Geschrieben am 10. Juli 2013 von für Musikmag

Blitzbeats

Neue Platten von und mit Totally Enormous Extinct Dinosaurs, Locrian und Laura Marling, gehört von Janine Andert (JA), Julia Hess (JH) und Ronald Klein (RK).

totallyenormousextinctdinosaurs_getlostVIElektronisches für Klamottenläden

(JH) Das in London beheimatete Label „Crosstown Rebels“ gilt als die Adresse für Underground House, Techno und Minimal. Chef und DJ Damian Lazarus wird von der einschlägigen Presse regelmäßig in den höchsten Tönen gelobt. Mit „Get Lost VI“ erscheint eine neue Ausgabe der labeleigenen Mix-Serie mit hochkarätiger Unterstützung. War es letztes Mal Acid Pauli (Console, The Notwist), ist dieses Mal Orlando Higginbottom alias Totally Enormous Extinct Dinosaurs für die Zusammenstellung verantwortlich. Der Engländer konnte 2012 mit seinem Debütalbum „Trouble“ eigentlich jeden begeistern, der irgendwie für Indie oder Elektronische Musik zu haben ist. Sein Sound, der irgendwo zwischen House, Minimal und Elektro zu fassen ist, wurde zu einem riesigen Hype. Remix-Aufträge für Lady Gaga und Katy Perry ließen nicht lange auf sich warten.

Auf „Get Lost VI“ geht es aber nun ja nicht um Higginbottoms Musik, sondern was er Schönes für uns ausgesucht hat. TEED hat neben bekannteren Acts wie Gold Panda oder Tiga auch einige rare Sachen ausgewählt, auf die man nicht unbedingt einfach so aufmerksam wird. Zunächst klingt also alles nach einem tollen Sampler, auf dem es spannende Musik zu hören gibt. Spätestens bei der Hälfte der ersten CD tritt aber Langeweile auf. Der Sound variiert durchaus, von beatlastigeren Stücken bis hin zu eher Minimalistischem. Allerdings fühlt man sich, als sollte man dazu in einem Hipster-orientierten Bekleidungsgeschäft nach Röhrenjeans suchen, oder in einer Bar in Kreuzberg Rhabarberschorle schlürfen. Daheim neben der Anlage hingegen fühlt man sich etwas deplatziert. Nichts auf „Get Lost IV“ ist schlecht, aber das Gesamtpaket überzeugt für den Hausgebrauch nicht wirklich.

Zur Ermunterung sehe ich mir den Trailer an, der wiederum Lust auf mehr macht und mit schönen Bildern lockt. Orlando schleckt ein Eis und erzählt, dass man zwar überall im Internet „Mixes for free“ bekommt, aber dieses Prachtstück in einer Hülle daherkommt und noch dazu Flamingos auf dem Cover hat. Dabei wirkt er so sympathisch, dass man ihm das abnimmt.

Letztendlich konnten auch die Flamingos mich nicht überzeugen. Ich beschließe aber, der Scheibe noch eine Chance zu geben. Sollte ich in den Genuss kommen, den Sampler doch einmal bei einer passenderen Gelegenheit hören zu dürfen, ich hätte mit Sicherheit Spaß daran. In Gedanken sehe ich auch schon diverse Menschen begeistert aus der Umkleidekabine hetzen und den ladeneigenen DJ nach der Musik fragen.

Totally Enormous Extinct Dinosaurs: Get Lost VI. Crosstown Rebels. Zur Homepage, zu Tumblr.

locrian_returntoannihilationNeue Entwicklung

(RK) Als die Chicagoer Dark-Ambient-Formation Locrian letztes Jahr beim amerikanischen Label Relapse Records unterschrieb, erfolgten zuerst Wiederveröffentlichungen älterer Scheiben. Somit stellt „Return To Annihilation“ quasi das Debüt auf dem Extrem-Metal-Label dar, das in der Vergangenheit Größen wie Deceased, Amorphis oder Neurosis beheimatete. Mit deren Sound hat das Trio um Multiinstrumentalist Terence Hannum jedoch nichts gemein. Zwar bewegt sich die Formation einen Schritt von den dunkel dräuenden Drones der früheren Werke weg und integriert Gitarren und langsames Schlagwerk. Hannum outete sich unlängst, durch Prog-Rock-Kapellen wie Yes und King Crimson musikalisch sozialisiert worden zu sein, bevor er Thrash-, Death- und Black-Metal kennen und lieben lernte.

Natürlich lebt die Klangästhetik Locrians noch immer von beklemmenden Drones und dunklen Soundflächen, jedoch passiert viel mehr in den Arrangements. Der Titeltrack beispielsweise klingt, als würde Sunn O))) zusammen mit Bohren and the Club of Gore unter musikalischer Leitung Brian Lustmords versuchen, Post Rock einzuspielen. Die Entwicklung Locrians steht der Band gut zu Gesicht. Auch wenn Szenepuristen aufstöhnen mögen, dass die drei Musiker nunmehr zu eingängig klingen – von Sounds, die bestimmte Formate verdienen, ist das Trio auch weiterhin meilenweit entfernt. Zum Glück.

Locrian: Return To Annihilation. Relapse.

lauramarling_onceiwasaneagleKommunikation als Form des Teilens

(JA) In London hauchte ein Kreis junger Musiker vor eine paar Jahren dem Folk neues Leben ein. Ganz vorne mit dabei war Laura Marling. Auf ihren Alben wurde sie von den befreundeten Bands Mumford & Sons und Noah and the Whale, die sie 2006 mitbegründete, unterstützt. Ihr Debüt schrieb sie mit gerade einmal 17 Jahren. „Alas, I Cannot Swim“ wurde für den Mercury Music Prize nominiert.

Ihr zweites Album, „I Speak Because I Can“ ebenfalls. Sie heimste dafür aber ‚nur’ den NME Award als beste Solokünstlerin und den Brit Award in der Kategorie „Best British Female“ ein. Ihr drittes Studioalbum „A Creature I Don’t Know“ klang wie das Alterswerk einer vom Leben gezeichneten Folk-Sängerin. Laura war gerade einmal 21! Die jodeligen Oktavensprünge ließen Annäherungsversuche an Celine Dion befürchten. „Once I Was an Eagle“ führt zurück zur Einfachheit. Eine markante Stimme, eine Gitarre und viele Geschichten über das Leben, über Marlings Leben. Die Sängerin begann Ende 2011 mit der Arbeit an den Songs. In den beengten Verhältnissen einer kleinen Londoner Dachgeschosswohnung, aber mit einem fantastischen Blick über die Stadt philosophierte sie über den Zweck und Nutzen der Kunst, über die Geschichte der Musik, die Entwicklung der Tonträger und deren Bedeutung für eben diese Geschichte; fragte sich nach dem Sinn des ‚Selbstausdrucks‘ vermittels der Musik.

Ihre Quintessenz ist Kommunikation als Form des Teilens – Teilhabe am Leben der Anderen genießen, eigene Erfahrungen weitergeben können – ein sehr simpler, aber zutiefst menschenfreundlicher Gedanke. Damit gelingt Marling die Manifestation als echte Folkgröße, die unabhängig von Trends und Hits ihren eigenen musikalischen Weg gefunden hat. Ehrliche 12 Tracks für Freunde des Genres, die die Gelassenheit einer reifen 23-Jährigen und gefühlt 40-Jährigen ausstrahlen, aber nicht an die Intensität der ersten beiden Alben anknüpfen können.

Laura Marling: Once I Was an Eagle. Ribbon Records. Zur Homepage, zur Facebookseite, zu Soundcloud.

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