Eine Pazifistin als Kriegsphotographin
–Die Anfang April in Afghanistan ermordete Photographin Anja Niedringhaus war seit vielen Jahren auch Mitglied in dem Verein „Journalisten helfen Journalisten„. Da sie oft wie eine Getriebene von einem Kriegsschauplatz zum anderen flog um dort Aufnahmen zu machen, war es schwer, sie einmal in Ruhe an irgendwelchen „friedlichen“ Orten zwischen Genf (ihrem Wohnsitz) und einem deutschen Ort persönlich zu treffen.
Allerdings hatten wir einige Male einen Mail-Kontakt, in dem sie mir ihre jeweiligen Aufenthaltsorte kurz mitteilte. Zuletzt hatte sie mir kurz vor ihrem Abflug nach Afghanistan ein von ihr aufgenommenes Foto aus dem irakischen Falludscha zur Veröffentlichung auf der Homepage von JhJ zur Verfügung gestellt. Erst jetzt, nach ihrem gewaltsamen Tod bekommt diese unspektakuläre Mail einen für mich besonderen Wert. Photographen von ihrer Professionalität und Erfahrung sind in diesen Zeiten eines uns überflutenden, oft sprach- und handlungsunfähig machenden „Bilder-Tsunamis“ von ganz großer Bedeutung.
Auf Anja Nierdringhaus konnte man sich da immer verlassen. Jede Art von Manipulation der Bilder war ihr wie jede Form von Helden-Ikonografie zuwider. Die Realität, die sie in ihren Bildern einfing, war und ist leider in vielen Weltregionen immer noch von Gewalt und kältesten Zynismus geprägt, wie man sie in vielen ihrer Photographien bis zur Schmerzgrenze wahrnehmen kann.
Bilder, die so gut, professionell und von humanitären Ideen geleitet sind, wie das bei Anja Niedringhaus der Fall war, können die Wirklichkeit in ihrer ganzen Brutalität, Gewalt und Hoffnungslosigkeit wiedergeben. Und sie können uns vielleicht so bewegen und erschüttern, dass wir uns dazu aufgefordert sehen, irgendetwas zur „Weltverbesserung“ zu tun, auch wenn wir wissen, dass es uns wohl nicht gelingen wird.
Ob ihre Arbeit als Photographin ihren Blick auf Kriege verändert habe, wurde Anja Niedringhaus in einem ihrer letzten Gespräche gefragt. „Ja, sehr. Wir glauben im Westen immer noch, dass man Frieden mit Militär und Waffen herstellen kann. Aber damit erreicht man nichts. Ich bin zur größten Pazifistin geworden, seit ich in diesen Gebieten arbeite. Mit Panzern löst man keine Probleme“.
Mit diesem Bekenntnis, vor allem aber mit ihren Bildern hat Anja Niedringhaus Orientierungen gegeben, die bleiben…
Carl Wilhelm Macke
Fotos: Anja Niedringhaus/AP. Quelle: Hompage der Fotografin, auf der es viele weitere Fotos von Anja Niedringhaus zu sehen gibt.