Geschrieben am 28. August 2013 von für Musikmag

Blitzbeats

Neue Platten von und mit King Krule, Franz Ferdinand, Jackson and his Computerband und Kisses, gehört von Tina Manske (TM) und Christina Mohr (MO).

kingkrule_6feetbeneaththemoonKindliche, uralte Stimme

(MO) King Krule hatte schon viele Namen: er war als Zoo Kid, DJ JD Sports und Edgar the Beatmaker unterwegs; seine Eltern nannten ihn Archy Samuel Marshall. Ähnlich komplex ist King Krules Musik, die sich aus so vielen Einflüssen zusammensetzt, dass man kaum weiß, wo man anfangen soll: King Krule ist ein Singer-/Songwriter, der bestimmt vieles von Morrissey, Edwyn Collins, Elvis Costello und Richard Hawley gehört hat.

King Krule singt aber nicht, er knarzt, nörgelt, quasselt, krächzt seine messerscharfen, bösen, klugen Lyrics – und croont dann auf einmal wie Frank Sinatra oder rappt wie Eminem, nur dass Krule/Marshall die geilere, weil gleichzeitig kindliche und uralte Stimme hat.

King Krule kennt die alten Rock’n’Roller wie Eddie Cochran, Gene Vincent und Buddy Holly. King Krule ist aber auch ein Electro-Artist, ein Blueser, ein Hip-Hopper, ein Gamer, ein toughes Südlondoner Streetkid, das natürlich ganz oft mit Mike Skinner/The Streets verglichen wird – ach, und zu so unterschiedlichen Acts wie dem Penguin Café Orchestra, Fela Kuti und James Blake lassen sich ebenfalls Bezüge ausmachen. Das klingt verwirrend, King Krules Album „6 Feet Beneath the Moon“ ist es nicht.

Der 1994 (!) geborene King jongliert traumwandlerisch sicher mit den musikalischen Schnipseln aller Epochen und Styles, die er im Internet findet und bastelt daraus den Sound der Gegenwart. Kann nicht jeder – King Krule schon. „6 Feet Beneath The Moon“ ist schon jetzt ein Anwärter auf die ersten Plätze der Jahrespolls. Word.

King Krule: 6 Feet Beneath the Moon. XL/Beggars. Zur Homepage, zu einem Video auf Clipfish.

franzferdinand_rightthoughtsrightwordsrightactionAlles ironisch?

(MO) Vor ein paar Jahren wurde Franz Ferdinand-Sänger Alex Kapranos mit den Worten zitiert, dass eine gute Band sich nach fünf Jahren auflösen sollte. Was das in Bezug auf Franz Ferdinand bedeuten sollte, ließ Kapranos salomonisch offen…

Fakt ist: Franz Ferdinand aus Glasgow existieren 13 Jahre nach ihrer Gründung und neun Jahre nach ihrem bahnbrechenden Debütalbum noch immer, eine neue Platte gibt es auch: „Right Thoughts, Right Words, Right Action“ heißt sie und ist mit ordentlichen Drive und Wumms zugange, der Kapranos, Nick McCarthy, Bob Hardy und Paul Thomson vor allem auf dem letzten Album „Tonight:“ ein wenig abhanden gekommen schien.

Und ja, doch, irgendwie freue ich mich auch: der Opener „Right Action“ macht Laune, die Single „Love Illumination“ ist intelligent und eingängig, wie auch fast alle anderen Songs mit Kapranos‘ belesenen, klugen, manchmal zynischen Lyrics. Trotzdem kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass alle zehn Stücke (sogar die Songanzahl ist geradezu perfekt und mustergültig für ein Popalbum!) klingen, als wären sie mit hochgezogenen Augenbrauen aufgenommen worden; als würden Franz Ferdinand die ganze Zeit vermitteln wollen: „Achtung, alles nur Spaß! Alles ironisch gemeint – wir wissen doch, dass wir nie wieder so gut werden wie auf unserer ersten Platte!“

Der durchgehende Marschrhythmus, bei dem jede/r mitmuss, die steil reingrätschenden Gitarren und die Refrains wirken jedenfalls so überbetont, als würde die Beatles-Verarschungsband The Rutles „Sgt. Peppers’ Lonely Heartsclub Band“ neu einspielen. Oder so. Ach, ich weiß nicht… Doch klar, zu “Evil Eye” mit dem funky Bass kann man super tanzen – und doch krame ich das erste Album wieder raus…

Franz Ferdinand: Right Thoughts, Rights Words, Right Action. Domino. Zur Homepage. Zu einem Video bei Tape.tv.

jacksonandhiscomputerband_glowHau-drauf-Pose

(TM) Die Vorzeichen waren denkbar gut: Jackson Fourgeaud alias Jackson and his Computerband stammt aus demselben Umfeld wie Daft Punk und (die frühen) Phoenix, ihm wird nachgesagt, mit seiner ersten Platte „Utopia“ so was wie der neue Gott des IDM gewesen zu sein, und nach seinem kontrovers aufgenommenen Debütalbum „Smash“ aus dem Jahr 2005 kommt er nun, nachdem er sich all die Jahre (laut Pressetext) in eine dunkle Pariser Ecke verkrochen hat, um an neuen Songs zu arbeiten, mit „Glow“ wieder ans Tageslicht.

Da sollte doch, meint man, etwas Brauchbares bei herauskommen. Doch leider verzettelt sich Jackson in einer machistischen Hau-drauf-Pose. Klar, er war dem Pathos und der Überorchestrierung noch nie abgeneigt, aber fehlendes Gespür für klare Grenzen machen Titel wie „Orgysteria“ (Nomen est omen) oder, noch schlimmer, „Blood Bust“ quasi unhörbar. Das klingt, als seien die Germanen am Strand von Ballermann in den Bottich mit den E-Tabletten gefallen.

Überzeugend ist Jackson dagegen immer dann, wenn er das Tempo und/oder die Instrumentierung zurückfährt – bestes Beispiel ist „Arp #1“ mit seinen perlenden Arpeggios. Oder wenn er Stimmen ins Spiel bringt, wie im geradezu romantischen „Memory“.

Jackson and his Computerband: Glow. Warp (Roughtrade). Zur Homepage.

kisses_kidsinlaHedonismus und Memento mori

(MO) Gelangweilte Jugendliche in Los Angeles sind zurzeit offenbar ein wichtiges Thema für die Popkultur: Sofia Coppolas jüngster Film “The Bling Ring” dreht sich um eine Gruppe materialistischer Teenies; das passenderweise aus L.A. stammende Duo Kisses hat sein neues, zweites Album „Kids in L.A.“ genannt.

Die neun Songs beziehen sich lose aufeinander, bilden aber kein echtes Konzeptalbum. Es ist eher eine vage zu benennende Grundatmosphäre aus juveniler Leichtigkeit, durchzogen von luxuriöser Langeweile, Selbstzweifeln und einer sanft melancholischen Ahnung vom nahenden Herbst: die Musik auf „Kids in L.A.“ ist eine Allegorie auf den Spätsommer – sonnensatte Hooklines in geschmeidigen, glossy Eighties-Synthie-Arrangements mit kurzen Ausflügen in Shoegaze und Indiepop; Beats wie aus der Lisa Lisa & Cult Jam-Ära, die weniger zum Tanzen einladen als zum Cruisen mit dem Schnellboot, während der Wind durchs gesträhnte Haar weht und man schon weiß, dass es am Abend etwas kühler werden wird.

Doch auch wenn Jesse Kivel manchmal klingt wie Morrissey und Zinzi Edmundson sagt, dass „Kids in L.A.“ von Douglas Couplands Romanen und Filmen wie „The Breakfast Club“ beeinflusst ist, sollte man in das Album nicht zuviel Gesellschafts- oder Kulturkritik hineininterpretieren. Dafür sind die Texte insgesamt zu unverbindlich, der Sound zu glatt. In den besten Songs jedoch („The Hardest Part“, „At The Pool“) überzeugt die Mischung aus Hedonismus und Memento-mori-Stimmung voll und ganz.

Kisses: Kids in L.A. Splendour (Cargo). Songs bei Soundcloud. Die Band auf Facebook.

 

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