Neue Platten von und mit TV On The Radio, Der Mann und The Dø, gehört von Tina Manske.
TV On The Radio: Seeds
Sie können einfach nicht anders: Was TV On The Radio anfassen, muss anscheinend zu Gold werden. Dabei haben sie ein wirklich hartes Jahr hinter sich: Nach dem Tod des Bassisten Gerard Smith mussten sie sich tatsächlich – wie es oft von anderen behauptet wird – neu finden. Mittlerweile sprechen sie von „Seeds“ als vom Besten, das sie jemals gemacht haben. Darüber kann man geteilter Meinung sein – schließlich ist die Geschichte dieser Band gespickt mit Meisterwerken, Grammy-gekrönt– aber eines muss man TVOTR lassen: zwar ist Souveränität ihr zweiter Vorname, trotzdem werden sie niemals vorhersehbar. Nach all dem, was sie durchgemacht haben (bis zur beinahigen Bandauflösung) klingt „Seeds“ geradezu optimistisch und heiter. Ja, Songs wie „Happy Idiot“ oder das ruppige „Winter“ sind geradezu witzig. Musikalisch ist zwischen Elektronica, Postpunk, Noisepop und Avantgarde wieder alles dabei, was das Indieherz begehrt. „Ride“ zeigt das ganze Können, was die Arrangements angeht, ohne dafür auf Sexappeal zu verzichten. Und wer am DJ-Pult steht und nicht „Happy Idiot“ zum Zentrum seines Sets macht, der muss dafür schon sehr gute Gründe haben.
TV On The Radio: Seeds. Universal.
Der Mann: Wir sind der Mann
Apropos Humor: Der Mann haben auch einen Clown gefrühstückt. Der Mann, das ist die Berliner Band Die Türen, die sich auf dem Cover ihres Albums „Wir sind der Mann“ als Melange aus den drei Gesichtern von Maurice Summen, Ramin Bijan und Gunther Osburg zeigt. Wann ist ein Mann ein Mann? Keine Ahnung, aber so in etwa sieht der Durchschnittstyp von heute wohl aus. „Menschen machen Fehler“ zitiert in der Musik ein wenig den Bowie von „Heroes“ und kehrt textlich doch alles um: „Das Leben ist ein Irrtum, und ich sollte gar nicht hier sein“. Doch nicht nur individuelle Befindlichkeiten werden auf diesem beachtlichen Album ausgelotet, auch gesamtgesellschaftliche. So skandieren Der Mann bei „Alles keine Arbeit“ zu einem strammen Beat über das Prekariat von heute: „Der Lars legt meterweise Fliesen… der Helge schraubt die Lampe an die Wand… Marcel präpariert eine Leiche… Michael spielt Klavier am Theater“, um dann im Refrain zu behaupten: „Ist alles keine Arbeit, es muss nur gemacht werden.“ Sprach ich von Humor? Durchaus, doch eigentlich sind Der Mann sensibel und melancholisch, wie der überaus in den November passende Song „Nur für dich allein“ zeigt. Die Chance auf Kontaktnahme ist immer nur eine scheinbare, am Ende sind wir alle einsame Wesen. Egal ob Schlager oder Pop – Pflichtplatte. Oder um es mit Der Mann zu sagen: „Die Sache spricht für sich.“
Der Mann: Wir sind der Mann. Staatsakt (Indigo).
The Dø : Shake Shook Shaken
Das Pop-Album des Herbstes kommt aus Frankreich. Doch wer jetzt an Chansons und Savois-vivre denkt, der liegt komplett falsch. Ich sagte ja schon: „Shake Shook Shaken“ von The Dø ist P-O-P in Großbuchstaben. Schon auf ihren beiden ersten Alben schrammte die Band gerne nur knapp am großen Hit vorbei und wusste sehr wohl mit perfekten Arrangements zu überzeugen. Und nun? Bereits mit den ersten Takten des Openers „Keep Your Lips Sealed“ ist alles klar: fette Drumbeats, eine Stimme, die sich aus dem fernsten Orkus sich direkt an unser Ohr heranpellt, und drei Akkorde, für die Ewigkeit. Kalte Leidenschaft, wenn es das gibt, sehr kalt und sehr leidenschaftlich. So, meine Lieben, baut man einen Refrain, den man nicht mehr vergisst. Und so geht es grade weiter, und nicht nur die Musik ist auf der Höhe. „We are sentimental animals/ we are undercover criminals“ heißt es im schönen Neo-Noir-Hit „Trustful Hands“, bevor „Miracles (Back In Time)“ wieder mitten in den Popleib trifft. Und je länger man dem Album lauscht, desto öfter fragt man sich: wie machen dir das nur? Aus vordergründig so durchsichtigen Songstrukturen so dichte, repetitive Stücke zu weben, und das am laufenden Band? Großartig.
http://www.canalplus.fr/c-divertissement/c-musique/pid5065-live-du-grand-journal.html?vid=1141021
The Dø : Shake Shook Shaken. Embassy Of Music (Warner).