Milch kaufen mit Robert Redford
– Anfang der 90er-Jahre kehrte der Singer-Songwriter, Film-Komponist und Musik-Produzent Jono Manson dem Melting Pot New York City den Rücken und zog nach Santa Fé/New Mexiko. Ronald Klein hat sich mit ihm über sein Leben dort und seine Reisen in andere Gefilde unterhalten.
Zahlreiche deiner Alben sind in Deutschland nur als Import erhältlich. Hier sind Deine Songs eher durch Beiträge zu Soundtracks wie „Kingpin“ (1996) oder „Postman“ (1997) bekannt. Wie kam es denn dazu, dass Kevin Costner Dich auch im Film besetzte?
1993 drehte er in New Mexico „Wyatt Earp“. Zu der Zeit kam er oft zu meinen Konzerten in Santa Fé und Umgebung. Irgendwann entwickelte sich daraus eine Freundschaft, er ist sehr geerdet. Und schließlich fragte er mich, ob ich ihm Musik für seinen neuen Film [„Postman“; die Red.] schreiben könnte. Ich bin auch mit einer kleinen Rolle im Film vertreten .
Santa Fé scheint sich ohnehin zu einem Örtchen entwickelt zu haben mit einer großen Zahl an VIP-Nachbarn. Gary Farmer lebt dort genauso wie auch Robert Redford.
Ach, und etliche mehr. Aber das ist schon länger so. Es ist ein hübsches Fleckchen Erde, sehr friedlich. Es macht hier keiner einen Aufriss, wenn Redford in den Supermarkt geht, um Milch zu kaufen. So können selbst Hollywood-Stars hier ein normales Leben fernab vom Roten-Teppich-Glamour führen.
Dich hat es vor 20 Jahren aus New York City nach Santa Fé verschlagen. Warum hast Du die Metropole verlassen?
Das hatte weniger berufliche als private Gründe. Ich wollte einfach mein Leben verändern. Da war es für mich wichtig, einen Ort zu finden, von dem ich als Künstler aus operieren konnte und gleichzeitig etwas mehr Ruhe finde. Da fragte mich meine damalige Freundin, ob ich mir vorstellen könnte, ihr nach Sante Fé zu folgen, wo sie studieren wollte. Ich kannte die Ecke überhaupt nicht, insofern war es wirklich ein großer Vertrauensbeweis. Aber nach kurzer Zeit fühlte ich mich dort zu Hause. Ich konnte in Sante Fé mit Kollegen kollaborieren, aber auch den Ort als Homebase nutzen, um Touren in den Staaten oder Europa durchzuführen. Es ist hier alles sehr ungezwungen. Wie gesagt, auch Kevin Costner lernte ich so kennen, dass er einfach in einen Pub kam, in dem ich spielte, zuhörte und wir uns anschließend unterhielten.
Trotzdem muss auch die Live-Szene der 80er-Jahre in New York etwas Besonderes gewesen sein?
Ja, aber sie veränderte sich doch sehr gen Ende der Dekade, so wie auch New York insgesamt. Ich glaube, dass ohnehin Ebbe und Flut Teil einer lokalen Szene darstellen. Und zu Beginn der 90er deutete sich die Ebbe definitiv an. Davor war es eine unglaublich lebendige Stadt mit einem enthusiastischen Publikum, das viel ausging und sich Konzerte anhörte. Es gab eine Zeit, da habe ich mehr als 365 Konzerte im Jahr gespielt, ohne die Stadt überhaupt zu verlassen. Es gab keinen Mangel an Auftrittsmöglichkeiten, und die Gigs wurden auch gut bezahlt. Es gab kein dummes Konkurrenzdenken, im Gegenteil, die Musiker waren an dem interessiert, was die anderen machten. Viele Freundschaften sind in der Zeit entstanden und halten bis heute. Erst letztes Jahr habe ich John Poppers Solo-Album produziert, den ich 1988 kennenlernte, als er für meine damalige Band mit den Blues Travelers den Abend eröffnete.
Von Santa Fé ging es dann aber für einige Jahre nach Italien…
Das Musik-Business ist merkwürdig, aber eben auch bezaubernd, weil Du nie weißt, wo es Dich hintreibt. Mitte der 90er begann ein italienisches Label, Platten herauszubringen. Die arbeiteten den Backkatalog ab, sodass irgendwann fast zehn Alben dort erhältlich waren. Plötzlich hatte ich dort eine merkliche Fanbase, was das Touren immer sehr angenehm machte. Außerdem begann ich mit italienischen Musikern zusammenzuarbeiten. Das hält übrigens bis heute an. 2003 beschloss ich, den Schritt zu wagen und meine Zelte in den Staaten abzubrechen. Ich zog in ein kleines Küstchenstädtchen in Ligurien, baute dort ein Studio auf und lebte sehr entspannt. Vielleicht ein bisschen zu entspannt. Die USA sind gegen den Teil Europas ein hektisches Bienennest. Nach drei Jahren wurde es Zeit, sich dem wieder auszusetzen.
War es ein Kulturschock zurückzukehren?
Naja, ja und nein. Logischerweise besitzt jede Kultur ihre Vor- und Nachteile. Das können bisweilen ganz profane Dinge sein. In den USA ist es zum Beispiel ein Ding der Unmöglichkeit, eine Flasche bezahlbaren, aber guten Rotwein zu finden, dafür schließen die Geschäfte nicht jeden Nachmittag für ein paar Stunden.
Du bist kürzlich aus Pakistan zurückgekehrt. Welches Projekt zog Dich in den Mittleren Osten?
Bereits seit einem guten Jahr arbeite ich mit der pakistanischen Folk-Rock-Band „The Sketches“ aus Jamshoro, dem Südosten des Landes zusammen. Ich bin Ko-Produzent ihres neuen Albums. Bis dato arbeiteten wir über die riesige Distanz, indem wir Dateien über das Internet hin und her schickten. Das ist heutzutage gar nicht so ungewöhnlich, viele Alben entstehen so. Was mich aber an der Arbeit besonders reizt, dass wir klangtechnisch Elemente aus dem Mittleren Osten mit westlichen Sounds verschmelzen. Saif Samejo, der Leadsänger, lud mich schließlich ein, die Band kennenzulernen und Face-to-Face weiterzuarbeiten. Neben der Beendigung der Aufnahmen am Album wollten wir auch einen Videoclip zu „Khahori“ drehen. Das ist ein zweisprachiger Song, der auf der Dichtung des Sufi Poeten Shah Abdul Lattif Bhittai (1689-1752) basiert.
Aber es gab doch auch Filmaufnahmen für eine Dokumentation?
Stimmt. Wir fuhren quer durchs Land, um pakistanische Musiker zu treffen, die mit traditionellen Kompositionen und Arrangements arbeiten. Ein Trip führte uns in die Thar-Wüste zu Musikern, bei denen wir ein paar Tage blieben. Wir schliefen unter freiem Himmel, den Blick zu den Sternen gewendet.
Wie entstand denn der Kontakt zu den „Sketches“? Hinsichtlich Popmusik gilt ja Pakistan hierzulande als weißer Fleck.
Saif Samejo schrieb mich auf Facebook an. Er mochte meine Filmmusik, besonders den Song „Almost Home“ (1997) und schickte mir seine Musik, die ich auf Anhieb mochte.
Wie liefen die Reisevorbereitungen?
Das schwierigste war definitiv das Visum zu erhalten. Ich musste detailliert erklären, warum ich nach Pakistan reise, woher ich die Musiker kenne und was exakt geplant ist. Dann musste ich warten. Schließlich gab es das Okay und ich machte mich auf einen 30-stündigen Weg, der von Santa Fé über Dallas, London, Dubai schließlich nach Karachi führte, wo ich in den Morgenstunden des 12. September landete. Ich war also am berüchtigten 11. September ausschließlich im Flugzeug.
Assoziieren denn die meisten Amerikaner Pakistan noch immer als Hort des Fundamentalismus?
Ich vermag nicht für die „meisten“ zu sprechen. Jedoch ist es leider so, dass die wenigsten die Bilder hinterfragen, die die Medien hier kreieren. Dabei ist völlig klar, dass auch in Pakistan die Menschen einfach nur in Frieden leben wollen. Nichtsdestotrotz erklärten mich einige Freunde für verrückt als ihnen erzählte, dass ich für eine Weile dorthin reise. Unangenehmerweise war ich genau zu der Zeit dort, als die Proteste gegen das „Innocence of Muslims“-Video losgingen. Die Stimmung kippte. Das machte meine Gastgeber nervös, und ich staunte, dass wir mit halbautomatischen Waffen unterwegs waren. Schließlich wurde ich irgendwo JWD vom Geheimdienst aufgespürt und verhört. Unangenehm. Das Ganze war schon ein ziemlicher Abenteuertrip.
Zurück in Santa Fé beginnt die Arbeit an einer neuen Platte?
Genau. In letzter Zeit habe ich wirklich viel als Produzent und Filmkomponist gearbeitet, da hat sich einiges angesammelt. Die Aufnahmen beginnen Anfang des nächsten Jahres, sodass ich anschließend auf eine ausgedehnte Tour gehen kann.
Die Dich auch nach Europa führt?
Nach Italien auf jeden Fall, aber wer weiß – vielleicht gebe ich endlich mein Deutschland-Debüt?
Interview/Übersetzung: Ronald Klein
Zur Homepage von Jono Manson.