Geschrieben am 7. Dezember 2012 von für Kolumnen und Themen, Litmag

Einwurf: Könnte das Problem mit dem Fluglärm gelöst werden?

Mr. Karem, please help us!

Wolfram Schütte über einen Hoffnungsschimmer im Kampf gegen den Fluglärm.

Oft schon habe ich abends oder frühmorgens, wenn die letzten & ersten Passagierflugzeuge im Landeanflug auf oder im Landeabflug vom Frankfurter Rhein-Main-Flughafen sich bemerkbar machten, mir darüber Gedanken gemacht, wie das Lärm-Problem gelöst werden könnte, seit so viele Menschen im Rhein-Main-Gebiet vom Flugverkehr terrorisiert werden.

Die an- & abfliegenden Jets belasten hier nicht nur Wohngegenden der unteren Einkommensschichten, sondern auch den Millionärshügel des Sachsenhäuser Lerchesbergs im Süden, wo die Herrschaften in den protzigen Villen nicht mehr zu exklusiven Gartenpartys einladen können, weil man draußen unterm Donnern der Boeings und Airbusse sein eigenes Wort nicht mehr versteht. So kommt es, dass die Reichen & die weniger Betuchten nun schon seit Monaten gemeinsam gegen die Fluglärmextension auf Rhein-Main-Airport lautstark protestieren.

Aber trotz der Beteiligung jener Porsche-Cayenne-Klientel, mit der es sich alle Parteien (außer der Linken) nicht verderben wollen, wird es den bewundernswert ausdauernd Protestierenden nicht gelingen, dass die von ihnen besonders inkriminierte neue Landebahn wieder geschlossen wird; allenfalls könnten sie einen kleinen Erfolg haben & das bisherige Nachtflugverbot von 23-5 Uhr auf 22 bis 6 Uhr verlängert bekommen. Aber, ehrlich gesagt, dazu müsste ein Gericht erst noch gebacken werden, das sich gegen die dominanten Wirtschaftsinteressen am Flugverkehr durchsetzt.

Aber den helllichten Tag haben die Fluglärmgegner, die wenigstens in der Nacht ihre Ruhe haben wollen, schon als verloren aufgegeben. Warum eigentlich?

Wenn ich – glücklicherweise nur am Rande betroffen – über den Fluglärm & dessen Verminderung bis zu seiner Abschaffung nachdenke & vor mich hinphantasiere, fällt mir immer wieder die Erfindung des Hubschraubers ein. Vor Jahrzehnten, erinnere ich mich, sah ich in einem Wochenschaubericht (das Fernsehen war gerade erst eingeführt worden) einen britischen Düsenbomber, der zum Start seine Düsen aus der Horizontalen in die Vertikale schwenken & von seinem Parkplatz aus somit senkrecht in die Höhe steigen konnte. Er brauchte also keine Landebahn zum Ab- oder Anflug & stieg in einer Lärmsäule hoch.

Warum diese technische Möglichkeit, die dann zur Entwicklung von Hubschraubern geführt hat, nicht weiter für Jets entwickelt wurde, weiß ich nicht. Wahrscheinlich, weil es für Flugzeuge einfacher, quasi „natürlicher“ ist, wie die Vögel auch, denen sie ja nachgebildet sind, im Senk- oder Steigflug sich gleitend in den Lüften zu bewegen.

Auch war ja bislang immer noch genug Platz & wenig Widerstand von Betroffenen zu befürchten, wenn Lande-& Startbahnen gebraucht wurden.

Mit der Ausweitung des Flugverkehrs & des Ferntourismus ebenso wie mit der dichteren Besiedelung (z.B. im Rhein-Main-Gebiet) wurde aber das herkömmliche Verfahren der lange & zuletzt tief über Wohngebiete führenden An- & Abflugschneisen zu einer immer unerträglicheren, gesundheitsgefährdenden Belastung. Sie wird irrreduzibel, weil der Lärm der Düsenmotoren nicht gemindert werden kann & der Lärm für die stetig größer gewordenen Jets auch stetig größer wird.

Warum, fragte ich mich immer wieder, kommt denn niemand auf die Idee, das Problem radikal anders zu durchdenken?

Die Lärmbelastung im Rhein-Main-Raum wäre minimiert, wenn eben die Start- & Landekorridore nicht mehr benötigt würden und die Jets in ihrer Flughöhe von ca. 8.000-10.000 Metern über dem Flughafen ankämen, bzw. in dieser Höhe ihn verließen.

Natürlich ist das ein heute utopischer, wenn nicht gar absurder Gedanke, weil er andere Fluggeräte & quasi eine Neuerfindung des Fliegens voraussetzte. Man könnte womöglich noch nicht einmal bei dem ansetzen, was auf dem Gebiet der Hubschrauber-Entwicklung schon erreicht worden ist. Denn es ginge ja darum Großraummaschinen wie die Boeing 737 oder den Airbus 320 senkrecht in den Himmel auf solche enorme Höhen zu hieven.

Aber hat nicht Brecht in seinem ironischen Gedicht über den „Schneider von Ulm“ daran erinnert, dass auch das Fliegen einstmals so utopisch war, dass es als ganz & gar unmöglich angesehen wurde – nicht nur von religiös-kirchlichen Ideologen, sondern auch von manchem hellen Kopf?

Jetzt habe ich via „Perlentaucher“ erfahren, dass ich mit meinen exzentrischen Träumereien an den Rändern der Einflugschneise nicht ganz alleine bin. Ist es ein Journalist des britischen „Economist“ oder der von ihm dort porträtierte Israeli Abe Karem selbst, der mit seiner Firma AeroTrain genau darüber nachdenkt & arbeitet. Offensichtlich ist der Ingenieur nicht nur ingeniös als Erfinder von Hubschraubern & vor allem von Drohnen, mit denen er die amerikanische Kriegsführung revolutioniert hat. Der „Economist“ traut Karem mit seiner kleinen Mannschaft auch noch eine „zweite Revolution“ zu, die den zivilen Luftverkehr radikal verändern würde. Vor allem Mr. Karem traut sich das zu – wenn auch, wie er im „Economist“ zitiert wird, Boeing & Airbus bisher noch kein Interesse an seinen Entwicklungen gezeigt hätten. Sie werden aber kommen, dessen bin ich mir sicher. Wenn man den Luftverkehr beibehalten oder gar noch weiter entwickeln will, muss man das Problem mit der Lärmbelastung lösen.

Mr. Karem: it´s you turn. Help us, please!

Wolfram Schütte

Foto: Bürgerinitiative gegen den Fluglärm Mainz Lerchenberg.