Der gewitzte Entertainer
Von Wolfram Schütte
Wie ich eben lese, wird der “Atriumtalk” der Bochumer Stadtwerke eingestellt. Die Lokalveranstaltung war kurzzeitig bundesweit bekannt geworden, nachdem SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück offen gelegt hatte, dass er von dieser Institution 25.000 € als Honorar erhalten hatte. Wie sich jedoch aufgrund journalistischer Recherche bald herausstellte, noch nicht einmal für einen “Vortrag“, sondern für eine “Plauderstunde“ (Welt).
Das üppige Honorar für den Bochumer Auftritt des damaligen Bundestagsabgeordneten Steinbrück, war – wie jetzt bekannt wurde – auch anderen Atriumstalkern wie z.B. dem damaligen Privatmann & heutigen Bundespräsidenten Gauck zugeflossen & sollte (nach dem angeblichen Wunsch der Veranstalter) von den so großzügig Honorierten umgehend einer sozialen Institution gespendet werden.
Zwar wurde zuerst behauptet, auch Steinbrück sei über diesen Wunsch seiner Geld-Geber informiert worden, aber jetzt hat der Kanzlerkandidat belegen können, dass das bei ihm offenbar unterblieben war & er die Spende nun nachholen werde. Ob die anderen dem angeblichen Wunsch gefolgt sind, ist nicht bekannt. Er entspräche übrigens einer eigenartigen fiskalischen Alimentierung der sozialen Institutionen der Stadt durch diese selbst.
Wieso der ehemalige Finanzminister, also der ausgewiesene Wirtschaftskenner, nicht über den immensen Betrag der Freigiebigkeit in der hoch verschuldeten Ruhrgebietsmetropole stutzig geworden ist & die 25.000 € für nichts und wieder nichts ganz ohne Bedenken auf sein Einnahmekonto verbuchen konnte, fragt man sich. Allerdings bloß noch rhetorisch.
Ohnehin ist es eine rhetorische Frage (also keine, auf die man eine Antwort erwartet), was den Redner Steinbrück so wertvoll für seine Einlader machte, dass er im Handumdrehen zum Einnahmemillionär wurde & seine nicht gerade bescheidene Honorierung als Bundestagsabgeordneter dagegen wie “Peanuts” erscheinen lässt.
Die Nachfrage, auf deren ökonomischer Welle der scharfzüngige, ebenso gewitzte wie witzige Steinbrück zum Millionär surfte, kann wohl kaum von der Erwartung bestimmt gewesen sein, der Wirtschaftskenner würde Steuer-Geheimnisse & nützliche Anlage-Tipps als reichlich honorierter Redner verbreiten; sondern der Unterhaltungswert des Entertainers Steinbrück mitsamt seiner Authentizität als Anwesender wird es gewesen sein, der seine Attraktivität ausmachte & ihn so oft kassieren ließ (wie ein Gottschalk e tutti quanti des deutschen Showgeschäfts).
Man muss aber nicht ein Neidhammel sein, um sich über die Nachfrage & die dadurch akkumulierte ökonomische Karriere im Schatten der unauffälligen Bundestagsabgeordnetentätigkeit Steinbrücks seine skeptischen Gedanken zu machen.
Aber dass er einen Teil seiner Einnahmen als Redner wohltätigen Zwecken gespendet haben soll & will, muss nicht unbedingt in philanthropischen Ambitionen begründet sein. Es könnten auch finanztechnischen Überlegungen zur Steuerersparnis sein, die solche Freigiebigkeit ratsam erscheinen ließen – wie ja derartige Honorare, die nicht nur ihm, sondern ebenso anderen Politikern zuflossen & -fließen, als Unkosten von den einladenden Unternehmen steuerlich abgesetzt werden, also sowohl deren Steuer„last” als auch den Staatshaushalt vermindern.
Es muss deshalb nicht automatisch klassische „Korruption” unterstellt werden. Als Helmut Kohl kein Bundeskanzler mehr war, wurde er unverzüglich hochdotierter „Medienberater” des (dankbaren?) Medien-Moguls Leo Kirch, der zu Kohls Amtszeiten von dessen Freundschaft auch geschäftlich profitiert hatte.
Solche nachträglichen „Geschenke” sind – so unverkennbar anrüchig – in anderen westlichen Demokratien längst gang & gäbe; nur zurückgebliebene, unterentwickelte Gesellschaften praktizieren noch die klassische Form der Korruption im Amt & lassen sich dabei gelegentlich erwischen. Wir sind da „fortschrittlicher”. (Von Brecht stammt die Einsicht: unerkennbar macht sich die Dummheit, indem sie unermessliche Ausmaße annimmt. Könnte das auch auf andere Tatbestände zutreffen?)
Gehen wir also davon aus, dass der SPD-Kanzlerkandidat wegen seiner Unterhaltungsqualitäten zum Millionär wurde – während seiner stillen Tätigkeit als unauffälliger Bundestagsabgeordneter.
Unterhaltsamer als die dröge derzeitige Kanzlerin ist der Redner Steinbrück gewiss; dass er jedoch politisch weit von ihr entfernt wäre – gar ein sozialpolitischer Gegenpol –: das kann man wohl kaum sagen. Wahrscheinlich werden die Deutschen aber so wählen, dass er als Vizekanzler wieder (wie schon einmal) Frau Merkel wirtschaftsfreundlich „apportiert”.
Mehr ist bei diesen Voraussetzungen und seiner Privatmanns-Redner-Karriere für Peer Steinbrück & seine SPD nicht drin.
Wolfram Schütte
Foto: http://www.dts-nachrichtenagentur.de/nachrichtenbilder/, freigegeben nach Wikipedia Commons. Quelle.