Geschrieben am 21. Mai 2014 von für Musikmag

Blitzbeats: Michael Jackson, Elephant und Tori Amos

Neue Platten von und mit Michael Jackson, Elephant und Tori Amos, gehört von Tina Manske (TM) und Christina Mohr (MO).

michaeljackson_xscapeImmer noch King of Pop

(TM) Das hätte mächtig ins Auge gehen können: Als man davon hörte, dass es schon wieder ein posthumes Michael-Jackson-Album geben sollte, werden sich manche innerlich gekrümmt haben. Aber „Xscape“ ist ein richtig gutes Popalbum geworden. Es vereint bisher unveröffentlichte Songs des Superstars, die Fans zwar bereits kennen dürften, die aber der Allgemeinheit erst jetzt zu Ohren kommen. Möglich wurde die Platte durch die Initiative von Epic-Chef L.A. Reid, der sich mit einem eigens zusammengestellten Produzententeam (u. a. dem unvermeidlichen Timbaland) daran machte, die Songs für das 21. Jahrhundert aufzupimpen.

Die Wichtigste Erkenntnis beim Hören: Die Bearbeitungen hätte es gar nicht gebraucht. Der direkte Vergleich mit den Originalen (enthalten auf der Deluxe-Version und unbedingt zu empfehlen) zeigt, dass Jackson nicht umsonst der King of Pop genannt wurde, denn die ’nackten‘ Stücke sind zeitlos und benötigen keine Überkleisterung. Mehr noch, sowas wie „Blue Gangsta“ klingt in der Bearbeitung furchtbar, entpuppt sich dann aber im Original als glasklarer, genialer R’n’B. Selbst in den Adaptionen von Songs anderer Bands („A Place With No Name“ ist eine Hommage an „A Horse With No Name“ von America) ist Jackson immer auf dem Punkt.

Schon längst nicht immer dürften es daher musikalische Überlegungen gewesen sein, die zu dem Entschluss führten, die Songs zu ihrer Zeit nicht zu veröffentlichen. Im sehr starken „Do You Know Where Your Children Are?“ zum Beispiel, entstanden zu Zeiten der „Bad“-Sessions, heißt es: „She wrote that she is tired/ Of step daddy using her/ Saying that he’ll buy her things/ While sexually abusing her“ – jemand wird Jackson geraten haben, sich mit diesen Lyrics nicht zu weit hinauszulehnen. Tolle Platte, wenn man sich auf die Originale konzentriert.

Michael Jackson: Xscape. Epic (Sony).

elephant_sky_swimming_album-500x500Zauberhafte Klanggespinste

(MO) Lange hat es gedauert, nämlich gute drei Jahre, bis das britische Duo Elephant auf seine sehr hübsche Debüt-EP ein Album folgen ließ. Man muss Amelia Rivas und Christian Pinchbeck allerdings entschuldigend zugute halten, dass es ihnen trotz schmerzhafter privater Trennung (die beiden wurden ein Paar, als sie Elephant gründeten) überhaupt gelang, weiterzumachen und neue Songs aufzunehmen. In „Sky Swimming“ floss der Trennungsschmerz in Gestalt bittersüß-melancholischer Lyrics und zauberhafter Klanggespinste ein.

Die Songs der 2011er-EP klangen noch sehr lo-fi und handgemacht, entstanden auf Amelias billigem Second-Hand-Casio, zeigten jedoch schon die Vorlieben der Band: Shoegaze-Dreampop im Geiste von Beach House und frühen Slowdive. Auf „Sky Swimming“ reichern Elephant ihren Sound mit Doo-Wop-Elementen an und schwelgen in Sixties-Brill-Building-Glanz, auch sanfter Chillwave à la Toro Y Moi und Badalamenti-Filmmusik schimmert durch die schwerelosen Songs.

Im Gegensatz zu manch anderer Dreampop-Band verlassen sich Elephant (der Bandname ist ein mehr als kurioser Gegensatz zur Musik) nicht allein auf Atmosphäre: Songs wie „Skyscraper“ und „Shapeshifter“ bleiben dank ihrer Hooks und Refrains sehr langlebig im Ohr, Amelias traurig-schöne Stimme gibt Elephants Musik zusätzlich Profil. Auf Albumlänge geht Elephant der Spannungsbogen ein wenig verloren, aber hey, wollt ihr Rock, oder was? Na also.

Elephant: Sky Swimming. Memphis Industries (Indigo). Die Band bei Facebook.

toriamos_unrepentantgeraldinesDie Nähe zu Kate Bush

(TM) Wäre ich Musikwissenschaftlerin, wüsste ich jetzt wie dieser Akkordwechsel heißt, den Tori Amos so gern an das Ende ihrer wunderbaren Pianoballaden stellt. So kann ich nur gefühlig feststellen, dass er mich an Motive der Kirchenmusik erinnert und immer wieder sehr, sehr glücklich macht. Wie übrigens das gesamte neue Album, mittlerweile das 14. der Ausnahmemusikerin.

Das 2002er-Album „Scarlett’s Walk“ war mir bisher das liebste, und daher freut es mich besonders, dass „Unrepentant Geraldines“ in vielfältiger Weise an diese Phase anknüpft. Gleich zu Beginn bringt „America“ gleich wieder auf diese Fernwehspur, auf der Amos-Songs so gern fahren. In „16 Shades Of Blue“ zeigt sie sogar, dass sie auch R’n’B-Songs hinbekommt – ein wenig klingt Amos da wie die zarte Wiedergeburt von Lisa ‚Lefteye‘ Lopez – zugegeben, die sehr sanfte Version. Einer der vielen Höhepunkte ist der pointierte und wunderschön gesungene Titelsong, eine Hymne für die Freiheit: „I‘ gonna free myself from your opinion/ I’m gonna heal myself from your religion“.

Auch „Oysters“ ist ein Gänsehaut-Moment, die Selbstermächtigung eines Mädchens aus der Sicht der Erwachsenen: „Not every girl is a pearl/ not every girl is popular“. Tatsächlich handeln viele Texte aber vom Älterwerden und was das insbesondere für Frauen bedeutet. Tori Amos ist jetzt, mit 50 Jahren, auf dem Höhepunkt ihrer Kunst. Und ja: nie war sie so nah an Kate Bush wie hier.

Tori Amos: Unrepentant Geraldines. Mercury (Universal).

 

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