Franziskus, Retter Snowdens?
Wie der Papst seinem Namenspatron nacheifern & Ehre machen könnte. Von Wolfram Schütte
In der TAZ streiten Michael Braun & Daniel Scholz darüber, warum Time zu seinem „Mann des Jahres“ Papst Franziskus gekürt hat und nicht den Whistleblower Edward Snowden, der bei dem US-Newsmagazin nur auf Platz 2 gekommen ist.
Immerhin.
Man kann man darüber trefflich streiten, wer der „Mann des Jahres 2013“ sein sollte. Ob es Feigheit war, was die Time-Redakteure am Ende für den argentinischen Papst votieren ließ, wie Scholz unterstellt, sei dahingestellt.
„Herkulisch“ sind die Handlungsweisen & Vorsätze beider. Nur die Augias-Ställe, mit deren Ausmistung sie sich ihren Namen machten, sind unterschiedlich: die katholische Kirche an Haupt & Gliedern „franziskanisch“ zu reformieren und die geheimen Aktivitäten des US-Spionagedienst NSA zu denunzieren, der die ganze Welt in seinem Netz gefangen hat,.
Aber es gäbe noch eine weitere Aktivität, die Franziskus & Snowden zusammenführen könnte, weil der eine Macht hat & der andere deren Schutz suchen muss. Zwar entsprach Stalins rhetorische Frage: „Wie viel Divisionen hat der Papst?“ nur dem höhnischen Zynismus eines skrupellosen Machtpolitikers; aber die Macht des Papstes ‒ wenn der Vatikan denn noch eine im Machtgefüge der Staaten besitzt ‒ ist allenfalls erst einmal virtuell.
Ob sie auch real ist, bzw. in der Realität Gültigkeit hat, könnte der für schon so viele Überraschungen verantwortliche Franziskus durchaus einmal testen. Und zwar, indem er Snowden politisches Asyl gewährt. Es sei denn, der Vatikan hätte mit den USA ein Auslieferungsabkommen, das ihn wie die BRD automatisch verpflichtet, den Asyl suchenden Snowden an den Staat auszuliefern, der Dank Snowden nun als jene Hochburg der Spionage dasteht, die man doch zuvor in Moskau lokalisiert zu haben glaubte ‒ Dank der „Informationen“, die uns US-Präsidenten immer freundlichst zukommen ließen, wenn sie von der „Achse des Bösen“ sprachen.
Da aus Angst vor Repressalien heute offenbar kein Land auf der Welt außer Putins Russland oder der Großmacht China sich erlauben kann, dem Whistleblower Snowden politisches Asyl zu gewähren, ohne den Hegemon USA zu „beleidigen“, könnte der Vatikan aller Welt beweisen, dass er den Mut besitzt, dem verfolgten & bedroh(n)ten Aufklärer eine dauerhafte Zuflucht zu gewähren..
Nur einem Franziskus wäre diese franziskanische Haltung zuzutrauen. Roberto Rossellini hat in seinem wunderbaren Film „Francesco, Gaukler Gottes“ (1950) in einer seiner Episoden gezeigt, wie der einzigartige Heilige sich dem blutrünstigen barbarischen Feldherrn entgegenstellt.
Der Argentinier auf dem Stuhl Petri wäre der richtige Mann in der realen Nachfolge seines historischen Namensgebers, um dem rachsüchtigen Obama & allen seinen einheimischen & auswärtigen Satrapen die Stirn zu bieten; und indem er den armen Snowden unter sein Fittiche nimmt, aller Welt zu beweisen, dass Papst Franziskus souverän ist & nichts fürchtet als seinen Gott. Vor allem aber zeigte der Papst, dass er wirklich ein Christ ist: ohne Wenn & Aber.
Dafür brauchte er aber nicht auch noch mit den Vögeln zu sprechen, um seinem Vorläufer & Namenspatron heute Ehre zu machen.
Wolfram Schütte
Foto Snowden: Snapshot des Films Prism von Laura Poitras / Praxis Films, Wikimedia Commons.Foto Papst: Presidência da Republica/Roberto Stuckert Filho, Wikimedia Commons Attribution 3.0 Brazil.