Geschrieben am 15. Mai 2013 von für Musikmag

Crime & the City Solution: American Twilight

crime-and-the-city-solution-american-twilightNah am Zeitgeist

– „We must not let the doomsayers and the naysayers cause us to lose our faith. Because without love and without hope there can be no future“, intoniert eine Altherrenstimme zu Beginn des Titeltracks „American Twilight“. Dröhnende Gitarren setzen ein. Simon Bonney singt „I’m a get it“ (nicht zu verwechseln mit “Armageddon”, das man vermeint zu hören) „coming for the city fun“. Der weibliche Backgroundchor hat sich den Gesang bei den lustigen Puppen der Muppet Show abgeguckt und trällert „in the city of fun“. Hört man, wie in diesem Fall, ein Werk von Crime & the City Solution, ist das einen Lacher wert. Von Janine Andert

Die 1977 gegründete Band lässt im Zuge der Altersweisheit eine gehörige Portion Humor mit einfließen. Das verleiht den Australiern eine neu gewonnene Leichtigkeit, die von schwelendem Doom direkt in helle, sonnige Gefilde führt. Das ist umso überraschender, als seit 2012 David Eugene Edwards (Wovenhand, 16 Horsepower) festes Bandmitglied ist. Der ist bekanntlich Meister in Sachen tieftrauriger Wehmut.

Diese Kooperation potenziert die Leidenschaft für Geige und dröhnende Beklommenheit zu kongenialen Songstrukturen, die musikalisch keine Grenzen kennen. Bläser halten Einzug genauso wie sakrale Gospels und letztlich amerikanischer Pathos. Offensichtlich ergibt Minus und Minus auch in der Musik ein dickes Plus. Wer hätte das gedacht, als C&tCS in Wem Wenders „Der Himmel über Berlin“ auf der Bühne eines düsteren Kellerclubs den bedrückenden Soundtrack für Einsamkeit und Ausweglosigkeit ablieferten.

Wie keine andere Band schaffen es Mastermind Simon Bonney mit seinem immer wieder wechselndem Line-up die aktuellen Einflüsse seiner Umgebung in die Musik einfließen zu lassen. Aus der Berliner Ära ist Alexander Hacke noch dabei, der gleich seine zweite Ehefrau, die Künstlerin Danielle de Picciotto, mit einbrachte. Diese wiederum zeichnet sich für das Artwork von „American Twilight“ verantwortlich.

Vom Punk und Wave der späten 70er, als C&tCS noch in Australien ansässig waren, über den Londoner Bat-Cave-Sound der 80er hin zum isolierten, kalten Klang der Berliner Jahre und der aktuellen Auseinandersetzung mit dem Untergang des amerikanischen Traums dokumentieren die Alben eine Reise durch Orte und Zeit. Derzeitiger Lebensmittelpunkt ist die Motown-Stadt Detroit. In nur wenigen Städten ist der Niedergang des industriellen Nachkriegswohlstands so deutlich sichtbar. Und Detroit steht hier für ein ganzes wirtschaftliches System.

C&tCS sind immer nah am Zeitgeist, genau genommen nahe an den Zeichen des Verfalls. Folgerichtig, dass in den hedonistischen 90ern keine musikalischen Beiträge kamen, genauso wenig wie in den ersten zehn Jahren des neuen Jahrtausends. So gesehen ist „American Twilight“ ausgesprochen positiv ausgefallen. Das Album quillt vor Hoffnung über. Den negativen Aspekten des Lebens wird der Wunsch nach einem Neubeginn entgegengestellt. „Let me fall domina/You free my heart/Go back, back to the start“ heißt es in „Domina“, dem wohl opulentesten Track des Albums.

Vielleicht haben auch über 20 Jahre Bandpause gut getan. Wenn man einmal vom Best of des letzten Jahres absieht, veröffentlichen C&tCS mit “American Twilight” ihr erstes neues Album seit 1990. Ein Ereignis, auf das eine kleine Fangemeinde vor der Tour 2011 nicht einmal zu hoffen wagte. Die acht Songs tragen den alten Spirit noch in sich und gehen dennoch weit darüber hinaus. Schwelende Tragik trifft auf energetisches Tempo, das ein absolutes Novum darstellt. „American Twilight“ ist ganz klar ein Meisterwerk, das unter die Haut geht.

Janine Andert

Crime & the City Solution: American Twilight. Mute/GOODTOGO. Zur Homepage, zum Facebook Auftritt. Einen kostenlosen Download von „My Love Takes Me There“ gibt es hier.

Tags : ,