Geschrieben am 16. November 2011 von für Musikmag

Blitzbeats

Neue Platten von Halma, Robert Lippok, Slove und Makossa & Megablast, gehört von Tina Manske (TM) und Christina Mohr (CM).

Halma: Dissolved Solids Melodiös und tonnenschwer

(TM) Das fünfte Album „Dissolved Solids“ der Hamburger Postrock-Band Halma entstand vor dem Hintergrund einer räumlichen Trennung: die Bandmitglieder schickten sich Soundschnippsel zwischen Hamburg und Paris hin und her. So weit, so postmodern, aber die Musik von Halma verträgt solche Manierismen ja sehr gut. Den Musikern Anna Bertermann, Thorsten Carstens, Fiona McKenzie und Andreas Voss geht es mehr um Ausdehnung als um Verdichtung, weshalb auch ein Umherfliegen von Dateien sehr gut zu ihnen passt. Soundstrukturen sind für diese vier dazu da, jederzeit erweitert zu werden.

Und so ist auch Album Nr. 5 ein wunderbarer Ausflug (!) in pastellfarbene Ambient-Landschaften, die den Blick öffnen für Landgänge in die eigene Innerlichkeit. Melodiöses E-Gitarrenpicking trifft hier auf wohldosierte Elektronik und einen tonnenschwerfälligen Rhythmus. Damit passt „Dissolved Solids“ perfekt zu Spaziergängen durch die wallenden Nebel dieses Herbstes – wer es sich traut.

Halma: Dissolved Souls. Sunday Service (Indigo). Zur Homepage.

Robert Lippok: redsuperstructureWellen des Glücks

(TM) „redsuperstructure“ basiert auf Robert Lippoks Set, das er im September 2010 im Rahmen des raster-noton Electric Campfire auf der Villa Massimo gab. Obwohl ich nicht weiß, wie man sich zu solcher Musik, die trotz ihrer Kälte so ganz organisch und intim klingt, im Umfeld anderer Menschen verhalten soll, muss es als gesichert gelten, dass regelmäßig ganze Clubs dazu feiern.

Man kann Lippoks Neueste aber auch ganz für sich im stillen Kämmerlein hören (ich empfehle das sogar), und sich den davon ausgehenden Wellen des Glücks hingeben. Wie zum Beispiel bei „sugarcubes“ die Post abgeht, solche Sounds hört man selbst in der Avantgarde-Elektronik viel zu selten.

Nichts versucht da leicht zu verstehen zu sein oder gar Melodie, vielmehr zerstören die Töne, diese steigenden und fallenden Kriegsbomber, sich beinahe selbst, aber dennoch entsteht am Ende eine Art Lied. Oder „whitesuperstructure“: ein bouncender Bass-Beat, auf- und abschwellende Loops, darüber eine kühle Synthie-Formel. Oder „slowdancingform“, das im Rhythmus der menschlichen Herzamplitude zu schwingen scheint.

Robert Lippok: redsuperstructure. raster-noton (Kompakt).

Slove: Le DanseEinfach ein bisschen tanzen

(CM) Mal ehrlich: man will sich doch nicht immer tiefschürfende Gedanken beim Musikhören machen. Worauf bezieht sich der Albumtitel, das Cover, das Gedicht im Booklet, woher stammen die Samples und bei welchem Avantgarde-Jazz-Projekt hat der Gitarrist doch gleich mitgespielt? Recherchearbeiten dieser Art behindern den Genuss  – und manchmal möchte man einfach nur in einer netten Bar zwei, drei Cocktails schlürfen und ein bisschen tanzen. Genau das kann man zu „Le Danse“ tun, dem ersten Album des Bandprojekts Slove.

Dahinter stecken der schwedische Musiker Léo Hellden und der französische Producer Julien Barthe, die, unterstützt von ein paar GastsängerInnen, ganz tief in der Achtzigerjahre-Schatztruhe graben: hedonistischer Synthie-Dance-Pop, mal leicht und flockig, aber auch düster angehaucht und Depeche Mode-/New Order-inspiriert.

Manche Tracks wie „Flash“ nerven mit dem klaren Bekenntnis zum 4/4-Takt und anstrengendem Gesang, aber die drei letzten Stücke „Carte Postale“, „Find Out“ und  If Only I Had“ entschädigen für alles: hier trifft das Beste der Achtziger (Cristina, Lio, Tom Tom Club) auf die satte, slicke Produktionstechnik der Jetztzeit. Weg mit dem Cocktail, allez danser!


Slove: Le Danse. Pschent (Rough Trade). Zur Homepage.

Makossa & Megablast: Soy como soyHeiße Nacht

(TM) Apropos abtanzen: Das geht mit „Soy como soy“ auch ganz wunderbar. Auch wenn man etwas anderes vermuten könnte – Makossa & Megablast, die uns hier eine feurige südamerikanische Nacht bescheren, kommen keineswegs aus den Favelas von Rio de Janeiro, sondern aus dem gutbürgerlichen Wien, wo sie ihren Jobs als DJ und Produzent nachgehen.

Dort haben sie eines der mitreißendsten Tanzalben dieser Saison produziert, das gekonnt zwischen House, Latin, Techno, Soul, Dub und African Rhythm changiert. Die gleichnamige Single war bereits im Sommer ein weltweiter Clubhit, und das Album schafft es tatsächlich, dieses Niveau zu halten.

Hubert Tubbs ist bester Laune, wenn er mit seiner markanten Stimme das zwischen Atemlosigkeit und Punktgenauigkeit pendelnde „Coming Home“ intoniert, während der Beat dem Hörer keine Wahl lässt als zu tanzen. Überhaupt sind die Vokalisten exquisit gewählt, OG Spiritual Godess aus Zimbabwe zum Beispiel oder der Kubaner Cleydys Villalon im Titelsong. Die tighte Produktion setzt dem Ganzen das Sahnehäubchen auf.

Makossa & Megablast: Soy como soy. Luv Lite Recordings (!K7/Al!ve).

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