Das in den Brunnen gefallene Kind ersäuft.
Das Münchner Oberlandesgericht & seine Vergabe der Presseplätze zum NSU-Prozess: – das ist offenbar eine ebenso unendliche wie unendlich peinliche Geschichte. Was die Münchner Juristen da vollführen, gleicht den Spitzentanz eines dämlichen Elefanten in einem Porzellanladen. Ein ebenso wahnsinniges wie wahnwitziges Unternehmen. Von Wolfram Schütte
Nachdem man in München erst versucht hatte, die Presseplätze nach dem Grundsatz der schnellsten Nachfrage (wie beim Winterschlussverkauf) zu vergeben, war man nun zum Lotto- oder Zufallsprinzip fortgeschritten, also zu der säkularen Form des mittelalterlichen Gottesurteils. Sollte nun Gott dabei seine Finger im Spiel gehabt haben – oder gar der Beelzebub? –, um das OLG-München & Gesamtdeutschland vor der Welt zu blamieren, so hat Er oder der Teufel zu den nachhaltigsten Waffen gegriffen, um den Zustand der absoluten Lächerlichkeit für die Münchner herbeizuführen. Denn das Los, bzw. Gott & Teufel, wollte(n) es so, dass jetzt z.B. das seichte Regional- „Radio Lotte“ in Weimar, nicht aber die überregionale FAZ, das Münchner „Radio Charivari“ ,aber nicht die SZ, die Frauenzeitschrift „Brigitte“ aber nicht die Hamburger „Welt“ einige bayrische Provinzblätter, nicht aber die TAZ im kleinen Münchner Gerichtssaal vertreten sind, wenn der bedeutendste Prozess in der Geschichte Deutschlands seit der Wiedervereinigung über die Bühne geht, deren Bretter zwar einerseits „die Welt bedeuten“ müssten, andererseits sich aber eher auf dem Niveau des bajuwarischen „Komödienstadel“ biegen dürften.
Im Grunde ist hier nicht nur mit der ersten Platzvergabe „das Kind in den Brunnen gefallen“, sondern nach der Rettungsaktion des Bundesverfassungsgerichts, das den Münchnern aus der selbstverschuldeten Patsche geholfen hatte, hat der zuständige OLG-Richter, der wie zum Witz auch noch Götzl heißt, nun das gerade herausgezogen pudelnasse Kind erneut ins Wasser geworfen & zum Ersaufen unter Wasser gedrückt.
Die Presse, die so genannte 4. Gewalt, hatte aber nicht sofort sich widersprechend gemeldet, als das Gericht sein Vorhaben bekannt gab, mit dem säkularisierten Gottesurteil für finale Gerechtigkeit bei der Presseplatzvergabe zu sorgen. Erneut hat die Presse den angekündigten Irr- & Unsinn Götzls verschlafen. Ihn nun dem OLG vorzuwerfen, ist allerdings ebenso wohlfeil wie lachhaft & lenkt von ihrer Mitschuld ab, die in Phantasiemangel besteht. Denn das jetzige skandalöse Ergebnis war mit einem Minimum an Vorstellungskraft in dieser oder einer anderen Form vorauszusehen. Die Korrektur, die das Bundesverfassungsgericht (auf Antrag einer türkischen Zeitung) in München erzwang, kam nur zustande, weil es das OLG dazu verpflichtete, für die türkischen Medien erst einmal 3 Plätze frei zu halten, also gegen das egalitär-quantitative (Münchner) Verfahren ein spezifiziert-qualitatives aus Karlsruhe verordnete.
Offenbar war aber der Richter Götzl nicht intelligent genug, aus dieser „türkischen“ Verordnung Rückschlüsse auf die erforderlichen Modalitäten auch für den Rest der zu vergebenden Plätze zu ziehen. Oder sollen wir gar annehmen, dass in Götzls Kleiner Welt es keinen qualitativen Unterschied zwischen FAZ & dem „Allgäuer Tagblatt“ gibt, das z.B. jetzt erkiest wurde – also für ihn alles nur (lästige) „Presse“ ist, die er womöglich als potentielle Störer des von ihm demnächst verwalteten & gestifteten Gerichtsverfahrens ansieht?
Jedenfalls werden wir bis auf weiteres davon ausgehen müssen, dass nach diesen zwei Fehlstarts wir von Götzl noch mehr zu gewärtigen haben, was uns sowohl die Haare zu Berge stehen lassen als auch die Schamesröte ins Gesicht treiben wird.