Geschrieben am 2. Mai 2012 von für Litmag, Porträts / Interviews

Video-Interview mit Franziska Gerstenberg

Spiel mit dem Leser

– Bereits seit einigen Wochen sind CULTurMAG und das Videoportal „Interview Lounge“ Partner. Nun freuen wir uns, Ihnen in den nächsten Wochen ganz exklusiv Gespräche zeigen zu können, die Kerstin Carlstedt mit interessanten Autorinnen und Autoren geführt hat. Diesmal: Franziska Gerstenberg.

Drehgeplänkel: Franziska Gerstenberg hat mit ihrem neuen Roman gezeigt, wie virtuos sie sich in fremde Köpfe und Welten hineindenken – und darüber schreiben kann. In „Spiel mit ihr“ beschreibt sie die Gedankengänge eines 50-jährigen Rechtsanwalts, der nach vielen Jahren sexueller und ehelicher Frustration, die Verlockungen von Single-Börsen im Internet entdeckt. Im Video-Interview verrät die Autorin, wie sie überhaupt auf den Stoff gekommen ist und was sie zu der Handlung inspiriert hat.

 

Worum geht es in Ihrem Roman „Spiel mit ihr”?

Es ist ein Buch über einen Mann, Reinhard, er ist fünfzig Jahre alt, er ist Rechtsanwalt und er ist frisch geschieden. Er war zwanzig Jahre mit seiner Frau verheiratet und hat in dieser Ehe viel vermisst, vor allen Dingen sexuell. Er lernt übers Internet Christine kennen, eine Frau, mit der er anfängt, seine Fantasien auszuleben, auch wirklich ganz konkret in Form von sexuellen Rollenspielen. Was sich da entwickelt, davon erzählt mein Roman.

Wie kamen Sie auf den Stoff?

Also ich bin aus mehreren Richtungen auf den Stoff gestoßen. Erstens habe ich das wirklich bei Freunden beobachtet, dass die Partnersuche im Internet – wirklich nach einer ernsthaften Beziehung und nicht nur nach sexuellen Abenteuern – etwas ist, das unglaublich zugenommen hat. Und ich habe beobachtet, wie Leute da sehr eingetaucht sind, wie sie nächtelang gechattet haben mit Frauen, die sie noch nie gesehen haben. Und die mir dann am nächsten Tag gesagt haben: „Ich bin so verliebt“. Das hat mich sehr fasziniert, gerade weil es mir fremd war, wie man sich darin so verlieren kann. Ein zweiter wichtiger Punkt war das Thema des „Spiels“ und der „Fantasie“. So bin ich auch auf das Mädchen gekommen, eine weitere wichtige Hauptperson: die sechsjährige Emma, die natürlich auch spielen möchte, auf eine ganz andere Art. Ich versuche auch ein Spiel mit dem Leser – das ich das beim Schreiben ausprobieren kann, das hat mich sehr gereizt.

Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?

Ich bin wirklich Stück um Stück reingerutscht in diesen Beruf. Ich habe am Literaturinstitut in Leipzig studiert, auch aus Neugierde, weil ich schauen wollte: „Wo bringt mich das hin? Mich drei Jahre nur auf das Schreiben zu konzentrieren – was macht das mit meinem Schreiben und mit mir?“ Dann erschien mein erstes Buch und das war so der Moment, wo ich gedacht habe: „Gut, dann bin ich jetzt wohl Autorin.“

Haben Sie gerne am Literaturinstitut studiert?

Also ich glaube, dass man in jedem – zumindest in jedem künstlerischen Studiengang – an diesen Punkt kommt, dass es anstrengend ist. Vielleicht einerseits aufgrund der Konkurrenzsituation, dass man schaut: „Was machen die anderen?“ Aber auch durch die eigene Arbeit, weil es ja eine ganz intensive Zeit ist und man sich ständig selbst befragt. Man kann nicht fern von sich schreiben, sondern nur wenn man mit sich arbeitet und das ist sehr, sehr anstrengend.

Insgesamt habe ich es als unglaublich bereichernd empfunden, auch, weil ich sehr jung ans Literaturinstitut gegangen bin. Ich hatte keinen fertigen Stil, ich hatte wenig Vorstellung, was ich eigentlich schreiben möchte und hatte dann die Möglichkeit, das so während des Studierens zu entdecken und da in einem Umfeld zu sein, wo es wirklich nur ums Schreiben, um Literatur, ums Lesen geht. Ich habe sehr, sehr viel gelesen – das war toll.

Gibt es literarische Vorbilder?

Also ich habe es selten, den Effekt, dass ich ein Buch lese und denke: „Ja, so möchte ich jetzt auch schreiben.“ Ich habe aber kürzlich ein ganz tolles Buch gelesen, das mich sehr, sehr beeindruckt hat. Das war „Das Mädchen“ von Angelika Klüssendorf. Ich glaube, es hat mich beeindruckt, weil es ein unglaublich hartes und dennoch unglaublich berührendes, also weich machendes Buch ist.

Kerstin Carlstedt

Franziska Gerstenberg: Spiel mit ihr. Schöffling & Co 2012. 264 Seiten.  19,95 Euro.

Tags : ,