Geschrieben am 3. Oktober 2015 von für Film/Fernsehen, Litmag

DVD: Anna Veronica Wutschel: Lucky Them

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Anna Veronica Wutschel über Megan Griffiths‘ Film „Lucky Them“.

Was lange währt, wird endlich gut, sagt man und setzt damit optimistisch auf das Prinzip Hoffnung. Das kann ein guter Rat sein, muss es aber nicht. An „Lucky Them – Auf der Suche nach Matthew Smith“ wurde bis zur Veröffentlichung 10 Jahre rumgewerkelt, und auch wenn wir die Erstfassung nicht kennen, scheint hier vielmehr die Redensart „Viele Köche verderben den Brei“ zu greifen. Nun, von dem Script zumindest war Paul Newman begeistert, er sah viel Potential darin und überlegte, den Stoff zu veröffentlichen. Als er 2008 verstarb, übernahm daraufhin seine Witwe Joanne Woodward als eine der Executive Producers die Förderung des Projekts, was auch die schöne Liebeserklärung an Newman am Ende des Films erklärt: „an inspiration, mentor, cheering squad, and a darn good reason a gal could still have trouble findig a gent to fill his boots.“

Doch leider ist „Lucky Them“ über all die Jahre keine einmalige, herausragende, erinnerungswürdige Filmperle geworden. Die unromantische (so will sie es sein) Komödie, die am Rande Krimi-Elemente streift und zuweilen mit Road Movie-Szenen glänzt, möchte vornehmlich gut unterhalten, wirkt indes vielmehr unorganisiert bemüht. Zudem ist der auf Aktualität abzielende Hintergrund, dass nämlich die gute alte Zeitung stirbt, da sie den Wettkampf mit den digitalen Medien zu verlieren droht, und dass nichts wichtiger ist als schwarze Zahlen, Tweets und User-Kommentare, so lapidar dünn in die Story eingebunden, dass man auch darauf hätte verzichten können. Viel wichtiger sind nämlich die vielen Sex-To-Go-Affären der Protagonistin, die allerdings nicht etwa promiskuitiv ist, sondern in einer schweren Sinnkrise steckt. Dazu liefert man als Zuckerhäubchen einen hübschen Soundtrack und die Untertitel gebende, holprig langwierige Suche nach dem legendären Rockmusiker Matthew Smith. Smith verschwand einst auf unerklärliche Weise nach einem Gig, er könnte untergetaucht sein oder längst verstorben.

Das einst so renommierte Seattler Musikmagazin „Stax“ steht kurz vor dem Aus. Die Geldgeber machen Druck und Chefredakteur Giles (Oliver Platt) braucht dringend eine Titelstory, die endlich wieder Auflage macht. In der Not kommt ihm die rettende Idee, seine einst beste Rock-Kritikerin Ellie Klug (Toni Collette), die sich in letzter Zeit ziemlich gehen lässt und lieber unbekannte Rockmusiker vögelt als aufregende, publikumswirksame Stories zu verfassen, soll sich auf die Suche nach Matthew Smith begeben. Dessen Schicksal, das ganz entfernt an das Leben Syd Barretts angelehnt scheint, Smiths geheimnisvolles Verschwinden beschäftigt die Musikwelt immer noch, schließlich galt er als Megatalent, dessen Stil eine ganze Generation junger Musiker prägte. Ellie, die einst mit Smith verbandelt war, – später werden wir erfahren, dass hinter dieser Liebesbeziehung viel mehr steckt, – sträubt sich. Es scheint unmöglich, den verschollenen, tot geglaubten Musiker zu finden, zudem fehlen Ellie Lust und Elan, die eigene trübe Vergangenheit, die sie mit Smith verbindet, neu aufzuwirbeln. Warum also sollte sie der Bitte ihres Chefredakteurs Folge leisten? Weil sie sonst gefeuert wird, lässt Giles recht konkret seine Absichten durchblicken, so einfach kann die knallharte Arbeitswelt sein.

Als praktisch erweist es sich dann, dass gleich bei den ersten Recherchen ein ominöses Video im Netz auftaucht, auf dem Smith eventuell zu sehen sein könnte. Ellie hat eine Spur und doch eigentlich noch genug Zeit für eine kleine Eskapade mit dem süßen Straßenmusiker Lucas, dessen verträumter Blick mehr versprechen könnte. Doch wie nebenbei und warum eigentlich nicht, geht diese Liebelei ebenso rasch in die Brüche wie Ellies andere Beziehungen. Eventuell also bietet die Suche nach Smith, die Reise in die eigene Vergangenheit einen Ausweg aus all dem Frust, der sich in den letzten Jahren in Ellie aufgestaut hat. Und klar, die Suche führt – wie in jedem guten Road Movie – zurück aufs eigene Selbst.

Damit nun doch noch eine Story aus dem ideenlos überfrachteten Grundgedanken wird, stellt man den charmant verpeilten, ziemlich versponnenen Dotcom-Millionär Charlie (grandios: Thomas Haden Church) Ellie zur Seite. Charlie hat nach einem Filmkurs an der Abendschule große Ambitionen, will er doch seinem Leben als Dokumentarfilmer ganz neuen Sinn verleihen. Er verfügt also nicht nur über das Geld, um die Suche nach Smith zu finanzieren, er hat auch die Kamera, die aus Ellie im Laufe der Zeit erstaunlich viel Persönliches herauskitzeln kann, und somit der Suche nach einer Legende eine andere, aber vorhersehbare Richtung weisen wird. Und selbstverständlich leidet Charlie an einem großen, nicht verschwiegenen Faible für die Dame, doch Ellie weiß seine ungelenken Flirt-, und Annäherungsversuche eiskalt abzublocken. Selbst dem von Charlie erfundenen, aus der Hüfte geschossenen Revolverhelden-Kamera-Schwenk kann sie locker widerstehen.

Dass solche Szenen nicht ins Alberne driften, sondern vielmehr liebenswert den gar nicht so unterschwellig verborgenen Sehnsüchten der Figuren nachspüren, ist vor allem Thomas Haden Church zu verdanken, der seinen auf tragische Selbstironie angelegten Charakter perfekt umzusetzen weiß. Toni Collette hingegen, die als coole, mit sich selbst im Unreinen, ziellos umherstreifende Journalistin, vornehmlich sympathisch wirkt, überzieht ihre Rolle vor allem im ersten Teil des Filmes sonderbar ins komödiantisch Übertriebene. Doch das ist nur ein weiterer Aspekt, der die Unausgegorenheit des Films widerspiegelt. Denn die Suche nach den Spuren eines (verschollenen) Stars könnte sich, das beweisen unzählige Musik-Dokus, als äußerst spannend erweisen. Falschen Fährten wird gefolgt, die investigativen Journalisten werden mehrfach übers Ohr gehauen, sie brechen in Häuser ein, tüfteln Observierungspläne aus und ziehen in all dem Schlamassel auch einen Privatdetektiv zu Rate. Doch all ihre Bestrebungen verlaufen zunächst im Sande, das eigentliche Leben kommt kontinuierlich dazwischen und lenkt die Protagonisten ab. Die Vergangenheit, so erzählt uns „Lucky Them“ weise, soll man ruhen lassen. Und so schaut am Ende des Films, das längst nicht das Ende des Weges ist, ein nicht wirklich glücklich wirkender Matthew Smith (Johnny Depp) über einen reparaturbedürftigen Lattenzaun. Der Fall ist geklärt, und Ellie schreibt eine Hammerstory, die endlich wieder Auflage macht.

Ob „Lucky Them“ den Zuschauer über gute 1½ Stunden angenehm seicht unterhält, muss jeder selbst entscheiden. Was man uns eigentlich erzählen wollte oder hätte erzählen können, weiß diese Musik-Romantik-Drama-Road-Movie-Komödie wohl selbst nicht. Eine richtungsweisende Idee oder eine alles zusammenhaltende Hookline muss irgendwann in den zehn Jahren Produktionszeit untergegangen sein.

Anna Veronica Wutschel

Lucky Them – Auf der Suche nach Matthew Smith. 1 DVD. Darsteller: Toni Collette, Thomas Haden Church, Oliver Platt, Ryan Eggold, Johnny Depp, u. a. Regie: Megan Griffiths. Drehbuch: Emily Wachtel, Huck Botko. Studio: Edel. Produktionsjahr: 2013. Spieldauer: 93 Minuten + Bonus. Erscheinungstermin: 29.05.2015. Sprache: Deutsch; Englisch. Dolby Digital 5.1.

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