Geschrieben am 20. Juni 2012 von für Musikmag

Blitzbeats

Neue Platten von und mit Phantom Ghost, dEUS und DAT Politics, gehört von Tina Manske (TM) und Christina Mohr (MO).

Phantom Ghost: Pardon My EnglishNachmittagssherry, anyone?

(MO) Vorhang auf: bitte empfangen Sie die ehrwürdigen Hochstapler Dirk von Lowtzow und Thies Mynther mit einem freundlichen Applaus! Anlässlich ihres neuen Werks „Pardon My English“ (und nicht etwa „LOVE HATE“, wie man angesichts des erneut von Cosima von Bonins gestalteten Covers vermuten könnte) tilgten Phantom Ghost den unschönen Schrägstrich aus ihrem Namen und agieren nunmehr völlig befreit. Befreit von jeglichen Pop- und Rockismen, die Mynther und von Lowtzow in ihren anderen Soziotopen Tocotronic, Stella und Superpunk (R.I.P.) ausagieren, laden Phantom Ghost mit verschmitztem Lächeln zu einem Gläschen Nachmittags-Sherry in ihre barocke Kunstliedwelt und fabulieren zu kammermusikalischem Pianogeklimper vom Zigarettenrauchen mit Meisenküken („In the Tittery“) und lassen die Künstlerin Michaela Meise, die im vergangenen Jahr mit ihrer Interpretation von Kirchenliedern („Preis dem Todesüberwinder“) Furore machte, in „Phantom of the Operette“ in die Rolle der „lonely concubine“ schlüpfen.

Auch die Cellistin Boram Lie und Schauspieler/Posaunist Thomas Niehaus bekommen Gastauftritte in diesem überspannten und exzentrischen Theater, das dem nur scheinbar unterwürfigen Motto „Pardon My English“ gleich drei Aufzüge resp. Lieder widmet, durch die sich Herr von Lowtzow in angemessen akzentreichem Englisch aufs Reizendste hindurchkokettiert. Die Spieldauer der zehn Stücke von „Pardon My English“ ist exakt auf die Zeitspanne abgestimmt, die man benötigt, um all seinen Besitz zum Fenster hinauszuwerfen, auf dass man von nun an ein so wundervoll bohemistisches, effeminiertes und luxuriös zielloses Luderleben führe wie die beiden Stutzer von Phantom Ghost.

Phantom Ghost: Pardon My English. Dial. Zu MySpace.

dEUS: Following SeaSchnellschuss?

(TM) „Es ist verdammt nochmal 2012, da ist es doch total altmodisch Monate zu warten, bis man sein Zeug veröffentlicht“ – Tom Barman lässt keine Zweifel, warum die Belgier von dEUS bereits acht Monate nach „Keep You Close“ schon wieder ein Album herausbringen. Die Songs auf „Following Sea“ waren über iTunes sogar schon zwei Wochen vorher erhältlich, dEUS gehen also voll mit der Zeit.

Es bleibt allerdings die Frage, ob die Songs wirklich schon dazu bereit waren. Der Opener „Quatre Mains“, von Tom Barman zum ersten Mal auf Französisch gesungen, ist eine ziemlich gediegene Noir-Nummer mit Sprechgesang. „Hidden Wounds“ ist ein ziemlich gediegener Rocksong, der so in guten Momenten auch von zweitrangigeren Bands kommen könnte, mit einer zugegeben sehr düsteren Textebene, die allerdings manieristisch wirkt. „Fire Up The Google Beast Algorithm“ wartet schon wieder mit Sprechgesang auf, der die feinen Gitarren fast in den Hintergrund drängt.

Aber es gibt auch gute Nachrichten. Da wären zuallererst die gerade erwähnten feinen Gitarren: die sind wieder einmal zum Fingerschlecken. Und mit „Sirens“ gelingt dEUS ein glasklarer Calexico-Song mitten aus der Wüste, sehr cool. Das abschließende „One Thing About Waves“ ist endlich das, was man von dEUS erwartet – ein stabiler, trotzig in der Gegend herumstehender und dennoch filigran-luftiger Rocksong.

Und, ach ja, „Crazy About You“ trumpft mit herrlichem Gitarrenspiel auf, ist aber ansonsten… Man möchte ja nicht immer mäkeln und an die goldenen vergangenen Zeiten erinnern, aber wo ist eigentlich die Virtuosität von Alben wie „Worst Case Scenario“ und „The Ideal Crash“ hin? Manchmal ist es vielleicht doch besser, nicht gleich zu schießen, nur weil man Munition hat.

dEUS: Following Sea. PIAS (Rough Trade).

DAT Politics: Blitz GazerGemütlich eingerichtet

(MO) Ich möchte nicht unfreundlich erscheinen, aber ich persönlich bin der Meinung, dass Electroclash echt over ist. Bis auf die wenigen existierenden Ausnahmen natürlich, aber so ist es ja immer und überall. Und so kann ich über „Blitz Gazer“, das neue Album des französischen Duos DAT Politics, nichts wirklich Nettes sagen: klar kann man es toll finden, dass Claude Datgirl and Gaetan C.Collett (a.k.a. Tone Rec und Skipp) auch im dreizehnten Jahr ihres Bestehens die Geräte malträtieren und ihnen dabei immer mal wieder süße, poppige Weisen gelingen wie z.B. „Yes Way“ oder „Corpsicle“.

Man kann aber auch in höchstem Maße genervt davon sein, dass es bei DAT Politics immer noch fiept und pfeift und sto-tott-tottert wie damals auf „Tracto Flirt“ – party like it´s 1999. Vielleicht sind DAT Politics aber auch echt gewiefte, ausgekochte Elektro-Retromaniker, die bewusst so klingen wollen wie eine Personalunion aus Ricchi e Poveri und Alien Sex Fiend ohne Drogen, also ziemlich tüdelig.

Aber mir scheint vielmehr, dass Datgirl und Collett es sich in ihrem wacker erarbeiteten Ruhm (Auftritte bei allen relevanten Elektro- und Dance-Festivals, auf unzähligen Elektro-Samplern vertreten, berühmt für energetische Bühnenshows) gemütlich eingerichtet haben und nur ungern mal etwas anderes ausprobieren möchten als das eingeführte Regler-auf-Anschlag-und-frickeln-bis-die-Finger-bluten-Konzept. Andererseits halten auch Hardrock und Volksmusik an Altbewährtem fest und der Erfolg gibt allen Beteiligten recht. Also halt ich besser den Mund und gucke, was sonst noch in der Post war.

DAT Politics: Blitz Gazer. Sub Rosa. Zur Homepage und zu MySpace.

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