Drei Frauen, eine Platte: in unserer neuen Rubrik 3:1 besprechen Janine Andert (JA), Tina Manske (TM) und Christina Mohr (CM) kurz und zackig ein und dasselbe Album. In dieser Woche ist „Conatus“ von Zola Jesus auf dem Prüfstand.
Zola Jesus – Conatus
(CM) Puh, Leute, das ist nix für mich – oder besser: Zola Jesus ist ZU VIEL für mich. Schon der Name: Zola! Jesus! Bedeutung, Tiefsinn, Marilyn Manson! Dabei ist ihr bürgerlicher Name Nika Roza Danilova doch klangvoll genug. wahrscheinlich wollte Nika verhindern, dass sie für eine russische Tennisspielerin gehalten wird. Und Jesus geht ja irgendwie immer, vor allem auf dem Düster- und Gothic-Sektor. Der Albumtitel ist deshalb natürlich auf Latein: „Conatus“ kann man mit „Selbsterhalt“, aber auch mit „Fortschritt“ übersetzen, also ganz programmatisch gedacht.
Ich kann allerdings nur wenig Fortschritt entdecken, sondern nur das Verharren auf ein- und derselben Stimmung, nämlich dem Leiden an der Welt. Die Emotionskurve verändert sich auf „Conatus“ kaum, alles ist immer schlimm und tragisch und pompös und Drama total. Klar, Nika/Zola hat eine Riesenstimme (Opernausbildung!), aber leider fällt ihr nichts anderes ein, als damit wie die depressive kleine Schwester von Siouxsie Sioux zu klagen und zu lamentieren. Dazu: elektronischer Dark Wave-Goth-Pop mit viel Hall und Zissel-Synthies, meistens als Ballade, mal mit ein paar Beats. Manchmal wird´s auch richtig kitschig, zum Beispiel bei „Shivers“. Tut mir leid, wenn ich das Genialische an Zola Jesus übersehen haben sollte – ich brauch‘ jetzt mal ein bisschen Disco..
„When the lights go out […] and the darkness leads the way” (Zola Jesus, “Lightsick”)
(JA) Dann hören Sie doch einfach hedonistische Disco-Abartigkeiten, Frau Mohr! Verkleben Sie Ihre Gehörgänge mit glückselig machendem Tanzbrei, der mir den Tag versaut. Ich begeistere mich lieber für düster-schleppende Musik, die direkt Bilder eines verzauberten Gespensterwaldes im Kopf entstehen lässt. Aufwachen in einem Tim-Burton-Film. Grundsätzlich frenetischer Jubel! „CONATUS“ wird all dem gerecht. Nika Roza Danilovas mit Hall belegte Stimme ist berührend und eindringlich wie immer, kämpft sich durch rudimentäre Synthieflächen an die Oberfläche monumentaler Albträume. Alles wie immer – das ist leider auch der Wermutstropfen des Albums.
Es ist solide produziert, ohne Höhen und Tiefen. Die verqueren Soundtüfteleien mit ambitioniertem Experimentierwahn der Anfangszeit fehlen ganz. Dadurch ist „CONATUS“ zwar durchgängig hörbar, aber auch etwas brav ausgefallen. Kann es sein, dass Zola Jesus die Ideen ausgehen? Nicht ganz. Nika Roza setzt auf kleine, leise Neuerungen. So schleichen sich mehr und mehr Streichinstrumente und Klavier in die nebelverhangene Welt der russisch stämmigen Amerikanerin. „CONATUS“ ist epischer Pathos für Kellerkinder und überzeugte Misanthropen, die mit radiotauglichen Hits wenig anfangen können. Und trotzdem blitzt Licht am Ende des Pfades auf. Zola Jesus steuert auf die Pop-Lichtung zu. Ich hoffe, das ist nur eine gemeine Täuschung der bösen Hexe und das nächste Album fällt wieder Tiefschwarz aus.
„An open wound, starting to heal“ (Zola Jesus über „Conatus“)
(TM) Leider kann ich da auch nicht vermitteln, meine werten Damen! Aber so wie Mitte des Jahres hätte Zola Jesus mal weitermachen sollen: Als nämlich zum ersten Mal der Song „Vessel“ auftauchte, da hatte man große Erwartungen an ihr neues Album – wie ja überhaupt ihr steiler Aufstieg seit dem Debüt „Stridulum“ von den meisten sehr wohlwollend begleitet wurde. „Vessel“, das hat Kraft, mit diesem breiten Synthie-Sample, den Echos ihrer Stimme, dem – zwar konventionellen, aber dennoch zwingenden – Klavier und vor allem dem nach vier Minuten einsetzenden Elektrohallgewitter. An diesen interessanten Goth-Pop kann auf dem Album aber höchstens das schön bei „Atmosphere“ von Joy Division klauende „In Your Nature“ heranreichen.
Was aber bekommt man in den anderen Songs zu hören? Zola Jesus kannibalisiert und banalisiert sich selbst, mit den immer gleichen, auf Dauer quälend langweiligen Soundteppichen, Lyrics, die man partout niemals versteht, den ewig geisterhaft wabernden Synthies – ach je, es ist alles so vorhersehbar! So platt! Jeder Viertklässler kann erraten, wie beispielsweise der Beat von „Seekir“ sich entwickeln wird (80s!), und natürlich macht er’s dann auch. So nicht, liebe Nika Danilova!
Zola Jesus: Conatus. Souterrain Transmissions (Rough Trade). Zur Homepage, Facebook, MySpace und Soundcloud.