gemüt steht.

…est mort!

Als nach und nach immer mehr Touristenkarawanen durch Berlin zogen, der beliebte Easy Jet spätestens seit der WM 2006 unbeliebte Wochenendalkoholiker an die Spreespülte, deren rüdeste Reisende Freitag Abends nun auch durch Mitte grölten, statt stundenlang an teuren Longdrinks in den saturierten Barlandschaften von London, Madrid, Rom oder Kopenhagen herumzunippeln, schloss Nikolaj seine Bar, bald auch das stille Museum, ging zum Leidwesen vieler seiner Begleiter aus bewegteren Tagen (Seufz!) fort, nach New York, nach Moskau, mal hierhin, mal woandershin – und produzierte sukzessive viele seiner bedeutenden Werke in einer langen, fruchtbaren Schaffensperiode.

Zwar war Nikolaj Makarov schon vor seiner, tja, inneren Einkehr ein prominenter wie erfolgreicher Künstler, aber da nach Berlin offenbar nur noch New York, London und Moskau kommen können, kratzte der Maler fortan notgedrungen wie folgerichtig an der Wiedererkennungsmarke „weltberühmt”. Dabei dürfte Makarov einer der wenigen weltberühmten Künstler sein, die zwar genauso aussehen und genau solche Werke schaffen, aber gar nicht so weltberühmt wirken. Denn Nikolaj Makarov ist seiner Bestimmung treu geblieben. Und diese Bestimmung findet sich in seinen Bildern, die dem Betrachter Raum für Einkehr, ja, Ein-Sicht geben.

Raum für Nichts? Nein: für’s Nichts.

Im Japanischen gibt es ein Wort für den Raum „zwischen den Hauswänden”. Einen Raum, der dafür da ist, dass da eben nichts ist. Denn ist das Nichts nicht da, fehlt der Raum für das Alles. Und eben diesen Raum bietet nun wieder das Stille Museum. Und wie es gefehlt hat! Weg vom Klim-Bim und Gewusel des Alltags, weg von der täglichen Reizüberflutung, die unsere Aufmerksamkeit verkümmern lässt, rein in Makarovs „säkulariserten Andachtsraum“. Stille ist andächtig, ist heilsam. Nicht Quantität und Fülle findet man im Museum der Stille, sondern Qualität und Konzentration.

Willkommen zurück.

Daniel Khafif

Weitere Info unter www.museum-der-stille.de. Foto: Modell von Sergei Tchoban, Quelle.

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