Stagnation
– Tot geglaubte leben länger. Nach 14 Jahren melden sich Dead Can Dance mit ihrem achten Studioalbum zurück. Für das fünfte Best-of-Album des australischen Duos braucht es wohl neues Material. Von Janine Andert
Die Musikpresse ist begeistert von „Anastasis“. Das Lokalradio spielt den Opener „Children Of The Sun“ sogar im Tagesprogramm. Aber letztlich setzen Dead Can Dance genau dort an, wo sie 1996 mit „Spiritchaser“ aufgehörten. Das ist grundsätzlich nicht schlecht. Warum sollte eine Band, die seit 1980 revolutionär klassische Klänge des Abendlandes mit dem ganzheitlichen Programm aller vorstellbarer Weltmusik zu etwas wirklich interessanten verband, das Rad neu erfinden? War dieser Clash Of Cultures einst innovativ, lockt das heute nur noch an ihrer Jugend hängende Musikjournalisten hervor. Genau diese Leute werden gleich vom ersten Track des Albums an die Hand genommen. „Children Of The Sun“ ist eine Hommage an den Doors-Klassiker „The End“. Sphärisch dicht kann der Hörer die Dopewolken in Redaktionsbüros und Radiosendern erahnen, in denen der Mitarbeiterstamm kurz vor der Rente steht.
Der nun folgende Reigen zwischen Männer- und Frauengesang – einen Song darf Lisa Gerrard singen, den nächsten Brendan Perry – ist in seiner Vorhersehbarkeit blutleer. Ungefähr so einfallsreich wie der Albumtitel „Anastasis“ (griechisch für „Auferstehung“), der eigentlich im Lexikon für den Namen der ersten Platte nach der Reunion stehen dürfte. Gerrard ist altbekannt in Sachen Fantasiesprache unterwegs, Perry arbeitet sich an philosophischen Fragen ab. Die Laune verblüht wie die Sonnenblumen auf dem Plattencover. Gerrard, die mittlerweile extrem erfolgreich als Filmmusikerin ist und zusammen mit Hans Zimmer den Golden Globe für den Soundtrack von „Gladiator“ erhielt, eilte wahrscheinlich dem weniger erfolgreichen Perry zur Hilfe. Nach der Bandauflösung 1998 folgte bereits 2005 eine unverhoffte Tour und eben drei von vier Best-of-Alben.
Auf „Anastasis“ ist jeder Track ganz doll nett und sicherlich zeitlos gut, aber allein mit dem Potential der Genremischung ließe sich mehr als wohlgefällige Wiederholung bewerkstelligen. Oder ist diese Platte gar ein Zeichen der Zeit? Nach Retromania und anhaltender Reunionwelle nun die Rückbesinnung auf den alten Wertekanon? Musik als Manifestation der Ewigkeit – 4.000 Jahre Musikgeschichte verbunden mit heimelicher Atmosphäre und Diversity-Gedanken. Das ist doch Stagnation und erdrückend. Oder um es in den Worten meiner Oma zu formulieren: „Können wir etwas anderes hören? Ich schlafe ein.“
Janine Andert
Dead Can Dance: Anastasis, PIAS/Rough Trade. VÖ: 10.08.2012. Zur Homepage, zur Facebookseite.