Schöner Grusel
Und noch einer, von dem man seit vier Jahren, seit seinem gloriosen Album „Lux“, nichts mehr gehört hatte: Neues von Brian Eno birgt ja eigentlich immer Freude und Überraschungen. So auch dieses Mal. Wie kann der Mann bloß so tief sinken, äh singen! Schöner Nebeneffekt des Alters, die Stimme wird tiefer, und so brummt Eno zu Beginn in schönstem Bass vor sich hin. Überhaupt stellt er eine Menge an mit seiner Stimme auf dieser Platte, seiner Software sei Dank.
„The Ship“ ist in zwei Teile gesplittet. Auf dem gleichnamigen Albumopener herrschen bedrohliche elektronische Störgeräusche vor, der Sound eines Echolots, Stimmenfetzen im Hintergrund, während Eno selbst einen mantraartigen Tiefgesang hören lässt. Inspiriert ist dieses Horrorszenario natürlich von DEM Schiff überhaupt, der Titanic und ihrem Untergang. Das entbehrt nicht eines gewissen Grusels, aber es kommt noch schlimmer.
Das dreiteilige „Fickle Sun“ beschäftigt sich mit dem Ersten Weltkrieg. Eno macht daraus so etwas wie eine rückwärts gewandte Dystopie, doch wie jede Beschäftigung mit der menschlichen Historie, so erzählt uns auch das Album „The Ship“ etwas über unser heutiges Leben. Von den Flüchtlingsschiffen etwa, über denen ebenfalls die Wellen zusammenschlagen, und über das Boot, in dem wir alle gemeinsam dem Abgrund entgegensteuern.
Das Album wird beschlossen von einer traumhaft schönen Version des Velvet-Underground-Titels „I’m Set Free“. Ein versöhnlicher Schluss, nach dem man sich gleich wieder in die Fluten stürzen will.
Tina Manske
Brian Eno: The Ship. Warp (Rough Trade).