Verrisse sind oft nicht ganz fair. Manchmal sogar richtig unfair. So wie bei uns: Gunter Gerlach stößt sich an Büchern, die anderen gut gefallen – dabei hat er sie noch nicht einmal zu Ende gelesen … Heute: Elke Heidenreich: Alte Liebe
Alles falsch!
Maja packt in der Küche die Einkäufe aus. Ich rümpfe die Nase über das Buch zwischen dem Gemüse.
„Als Taschenbuch für nur 8,99“, argumentiert Maja. „Meine Freundinnen sind davon begeistert. Außerdem hast du damals ihre Fernsehsendung immer angesehen. Die Frau hat Verdienste um die Literatur.“
„Elke Heidenreich hat sich verdient gemacht um den Umsatz der Verlage, weniger um die Literatur.“
„Alter Muffelkopf, lies wenigstens mal. „Ich finde, es ist ziemlich dicht am wirklichen Leben.“ Maja schiebt mir „Alte Liebe“ von Elke Heidenreich und Bernd Schroeder über den Küchentisch.
Ich tue ihr den Gefallen, doch als bereits auf der zweiten Seite zum zweiten Mal der Ausdruck fällt „es geht mir am Arsch vorbei“, stöhne ich laut auf.
„Es ist Rollenprosa“, sagt Maja, „da gelten deine großartigen Kriterien für Literatur nicht.“
„Auch Rollenprosa ist eine Kunstsprache und keineswegs gesprochenes Wort. Niemand redet so.“
„Aber Spoken Word akzeptierst du doch inzwischen auch als eigenständige literarische Form!“
„So lange es nicht gedruckt wird. Wenn ich die Poetry-Slam-Texte lese, greife ich immer zum Korrektur-Stift.“
Mit Majas Bemerkung, der Schluss des Buches sei aber ganz anders, als ich erwarten würde, lese ich weiter. Aber auf Seite 24 kommt der Satz, der mich flüchten lässt: „Was täten wir denn ohne die (Dichter), wie sähe diese Welt denn aus ohne Kunst und Kultur?“
Antwort: Genauso wie dieses Buch!
Wenn es wenigstens in seinen Dialogen richtig komisch wäre. Es bemüht sich, immer nur komisch zu sein. Und wenn ich das Foto der beiden Autoren auf der Innenseite des Umschlags sehe, erkenne ich, die beiden wissen nur was Humor ist, aber sie haben keinen.
„Dieses Buch suhlt sich in Klischees. Und seine Wirkung besteht deshalb beim Leser in der Bestätigung des bürgerlichen Muffs als gültiger Werte-Welt“, doziere ich.
„Klischees?“, faucht Maja. „Die Tochter der beiden Protagonisten heiratet zum dritten Mal und die Eltern wollen nicht zur Hochzeit hinfahren, weil ihnen der neue Ehemann nicht gefällt. Wo ist das Klischee?“
„Hatten wir das nicht gerade zum wiederholten Mal in einem Hollywood-Schinken?“
„Du bist einfach zu kritisch.“
„Es ist alles falsch, nichts echt.“
„Es ist leichte Unterhaltung.“
„Ich finde, wenn sich jemand als Literaturkritiker profiliert …“
„Sprechen Sie weiter, Herr Professor“, sagt Maja und hält mir einen Kochlöffel als imaginäres Mikrofon hin.
„… und er schreibt dann selbst, und man stellt fest, der hat gar keine Kriterien fürs Schreiben, disqualifiziert er sich vollständig.“
„Wir danken für dieses Interview“, sagt Maja.
Gunter Gerlach
Elke Heidenreich/Bernd Schroeder: Alte Liebe. Frankfurt a. M.: Fischer Verlag 2011. 191 Seiten. 8,99 Euro.