Geschrieben am 5. Januar 2011 von für Musikmag

Blitzbeats

Novemberplatten im Januar – weil man vom melancholischen Herbst ja nie genug haben kann! Tina Manske und Thomas Wörtche haben sich Alben von Mayra Andrade, Tim Knol, Console und dem Dale Cooper Quartet & The Dictaphones angehört.

Mayra Andrade: Studio 105Delikat

Das erste Live-Album der kapverdischen Samtstimme Mayra Andrade (das man auf der DVD des Digi-Paks auch anschauen kann), nach dem Einspielungsort, dem Studio 105 in Paris, so benannt, heischt irgendwie nach dem Prädikat “delikat”. Risikolos zusammengestellt ist das Repertoire, das Andrade-Fans zumindest gut kennen – eben ihre Standards. Feinsinnig verwoben sind Stimme, Gitarre (Munir Hossn), Percussion (Zé Luis Nascimento) und Bass (Rafael Paseiro), sensibel vermischen sich Jazz, Fado, Samba, traditionelle kapverdische Musik, ein wenig Gnawa, ein wenig Reggae. Subtil hingetupft sind Klangfarben und -schattierungen, zart nuanciert die Rhythmen und ein klein wenig passend pathetisch Andrades Gesang. Kurz: Delikat – oder mit anderen Worten sehr kultiviert, gar gepflegt, auf hohem Niveau, ein klein wenig prätentiös und dadurch dann halt doch ein bisserl langweilig. Das merkt man daran, dass man sich nur einen Titel richtig merken kann – und ausgerechnet der gehört nicht zum erprobten Songbook von Andrade, sondern ist richtig alt: „Michelle“ von den Beatles… Da spitzt man dann doch kurz vorm Einnicken die Ohren. Originell. (TW)

Mayra Andrade: Studio 105. Sony Music.

Tim Knol: ditoSanft

Hilfe, ein dicklicher Singer/Songwriter mit Frisur, wie ’süß‘! Aber keine Angst: Tim Knol, der mit seinen Anfang zwanzig aussieht wie fünfzehn, ist akustisch ganz anders, gar nicht schmalzig und gar nicht mediengeil. Bereits im November des letzten Jahres erschien hierzulande relativ unbemerkt das Debütalbum des sanften Sängers, der seinen Idolen von Neil Young bis Wilco recht eindeutig nacheifert, ohne dabei zum Epigonen zu werden. Sein Konzert im Paradiso war ausverkauft, noch bevor die Platte in den Läden stand, und in diesem Fall kann man das den Promotern ruhig mal glauben. Tim Knols Musik, diese Mischung aus Rootsrock und Country, ist eine, die man gern dem besten Freund ans Herz legt, weil sie so gar nichts neu erfindet, aber im Songwriting beindruckende Fähigkeiten beweist. Man höre dazu mal in „When I Got Here“ rein, oder auch in die Single „Sam“. Wie sagt man so schön: a guy to watch out for. (TM)

Tim Knol: dito. Excelsior Recordings (H’art).
www.timknol.nl

Console: HerselfMinimal

Irgendwann, es muss im unglaublich weit entfernten Jahr 2002 gewesen sein, stand ich mal bei einer Aftershow-Party neben Martin Gretschmann am Buffet. Das erfüllte mich mit solcher Freude, dass ich’s niemals vergessen werde. Dies nur zur Illustration meiner Ergebenheit für diesen genialen Elektrosoundingenieur, der seine größten Brötchen bei The Notwist verdient und mittlerweile unter anderem die Wii-Konsole ihrer wahren Bestimmung zuführt, indem er bei Liveshows die Musik mit ihr steuert. Er hat einfach immer wieder gute Ideen, sehr groß daher die Freude, als endlich mal wieder ein Console-Album ins Haus flatterte. Gleich der Opener „She Saw“ zeigt Gretschmanns unfehlbares Händchen, aus Geflirre, Gefrickel und Gezutzel sowie einem unironisch zitierten Bossa Nova ein kleines intensives Minimalmeisterwerk zu basteln. Darauf folgt mit „A Homeless Ghost“ der gar nicht heimliche Hit von „Herself“, nicht zuletzt der Stimme von Miriam Osterrieder gedankt, die auch beim wiederum aufs Notwendigste reduzierten „Cutting Time“ verfremdet im Hintergrund wirken darf. Und bei „Leaving A Century“ zeigt Gretschmann, dass er auch von den großen Krautkünstlern gelernt hat. „Bit for bit we’re all alone“ („Bit For Bit“) – nicht mit diesem trotz seiner kühlen Sounds äußerst wärmenden Album. Sehr erfreulich alles. (TM)

Console: Herself. Disko B (Indigo).

Dale Cooper Quartet: Parole de NavarresLentissimo

Wenn man nicht weiß, wie man einen Sound beschreiben soll, der sich so gaaanz laaangsam ins Gehirn wabert, dann spricht man am besten davon, dass man damit wunderbar einen David-Lynch-Film vertonen kann, und schon weiß jeder Bescheid. Das klappt auch beim Dale Cooper Quartet & The Dictaphones – was auch nicht überrascht, da der Officer aus „Twin Peaks“ sich ebenfalls Dale Cooper nannte. Mit „Parole de Navarre“ ist der Band ein schön darkes Kleinod gelungen, das sicher nicht die große Masse anspricht, dafür aber echte Slowcore-Fans überzeugen dürfte. Mit einer Mischung aus akustischen und elektronischen Elementen kreiert das Quartet mithilfe der Stimme von Zalie Bellacicco eine Stimmung wie kurz nach der Apokalypse. „Parole de Navarre“ ist eine Platte für den spätnächtlichen Hörer. Fans von Bohren und der Club of Gore wissen, was zu tun ist. (TM)

Dale Cooper Quartet & The Dictaphones: Parole de Navarre. Denovali Records (Cargo).
www.myspace.com/dalecooperquartet

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