Neue Platten von und mit Kate Nash und Sex Jams, gehört von Janine Andert (JA) und Christina Mohr (MO).
Popfeministisches Manifest
(MO) Kate Nash hat sich voll und ganz dem Girlism (oder Grrrlism) verschrieben: schon mit dem nur im Netz veröffentlichten Song „Underestimate The Girl“ und der unlängst erschienenen EP „Death Proof“ vollzog Nash einen Imagewechsel, der nicht all ihren Fans gefiel.
Dabei gab sich die 25-jährige Londonerin mit dem prägnanten Cockney-Akzent ja auch bei ihren älteren Hits wie „Foundations“ nur vordergründig süß, Kates rebellische Ader hätte also durchaus schon auffallen können – aber egal, jetzt ist ihr drittes Album „Girl Talk“ draußen und das geht von Anfang an ganz schön zur Sache. Mit ihrer All-Female-Band (eine „sehr befreiende Erfahrung“, so Kate) rockt Nash im Geiste der frühen Blondie, Hole, Joan Jett oder den Yeah Yeah Yeahs los, punkig, wild und leidenschaftlich.
Man merkt den Stücken an, dass sie schnell geschrieben und aufgenommen wurden: unmittelbar und draufgängerisch wirken „Part Heart“ und „Are You Sweetheart?“; „Fri-end?“ und „Death Proof“ kennt man schon von der EP, was ihrem Drive allerdings keinen Abbruch tut. Kate geht es aber nicht nur um musikalische Veränderung: „Vor ein paar Jahren hatte ich noch Angst, zu mädchenhaft und feminin zu wirken. Heute bin ich selbstbewusst genug, um alle Facetten meiner Persönlichkeit wertzuschätzen.“
Diese Haltung äußert sich auch in dezidiert feministischen und teilweise ganz schön spöttischen Texten, besonders deutlich bei „You´re So Cool, I´m So Freaky“ oder „Lullaby For An Insomniac“. „Girl Talk“ ist Kate Nashs Neuerfindung, Frauwerdung und popfeministisches Manifest in einem – dass ihr bei stolzen fünfzehn Songs gegen Ende ein klein wenig die Puste ausgeht, sei ihr nachgesehen, schon allein wegen der umwerfend süßen coolen Single „3 AM“.
Kate Nash: Girl Talk. Have 10p Records/Fontana. Zur Homepage und zur MySpace Seite von Kate Nash.
Krawall und Remmidemmi!
(JA) Wo “Trouble, Honey” drauf steht, ist energiegeladener Spaßanarchismus drin. Anlage auf Anschlag drehen, Nachbarn einladen und ab geht die WG-Party. Der Charme der Wiener Band Sex Jams liegt in ihrem Anachronismus. Der Hörer wird in seine wilde Jugend zurückversetzt, auf Partys, auf denen alles zu Bruch ging, was möglich und unmöglich war. In diesem Sinne ist „Trouble, Honey“ ein musikalischer Befreiungsschlag, der an Unangepasstheit und Mut glauben lässt.
„Trouble, Honey“ verheißt ein Mittendrin, Ekstase, Gier nach Leben. Fernab von unterkühlter Hipness und Makellosigkeit sprüht das Album vor Authentizität. Hatte nicht irgendwer Ende letzten Jahres die Wiederkehr des Grunge prognostiziert? Mit den Sex Jams befinden wir uns in jedem Fall auf einem guten Weg dorthin. Schreiende Gitarren, die ihr Dasein postulieren und ganz nebenbei die Ohren durchspülen. Eine ins Mikrophon kreischende Sängerin, die den Girlpower der frühen 90er wiederbelebt. Katharina Trenk steht dabei zwischen vier Männern.
Und eigentlich kommen die Sex Jams, die mit „Trouble, Honey“ ihr zweites Studioalbum vorlegen, aus dem Hardcore/Screamo/Emocore-Bereich. Zumindest war das auf ihrem Debüt „Post Teenage Shine“ (2010) zu hören. Drei Jahre später hat der Geist von Blondie, der jungen Cortney Love und Gwen Stefanie des Jahres 1995 Einzug gehalten.
Einziges Manko des Albums ist die dürftige Produktion, die in Anbetracht der Frische als wahrer DYS-Garage-Indie-Sound durchgeht. Spaßigem Exzess verzeihen wir alles. … Pfeif drauf, dieses Album ist eine richtige kleine Perle, die so richtig Spaß macht. Destroy! Krawall und Remmidemmi! Euphorie!!!
Sex Jams: Trouble, Honey. Siluh/Cargo. Zur Homepage, zur Facebook Seite und zur bandcamp page (mit Albumstream). Einen kostenlosen Download gibt es hier.