Festivalbericht vom Mississippi (Teil 4)
Von Rolf Barkowski
Hier geht es zu Teil 3, Teil 2 und Teil 1.
Nach der Empfehlung für den Montag für den Reisenden auf dem 61 Highway hier nun der Vorschlag für den Dienstag.
So wie der Montag für den Reisenden im Delta der Tag für einen Besuch in Jackson beim `Blue Monday` ist – der Dienstag ist der Tag für `Tuesday Night Live Blues` at L.D.’s Kitchen in Vicksburg, Mississippi. Also am Dienstag auf nach Vicksburg. Von Jackson ca. 65km westlich eine gute Stunde auf dem Interstate 20; für amerikanische Verhältnisse keine wirkliche Strecke.
Wer an der Geschichte des amerikanischen Bürgerkrieges und dabei an der Bedeutung Rolle von Vicksburg (Die Schlacht von Vicksburg) interessiert ist, findet hier reichlich Gelegenheit historische Orte zu besuchen (Vicksburg National Military Park etc.). Nicht mein Ding.
Mein erstes Ziel ist immer die Abfahrt Washington Street (vom Interstate 20) und der Besuch des Mississippi Welcome Centers. Neben kostenlosen Karten, Infomaterial jeder Art und einem Kaffe gibt es von hier den herrlichen Blick auf die zwei wunderschönen Brücken über den gewaltigen Mississippi. Und ein zweiter Besuch zum Sonnenuntergang lohnt erst recht!
Die Sonne geht unter.
Von hier geht es weiter auf der Washington bzw. dem Highway 61 Business direkt in den historischen Kern von Vicksburg.
Beim Schlendern durch Downtown bzw.Old Town gibt eine Menge zu entdecken: vom kleinen Biedenheim Coca-Cola Museum (erste Abfüllung von Cola in Flaschen), die Riverfront Murals bis zu den Galerien H C Porter Gallery und der Attic Gallery – um nur einige zu nennen.
Vicksburg berühmtester Sohn ist Willie Dixon, der 1915 hier geboren wurde.
Willie Dixon dargestellt auf einem der Riverfront Murals.
Wenig Mühe haben sich die Stadtväter allerdings mit dem `Willie Dixon Way` gemacht. Ein kleines langweiliges Stück Straße, ohne jeden Bezug zu Willie Dixon. Das Haus, in dem Dixon geboren wurde liegt in einem anderen Stadtteil.
Die Attic Gallery ist immer einen Besuch wert. 1971 eröffnet, ist sie Mississippis älteste besitzergeführte Galerie.
Lesley Silver zeigt hier eine große Menge typischer Künstler des amerikanischen Südens.
Für unsere Augen vielleicht etwas zu bunte und oft auf den ersten Blick zu naive, aber extrem ausdrucksstark Werke. Ellen Langford, Elayne Goodman, Kennith Humphrey, Jame Tate – diese Namen nur als ein kleiner Ausschnitt aus dem Portfolio.
Und downtown finden wir auch den eigentlichen Grund unseres Dienstagsaufenthaltes in Vicksburg:
L.D.’s Kitchen (1111 Mulberry St.)
Aufgepaßt! Der Dresscode bei L.D.’s: Keine Waffen – klar, die Mütze richtig herum und `No Sagging Pants`.
Ab etwa 9.p.m. geht es hier los. Im 14tägigen Wechsel spielen hier Lady L. & The River City Band (Lady L. Dixon vocals, Lonne‘ George guitar, Rick Lewis drums und Nellie Mack, bass) und die `Blue Monday Band`, die wir schon aus Jackson kennen.
Hinzu kommen Dennis Fountain, vocals und der Ehemann von „Lady L.“, G.C.Cameron. Cameron war in den 70er Jahren als Leadsänger Mitglied bei den Spinners und den Temptations. Und so kann es nicht verwundern, wenn nachts um 1.00 Uhr eine eigentlich nicht endende, aber wenigstens 15minütige Version von `Papa Was A Rolling Stone` von der Bühne schallt.
Nicht ganz der blütenreine Blues? Stimmt schon. Der Anteil von Soul und Funk ist an manchen Dienstagabenden schon mal höher als in Jackson. Puristen und Dogmatiker können also die Nase rümpfen. Wer aber einmal die Stimmung bei L.D.’s, die Begeisterung und Dynamik der Musiker erlebt hat, wird diesen Abend nicht so schnell vergessen. Schon gar nicht, wenn er zum Beispiel plötzlich Teil der `Happy 55th Birthday Doris` Party ist – wobei Doris von einer 40köpfigen weiblichen `Birthday Crew` begleitet wird.
Bei L.D.’s trifft sich die schwarze Community. Hier wird gefeiert, getrunken, getanzt und gesungen. Mal laut, mal falsch, aber immer friedlich.
Lohnt sich.