Hermetische Popmusik
– Das Label Bureau B wiederveröffentlicht zwei weitere Platten des Elektronikpioniers Conrad Schnitzler aus den 80er-Jahren, und Tina Manske freut sich.
Bureau B bedient weiterhin die überzeugten Elektronik-Avantgarde-Aficionados mit zwei weiteren Re-Releases des Pioniers Conrad Schnitzler. „Consequenz“, 1980 als private Veröffentlichung erschienen, war Schnitzlers erste Zusammenarbeit mit einem anderen Künstler seit den Tagen mit Kluster.
An seine Seite holte er sich Wolfgang Seidel, ehemaliger Schlagzeuger bei Ton Steine Scherben. Die beiden entwickelten auf „Consequenz“ zwölf Stücke, die in ihrer Kürze (das längste ist gerade mal fünfeinhalb Minuten lang) so gar nicht an die ausufernden Kompositionen von Schnitzlers früheren Alben erinnerten. So wurde ihm gar ein Ranwanzen an den Kommerz vorgeworfen, eine aus heutiger Sicht völlig unglaubliche Beschuldigung.
Hört man sich „Consequenz“ an, so mögen die Stücke aufgrund ihrer relativen Kürze und ihrem Verzicht auf allzuviel Repetition allenfalls als sehr hermetische Popmusik gelten. Schnitzler und Seidel verwenden elektronisches Schlagzeug, auch elektronische Gitarren sind zu hören. Wer aber gern in Melodien badet, der ist hier falsch – allenfalls ein kleines melodiöses Motiv wird hier und da angerissen, viel lieber experimentieren die beiden Musiker mit verspielten Synthesizer-Effekten.
1981 folgte „Con 3“ auf dem Sky-Label, und hier kann man schon beinahe eine Hinwendung zur Neuen Deutschen Welle erkennen – allerdings zu einer NDW, die damals erst einem kleinen Schwappen glich. Auch „Con 3“ ist eine Zusammenarbeit mit Wolfgang Seidel, mit dem Unterschied, dass Schnitzler hier zum Text greift, und nicht zu knapp. Er singt seine surrealistischen Zeilen selbst -„there is no water/ in the desert Welt/ take a bottle of Cola/ die gibt‘s nur für Geld“ („Coca“) -, dazu gibt es die schon bekannten repetitiven Soundmuster.
Nicht, dass man irgendeinen dieser Titel in der ‚Hitparade‘ gesehen hätte (obwohl so etwas wie „Nächte in Kreuzberg“ dort sicher für belustigendes Augrenrollen gesorgt hätten), sicher aber war Schnitzler dem kommerziellen Erfolg niemals näher als zu dieser Zeit. Großen Anteil daran hatte auch Peter Baumann, der als Produzent fungierte und die Songs auf den Punkt mischte. Heute wie damals war Berlin der Mittelpunkt der künstlerischen Sehnsucht (wenn auch damals unter anderen Voraussetzungen als jetzt), und so traf z. B. „Komm mit nach Berlin“ ein Lebensgefühl und könnte auch heute noch jede Studentenparty in Prenzlauer Berg verschönern. Kleiner Höhepunkt ist „Wer sind wir denn“ – dessen auf drei Tönen aufgebautes chorgetragenes Reggae-Mantra wirkt auch heute noch reinigend.
Tina Manske
Conrad Schnitzler: Consequenz / Con 3. Beide Bureau B (Indigo). Zur Bureau B-Homepage, inklusive Hörproben.