Geschrieben am 9. Juni 2005 von für Musikmag

Gebhard Ullmann: Essencia

Sinnlich und kommunikativ

Ullmann zaubert satte, wollüstige Sounds mit Tenor- und Sopransax und Bassklarinette, widmet sich zutiefst emphatisch schönen Melodielinien in den verschiedensten Idiomen.

Gibt es so etwas wie musikalische Faulheit? Also die Faulheit, die Ohren aufzumachen und zu hören? Vermutlich, denn anders könnten die Dauerdenunziationen von free music, improvisierter Musik, free jazz oder wie auch immer die Labels heißen, als unhörbar, unsinnlich, verkopft, egoman, unkommunikativ und so weiter und so fort nicht greifen. Dadurch entsteht Verlust. Zum Beispiel der Verlust, „Essencia“, eine Trio-Produktion des Holzbläsers und Komponisten Gebhard Ullmann, eingespielt schon 2001, neu aufgelegt jetzt, nicht gehört zu haben. Mit Carlos Bica am Bass und Jens Thomas am Piano zaubert Ullmann satte, wollüstige Sounds mit Tenor- und Sopransax und Bassklarinette, widmet sich zutiefst emphatisch schönen Melodielinien in den verschiedensten Idiomen – von Gospel bis Samba -, spielt mit Zeit und Sound, mit Strukturen und Klangfarben, mit Dynamiken und instrumentalen Möglichkeiten.

Und die Musik ist spannend. Ullmann & Co. vermeiden sehr erfolgreich Klischees und Algorithmen. Besonders erfolgreich da, wo das Idiom free jazz heißt und das Anti-Klischee oft das neue Klischee ergibt. Diese Falle umgehen die drei Musiker unangestrengt und souverän. Dadurch erzielen sie auch eine sehr angenehme Art der Kommunikation mit dem Hörer, der nicht auf Biegen und Brechen „aufgeschlossen“ sein muss, sondern sich auch, zumindest passagenweise, einem unkonventionellen Wohlklang hingeben kann – und vor allem auch darf.

Musik kann sehr abenteuerlich sein. Immer noch und immer wieder.

Thomas Wörtche

Gebhard Ullmann: Essencia. Between The Lines, BTLCHR 71212.