Geschrieben am 18. Februar 2008 von für Hörbuch, Litmag

Jürgen von Manger: Mensch bleiben!

Also ährlich …

Frisch ausgegrabene Monologe vom alten Ruhrpott-Comedian Adolf Tegtmeier. Von Jörg von Bilavsky

Im letzten Jahr hat das jung gebliebene RTL-Publikum die Ruhrpott-Legende Jürgen von Manger alias Adolf Tegtmeier zum besten „Comedian“ aller Zeiten gekürt. Ein Titel, den sich der meinungsstarke Kabarettist im wahrsten Sinne des Wortes „redlich“ verdient hat.
Dennoch verwundert das Votum, zumal bei einem Publikum, das den 1994 verstorbenen Kleinkunst-Star kaum mehr live erlebt haben dürfte. Auch die „Stegreifgeschichten“ werden nur noch die Zuschauer kennen, die in den 60er und 70er Jahren belustigt vor dem Radio oder Fernseher saßen. Trotz seines Kultstatus sind seine abgefilmten Bühnenprogramme den Sendern keine Wiederholung mehr wert. Er ist zu einem Klassiker geworden, an den man sich gerne erinnert, den man in den Medien aber kaum mehr reanimiert.

Vom Gipfel des Erfolgs

Umso verdienstvoller sind die leider unregelmäßig erscheinenden Kompilationen seiner Auftritte im Bochumer Musikverlag ROOF. Seit 1999 erwecken sie den kleinbürgerlichen Alltagsphilosophen immer mal wieder zum Leben. Und graben wie auf der neuesten Sammlung „Mensch bleiben!“ auch drei bisher unveröffentlichte Nummern aus.

Doch ob bisher nicht auf CD erschienenen oder unveröffentlicht: Manger ist immer wieder eine Entdeckung wert. Die hier versammelten Monologe aus den späten 70ern, also auf dem Gipfel seines Erfolges, bieten einen schönen Querschnitt seines humoristischen Schaffens.

Wieder mal tritt der mit seiner Halbbildung prahlende Kleinbürger auf die Bretter, die die Welt bedeuten. Eine Type, die mühelos einen Zusammenhang zwischen „Aschtronautik“ und Astrologie herbei philosophieren kann. Genau weiß, wie man nach „Den klein’ Jörg seine Taufe“ die Leber wieder gereinigt bekommt oder wie man „Rationalisierung“ so organisiert, dass man sich selbst nicht die Hände schmutzig zu machen braucht.

Irgendwie konservativ, doch nie reaktionär

So sehr sich Manger auch als der allwissende, aber eigentlich nichts wirklich wissende Kleinbürger ausgibt: Seine mit niederrheinischem Dialekt gewürzten und durch die Mangel gedrehten Redewendungen entlarven nicht allein die Lebensrealität des kleinen Mannes, sondern mitunter die noch viel absurdere Realität unserer ganzen Gesellschaft. So führt er in seinem live gespielten Stück die „Antiautorisierte Erziehung“ seiner fiktiven Schwägerin herzhaft-ironisch ad absurdum, ohne dabei reaktionär zu wirken.
Aber auch den stereotypen Charakter einer „großen Westernstory“ weiß Manger mit sicherem Gespür für die Pointe auf den witzigsten Punkt zu bringen. So umständlich und mit künstlichen Pausen versehen die immer menschlich bleibenden Betrachtungen auch dargeboten werden. Ob als besorgter Vater eines sexuell unerfahrenen Teenagers, ob als sexuell bedrängter Wäschereifahrer oder ob als gemütvoller, aber unfähiger Heimwerker: Tegtmeier kann jede Rolle annehmen und sich zu jedem Thema äußern, ohne dass er dabei unglaubwürdig wird. Wie kein anderer Komiker vor und nach ihm ist er perfekt mit seiner Kunstfigur verschmolzen. Er ist und bleibt ein in über zwanzigjähriger Bühnenarbeit erspieltes Original. Der missgelaunte Ruhrpott-Rentner Herbert Knebel (Uwe Lyko) kommt diesem Urcharakter ebenso wenig nahe wie der hervorragende Georg Schramm mit seinen dialektgefärbten Figuren. Und auch all jene Kabarettisten, die wie Tegtmeier aus ihrem Privatleben plaudern, merkt man die Pose, das Nichtidentische an.

Insofern können sich die Komiker der Gegenwart noch viel vom „alten“ Manger und seinem alter ego abschauen bzw. von seinen Aufnahmen abhören. Je öfter und je mehr wie möglich. Es ist also höchste Zeit einem Klassiker der Kleinkunst und seinem Publikum nicht mehr nur „Momentaufnahmen“ anzubieten, sondern endlich eine umfassende Werkausgabe. „Also ährlich …“

Jörg von Bilavsky

Jürgen von Manger: Mensch bleiben! Geschichten aus dem Alltag. 2 CDs. 108 Minuten. tacheles!/Roof Music 2007. LC 02831, 22,95 Euro.