Drei Frauen, eine Platte: In dieser Woche hören Janine Andert (JA), Tina Manske (TM) und Christina Mohr (MO) das neue Album der Soulsavers, eine Zusammenarbeit mit Dave Gahan: „The Light The Dead See“.
Pathos!
(JA) Die vorab veröffentlichte Single „The Longest Day“ ist ein mit Pathos geladener Oberburner! Die Soulsavers setzen zusammen mit Depeche Modes Dave Gahan auf eine vor Emotionalität triefende Powerballade, bei der selbst der Frauenchor im Refrain nicht fehlen darf. Das ist knapp vor der Grenze, an dem Kitsch ekelig wird. Aber eben nur fast und damit auf dem Höhepunkt, auf dem so ein Song richtig ergreifend ist. Ob das Depeche-Mode-Fans begeistern kann, bleibt abzuwarten, ist aber anzunehmen.
Zumindest bei Gahans Soloprojekten hat sich diese musikalische Tendenz schon angebahnt. „The Light The Dead See“ hat nichts von Synthiesound und cooler Ästhetik. Aber Gahans Stimme bleibt unverwechselbar die seine, zeigt aber eine andere, warme Seite auf. Nun ja, sonst hätte er, der zudem die Texte des Albums geschrieben hat, das Ganze auch mit Depeche Mode aufnehmen können, deren neues Album im nächsten Jahr erwartet wird.
Überraschend ist eher, dass Gahan hier Seiten offenbart, die ihn (gesanglich) als Sänger von U2 prädestinieren, falls Nervensäge Bono sich eines Tages hauptberuflich auf Charity-Veranstaltungen verlegen sollte. Die Kooperation mit dem britischen Duo Soulsavers ist nun Gahans erstes musikalisches Projekt nach seiner überstandenen Krebserkrankung. Die von ihm verfassten Texte setzen sich deshalb mit den großen, schweren Fragen des Lebens auseinander. Alles zusammen schwerer Tobak für den Frühsommer. „The Light The Dead See“ ist eigentlich das perfekte Herbst- und Winteralbum. Sei’s drum.
Gahan ist bekennender Fan der Soulsavers. Eingeweihten ist die Band bekannt, der bisher der große Durchbruch verwehrt blieb, obwohl sie 2009 Depeche Mode auf der „Tour Of The Universe“ supporteten. Vor diesem Hintergrund ist es nur konsequent, Gahan auf dem vierten Longplayer der Soulsavers, „The Light The Dead See“, kräftig mitmischen zu lassen. Zuvor taten dies Mark Lanegan, Mike Patton, Jason Pierce, Richard Hawley und Will Oldham. Anderer Sänger – anderer Sound. Gerade das macht aber auch den Charme des britischen Duos aus. Kein Album hört sich gleich an. Immer wird der Einfluss des jeweiligen Gastes ausgeschöpft und führt zu überraschenden Neuentwicklungen, der die Bandbreite der Band, die von Rock und Soul über Alt-Country und Indie reicht, manifestiert.
„The Light The Dead See“ ist ein Muss für Depeche-Mode-Fans, weil es einen persönlichen Einblick in die Erfahrungen von Gahan mit seiner Krebserkrankung verschafft und letztendlich, weil Gahans dunkle Stimme unverwechselbar ist und den Soulsavers ein bisschen den Super-Star-Glanz der Legende Depeche Mode überhilft. Das Album ist aber auch ein Muss für Fans der Soulsavers, weil es eine weitere Facette dieser unglaublichen Band widerspiegelt. Und am Ende macht niemand etwas falsch mit dem Kauf, dem bei radiotauglichem Weltschmerz das Herz aufgeht.
Schnelle Ernüchterung
(TM) Das klang ja nach einer großen Nummer, einem Selbstläufer geradezu: die Soulsavers, die zuletzt mit Mark Lanegan auf dem großartigen Album „Broken“ zusammengearbeitet hatten, veröffentlichen eine Platte mit Depeche-Mode-Frontmann Dave Gahan. Wie passend: Gahan, der vor nicht langer Zeit dem drogen- und krebsinduzierten Tod gerade nochmal so von der Schippe gesprungen ist, hat sicherlich ein paar Worte mit Gott & Co. zu sprechen, und Rich Machin und Ian Glover von den Soulsavers sind ja für ihren souligen, gospelgeschwängerten Sound bekannt. Beste Voraussetzungen also für eine berührende Platte.
Nur leider ist man schnell ernüchtert, denn Gahan erstickt beinahe in seinem Pathos, und das macht schnell müde. Der Sound der Soulsavers ist gewohnt satt, der Damenchor gewohnt kraftvoll, aber irgendwas fehlt, was die letzten Platten der Soulsavers so gut machte, nämlich die Kollaboration mit vielseitigen Sängern. Dave Gahan drückt dem Album ganz klar seinen Stempel auf, was für Depeche-Mode-Fans eventuell eine gute Nachricht ist, für alle anderen aber doch eher eine schlechte.
Unerfüllte Erwartungen
(MO) Die Kombination ist mehr als reizvoll: der nach Drogensucht und Krebserkrankung gebeutelte und geläuterte Dave Gahan ist Gastsänger auf dem neuen Album der fantastischen Soulsavers. Gospel, Soul, Frauenchöre und dazu Gahans pathetische Stimme – schon lange vor Veröffentlichung von „The Light The Dead See“ ließen wohlige Schauer der Erwartung über den Rücken laufen. Aber wie so oft kann das Endprodukt die Erwartungen nicht ganz erfüllen, und deshalb scheitert leider auch „The Light The Dead See“.
Natürlich gibt es große Momente (die Single „Longest Day“ gehört nicht dazu), zum Beispiel bei „In the Morning“, wo sich Gahans Todesangst, Wut und Zerknirschung ungefiltert Bahn brechen; oder beim sarkastischen „Bitterman“. Andere Songs dagegen waten knietief im Kitsch wie „Presence of God“ und „Just Try“.
Dazu kommt, dass Dave Gahan immer Dave Gahan bleibt – bei aller Bewunderung für seine Stimme, Performance und Gahan-Sein an sich lässt sich nicht verhehlen, dass der 50-Jährige nur bei Depeche Mode oder solo überzeugt. Er ist einfach zu sehr er selbst, seine Stimme zu prägnant, als dass er sie dem Sound einer anderen Band anpassen könnte. Ein bisschen so wie Til Schweiger als Schauspieler – okay, das ist ein ziemlich gemeiner Vergleich, aber mir ging´s nur um die Pointe. 😉
Soulsavers with Dave Gahan: The Light The Dead See. V2/Cooperative Music (Universal).