Geschrieben am 21. November 2012 von für Musikmag, Porträts / Interviews

Interview mit dem Missy Magazine

Popfeminismus ist überall möglich

– Das Missy Magazine will feministische Kritik an Popkultur und Politik in die Öffentlichkeit tragen und für Diskussionen sorgen. In dieser Woche startet die Abo-Kampagne „Miss no Missy“. Vom 19. bis 29. November begibt sich die Redaktion auf Deutschland-Tour. In Berlin wird sie dabei von Peaches und Jolly Goods unterstützt. Anlässlich der Kampagne beantwortete Stefanie Lohaus, eine der Macherinnen des Magazins, Tina Manske einige Fragen per E-Mail.

Wie begann eure Zusammenarbeit? Welche Motive führten zur Gründung des Missy Magazines?

Chris [Köver] und ich sind schon seit Uni-Zeiten befreundet. Anfang 2008 zeigte sie mir das US-amerikanische Bust Magazine, eine Frauenzeitschrift im Eigenverlag, von der ich sehr begeistert war: Eine feministische Frauenzeitschrift mit Schwerpunkt Kultur, die gleichzeitig jung ist, unterhält und informiert. Bei der die Leserin nach der Lektüre nicht frustriert ins Fitnessstudio rennt und eine Diät beginnt, sondern eine Band gründet oder Fallschirmspringen geht … ein solches Heft fehlte hierzulande, deswegen wollten wir etwas ähnliches aufziehen. Einen Tag später kontaktierten wir Sonja, die wir als kritische Musikjournalistin bereits schätzten. Sonja war sofort begeistert, und wir begannen gemeinsam, das Konzept zu entwickeln …

Man stellt sich immer vor, dass euch hauptsächlich junge, heterosexuelle Frauen lesen, also eigentlich die klassische Frauenmagazinklientel, nur dass sie auf andere Musik stehen als der Mainstream… Oder wie sieht eure Leserstruktur aus?

Wie kommst du darauf, dass ausgerechnet der Musikgeschmack der entscheidende Faktor ist? [Wahrscheinlich eine déformation professionelle ; TM] Das Heft ist ja thematisch schon auch viel breiter aufgestellt … Eine Leserinnenumfrage hat folgendes ergeben: 90 % unserer Leserinnen sind Frauen und zwischen 20 und 39 Jahre alt. Die meisten sind aber tatsächlich auch sehr an Musik interessiert. Das halte ich aber für weniger entscheidend als die Tatsache, dass sie sich mit Feminismus identifizieren: 76 % bezeichnen sich vollkommen als Feministin und 20 % „ein bisschen“. Und was die Heterosexualität betrifft: Die überwältigende Mehrzahl unserer Leserinnen, 65 %, will sich den Kategorien „Homo“ oder „Hetero“ gar nicht eindeutig zuordnen lassen…

Wie ist die Reaktion von Männern?

Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Wir bekommen oft Rückmeldung von Männern, die uns toll finden und zum Beispiel ihrer Freundin ein Missy-Abo zum Geburtstag kaufen. Wirklich negative Reaktionen bekommen wir selten zu spüren.

Wie stehen junge Feministinnen wie ihr zu Alice Schwarzer?

Auch hierzu ist es schwer, eine pauschale Aussage zu machen. Außer vielleicht, das meine Erfahrung gezeigt hat, dass Frauen jeder Generation unterschiedlich zu Frau Schwarzer stehen. Und das sie sehr polarisiert. Manche finden sie ganz toll, andere finden sie ganz furchtbar. Das hat weniger mit dem Alter zu tun, und viel mehr mit der politischen Haltung der Einzelnen oder auch mit Erfahrungen, die Frauen mit ihr oder der Emma gemacht haben.

PeachesWie kam es zur Zusammenarbeit mit Peaches und Jolly Goods für die Veranstaltung in Berlin?

Missy gibt es seit vier Jahren, und wir stemmen diesen echt anspruchsvollen Job fast ehrenamtlich. Die Gefahr bei dieser Form von Selbstausbeutung ist, dass ein Projekt über kurz oder lang eingeht, weil bei allen die Luft raus ist. Deswegen haben wir eine große Offensive gestartet, um klar zu machen, dass das Heft nur mit Unterstützung der Leserinnen existieren kann. Denn nur über Anzeigen sind wir nicht finanzierbar. Als Auftakt dieser Kampagne spielen Peaches und die Jolly Goods. Wir kennen Peaches aus verschiedenen Zusammenhängen, sie war ja auch mal auf unserem Cover und haben sie gefragt, ob sie uns unterstützt, in dem sie für uns ein Support-Konzert spielt. Und sie hat JA gesagt. Bei den Jolly Goods war es ähnlich.

Was sind eure weiteren Pläne?

Ab dem 19.11. geht Missy auf Tour durch Deutschland. (Die Tourdaten findet ihr hier). Die Idee dazu hatten wir, weil wir unabsichtlich einen starken Berlin-Fokus haben. Einfach, weil wir hier leben. Deswegen fahren wir durch Deutschland, um zu zeigen, dass Popfeminismus überall möglich ist. Außerdem haben wir gerade unsere Webseite neu gestaltet, die war ja jahrelang ein ganz einfaches Blog. Deswegen wird in Zukunft auch online immer mehr passieren. Und im Geheimen feilen wir natürlich weiter daran, die Weltherrschaft zu übernehmen …

Was meint ihr  – wann wird ein feministisches Magazin wie Eures endlich überflüssig?

Naja, ich fürchte, der gesellschaftlicher Wandel in Richtung Gleichberechtigung ist eine eher zähe Angelegenheit. Das zeigt sich momentan ja auch mal wieder an so Diskussionen wie die um die Quote für Frauen in leitenden Positionen. Allein, dass wir so ein Instrument brauchen, macht deutlich, wieviel noch im Argen liegt. Da werden jahrzehntelang  jegliche Forderung abgewehrt, und immer wieder behauptet, das Problem würde sich von alleine lösen. Wie bei vielen anderen von denen Frauen betroffen sind, wie z. B. Essstörungen oder die unbezahlte Hausarbeit. Von daher befürchte ich, dass wir noch eine Weile weitermachen müssen.

Tina Manske

Missy Magazine auf Tour:

21.11. Gießen: 19 Uhr, Queere Ringvorlesung Uni Gießen, Vortrag
„Geschichte feministischer Medien – von Courage bis Gazelle“
22.11. Würzburg: FemFest Würzburg, Diskussion „Brauchen wir den Feminismus?“
23.11. Frankfurt: 16 Uhr, Workshop Medienproduktion beim Fanzine
Sztutenbisz 19 Uhr, KUSS41, Poetry Slam
24.11. Ladyfest Darmstadt: „100 Seiten Popfeminismus – Das Missy
Magazine als Dritte Welle Praxis“
25.11. Köln: 19 Uhr, Baustelle Kalk, Lesung „Lieblingsstreberinnen und Nerds“
26.11. Münster: Seminar „Sexualität und Pop“ mit Moritz Basler und
Frieda Berg von Radio Q, an der WWU Münster
27.11. Wismar: tba, Antigewaltwochen
28.11. Kiel: Uni Kiel, nachmittags auf dem Campus und ab 19 Ihr
Podiumsdiskussion „Das F-Wort: Brauchen wir den Feminismus?“
29.11. Hamburg: Zu Gast an der Fakultät Wirtschaft und Soziales der HAW
29.11. Berlin: 20 Uhr, Festsaal Kreuzberg, Support-Party mit Peaches,
Jolly Goods, DJanes

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