Geschrieben am 21. November 2012 von für Musikmag

2:1 – Lana Del Rey: Born To Die – The Paradise Edition

Pünktlich zum Fest erscheint eine erweiterte Neuauflage des noch nicht einmal ein Jahr alten Albums „Born To Die“ von Lana del Rey. Noch mehr Hype? Janine Andet (JA) und Christina Mohr (MO) geben Auskunft.

Epische Tragik

(JA) Es war ihr Jahr. Lana Del Rey wurde von der Musikpresse gefeiert und gehasst wie kaum eine andere Künstlerin vor ihr. Sie polarisierte und ist vielleicht auch gerade deshalb interessant. Anfang 2012 wurde die New Yorkerin von jedem Magazin abgefeiert, um dann wenig später für ihre Live-Auftritte verrissen zu werden. An ihrem Äußeren schieden sich seit jeher die Geister. Jeder Zentimeter des Landes ist mit ihrem Konterfeit auf riesigen H&M-Plakaten gepflastert. 2012 ist auch das Jahr der del-Reyschen Überpräsenz.

Pünktlich zur Weihnachtszeit erscheint eine erweiterte Neuauflage des Multiplatinalbums „Born To Die“: „The Paradise Edition“, produziert von der Legende Rick Rubin. Ist mehr Lana Del Rey überhaupt noch zu ertragen?

Selbst wer ernsthaft gegen den überproduzierten Pathos von „Born To Die“ ankämpfen wollte, bekam die Songs nicht mehr aus dem Kopf. Wie nett, das Label spendiert auf „The Paradise Edition“ die Deluxe Version von „Born To Die“ mit drei Extra-Songs. Die acht neuen Tracks der „Paradise Edition“ überraschen mit einem Verzicht auf Britney-Spears-Pop, sind geradliniger produziert und setzen konsequent auf großen Diven-Sound. Del Rey orientiert sich wieder an der epischen Tragik von „Blue Jeans“. Selbst ihr „Blue Velvet“-Cover, eigens für H(ansi) & M(ausi) eingespielt, hat seinen Charme.

In ihrer Freizeit scheint Del Rey ausgiebig Cat Power („The Greatest“) gehört zu haben, zumindest, wenn es um die Ausformung ihres dunklen Stimmenvolumens geht. Das Zusammenspiel ihrer hohen und tiefen Stimme ist groß und zieht sich mal mehr, mal weniger ausgeprägt durch das Album. Wäre da nicht der ganze Rummel des letzten Jahres um Lizzy Grants Kunst-Person und eine gewisse Genervtheit … die acht Tracks sind einfach erhaben über jede Kritik.

Für den Autohersteller Jaguar stellte sie sich auch noch vor die Kamera, schrieb und komponierte den Song „Burning Desire“ für die Kampagne. (Hier kann sich jeder Musiker etwas in Sachen Eigenvermarktung und Geschäftssinn abgucken.) Verrucht wird es, wenn man die Pin-Up-Ästhetik del Reys vor Augen hat und Lyrics wie „my pussy tastes like Pepsi Cola“ lauscht. Aha. Kommt da im neuen Jahr der entsprechende Werbespot eines großen Limonadenherstellers auf uns zu?!

Lana Del Rey – Ride from David Duque León on Vimeo.

Positiv überrascht

(MO) Bei den kürzlich von MTV ausgerichteten Europe Music Awards (EMA) machte Lana Del Rey einen rührend schüchternen, irgendwie unbeholfenen Eindruck, von Glamour und Coolness kaum eine Spur. Der EMA-Auftritt wirft ein anderes Licht auf die unantastbare Star-Persona, die sich Del Rey für „Born To Die“ zugelegt hatte – und auch „The Paradise Edition“, Luxus-Nachklapp dieses Albums, wird zu einer Neubetrachtung des Hypes führen.

Denn ganz ehrlich: „Born To Die“ war eine Enttäuschung. Zwei bis drei gute Songs, von denen man einen („Video Games“) schon in- und auswendig kannte; der Rest schlingerte zwischen Überproduktion („National Anthem“) und Halbherzigkeit („Off To The Races“). „The Paradise Edition“ beinhaltet auf einer Extra-CD acht Songs, die es nicht auf „Born To Die“ geschafft hatten und aber, um es ganz platt zu sagen, viel besser sind. „Ride“, „Bel Air“ oder „Gods And Monsters“ sind nämlich nicht mit allerlei angesagtem Technikkram zugekleistert, sondern fast schon spröde arrangierte Stücke, die viel Freiraum zulassen, in dem Lanas Stimme endlich so klingt, wie die Sängerin auf ihren Promofotos aussieht: eine faszinierende Mischung aus Blasiertheit und Melancholie, Träg- und Schönheit.

Die Texte sind absurd und enigmatisch, oft geht es um Sex („my pussy tastes like Pepsi Cola / my eyes are wide like cherry pie“/“Cola“), durch Del Reys distanziert-abwesenden Gesang wirken solche Zeilen aber wie ein ironischer Abgesang auf die oversexte, allzeit bereite Medien“realität“. Die Coverversion von Bobby Vintons „Blue Velvet“ mag mit einem Augenzwinkern aufgenommen sein, wirkt aber mindestens so verloren und traurig wie Isabelle Rosselini in David Lynchs gleichnamigem Film. Kurzum: Wer sich über „Born To Die“ geärgert hat, wird von „The Paradise Edition“ sehr positiv überrascht sein.

Lana Del Rey: Born To Die – The Paradise Edition. Vertigo Berlin (Universal). Zur Website.

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