Geschrieben am 1. August 2012 von für Musikmag

Interview mit Pillskills

Harder, Better, Faster, Stronger

– Bereits seit Mitte der 90er-Jahre veröffentlicht das Friedrichshainer Trio Pilskills außerhalb der medialen Öffentlichkeit Platten und Mixtapes. Statt dicker Hose steht die Performance der MCs Dehfone und Bagman sowie DJ Ossi Oskar für Oldschool-Rap, das heißt für eine Hip-Hop-Kultur, wie sie ursprünglich in New York praktiziert wurde: Die Songs erzählen Geschichten, die Live-Auftritte stehen für Party und Entertainment.

Auch das neue Album „Die Betrachtung des Dahinvegetierens“, das Mitte Juni als Doppel-Vinyl bei HHV erschien, setzt die Tradition fort. „Broiler“ oder „Schlägerei in Cottbus“ beschreiben Verdrängung der ursprünglichen Bevölkerungsgruppen und hinterfragen, wie hip der Kiez tatsächlich ist. Die Friedrichshainer vermeiden dabei den klagenden Sozialarbeiterduktus wie auch den kritikfreien Berlin-Hype in ihren Texten. Ronald Klein hat mit der Band gesprochen.

Das aktuelle Album stellt bereits die zweite Kollaboration mit Suff Daddy da. Wie kam es dazu? Ich nehme an, es gab mehr Schnittmengen als die alkoholischen Affinitäten im Bandnamen?

Dave hat Suff Daddy im HHV Store kennen gelernt, wo Dave gearbeitet hat und Suff Daddy als Kunde, sowie um seine Sachen zu promoten, öfter vorbei gekommen ist. Die beiden kamen ins Gespräch. Er hat in unsere Musik reingehört und fand sie geil. Wir haben Beats von ihm bekommen und fanden diese ebenso genial! Man kann quasi sagen, dass wir auf einer Wellenlänge schweben. Dave hatte dann die Idee, mit den Beats von Suff Daddy eine EP zu machen, und das ganze Pils Daddy zu taufen (abgeleitet von Pils Skills und Suff Daddy). 2009 haben wir diese herausgebracht. Dabei haben wir uns besser kennen gelernt. Für die EP gab es gutes Feedback, uns selber hat sie auch bestens gefallen, sodass klar war, hier muss eine Fortsetzung kommen. Suff Daddys Beats sind der Hammer! In meinen Augen steht er auf einem Level mit renommierten Hip-Hop-Produzenten aus den USA und es ist echt schön, dass wir zusammen weiter Musik gemacht haben. Von ihm kam im Juni auch sein neues Album „Suff Sells“ raus, ein Beat-Album auf Doppel-Vinyl. Unser gemeinsames Album heißt „Die Betrachtung des Dahinvegetierens“ und ist Doppel-Vinyl erhältlich. Außerdem kann man es dann auf unserer Bandcamp-Seite auf „Zahl-Was-Du-Willst“-Basis digital erwerben. Also alle, die einfach mal reinhören wollen, runterladen for free geht auch!

Für euer neues Album habt Ihr Euch sechs Jahre Zeit gelassen. Wie kam es zur der langen Pause?

Ein Album stellt man auf jeden Fall nicht auf die Beine, wenn man jedes Wochenende feiern geht. Bei uns war es halt wieder an der Zeit, was Neues zu machen. Dann haben wir gezielt losgelegt. Aber sechs Jahre waren es ja nicht ganz, das Pilskills-Album kam 2006, die Pils-Daddy-EP 2009 und nun das Pils-Daddy-Album 2012, also ein gepflegter Drei-Jahres-Rhythmus 😉 Ein anderer Grund mag sein, dass wir uns um alles selber kümmern. Los geht’s mit dem Produzieren/Auswählen von Beats, Texteschreiben, Austauschen, Demoaufnahmen, Beats arrangieren, dann steht das Grundgerüst. Weiter geht’s mit Studioaufnahmen, Artwork fürs Cover, erste Promo, Probehören der Studioaufnahmen, mixen, mastern, Videodreh. Und zu guter Letzt geht das ganze ins Presswerk. Zum Glück haben wir HHV als Label, die uns da freie Hand lassen. Aber es ist halt eine Menge Arbeit und eigentlich müsste jetzt, wo alles da ist, die wichtigste Arbeit, nämlich die Promo, losgehen. Da fehlt uns dann meistens schon die Muse, da ja die Sachen, die Spaß machen, nun erledigt sind.

Reiht sich das neue Album aus Deiner Sicht in die bisherigen Outputs ein?

Neu ist, dass wir uns mehr denn je trauen, unser eigenes Ding zu machen. Das neue Album hätte auch unser erstes Album sein können, nur dass es jetzt qualitativ sehr viel besser ist. Es reiht sich also in die bisherigen Outputs nahtlos ein und ist (wie es sich für was Neues gehört) die Krönung des bisherigen.

Berliner Hip-Hop ist in der Wahrnehmung vor allem mit Gangsta-Images und Battlereim-Ästhetik verknüpft. Pilskills haben in meinen Augen immer den Oldschool-Gedanken getragen – gute Geschichten erzählen, in Verbindung mit mitreißenden Beats. Gab es Schnittmengen mit dem, was Bushido oder Sido verkörperten oder sind das parallel nebeneinander existierende Szenen?

Als Schnittmenge zu Bushido oder Sido seh ich, dass wir aus Berlin sind und so unterschiedlich wie die verschiedenen Viertel in Berlin sind, so unterschiedlich ist auch die Musik aus diesen.

In der Vergangenheit gab es die Wahrnehmung, dass im Hip-Hop noch immer die Teilung in Ost- und West-Berlin weiter existierte.

Auf Deutschland bezogen absolut falsch, ich meine Suff Daddy ist gebürtiger Düsseldorfer und wir machen jetzt schon die zweite Platte gemeinsam. In Berlin gibt es natürlich so was wie Lokalpatriotismus, den man mit Augenzwinkern sehen muss.

Die Variante, dass sich Hörer das Album für lau herunterladen können, setzt Vertrauen in Eure Musik und die Internet-User voraus. Normalerweise jammern alle Musikschaffenden, dass die Downloads das Geschäft zerstören. Ihr geht offensichtlich damit entspannter um?

Na ja, man könnte das Album auch mit einem festen Preis über das Internet verkaufen. Meistens ist es dann so, dass die Sachen ein paar Tage später auf irgendeinem Blog für umme runterladbar sind. Da denken wir uns, dass wir das gleich selber zusätzlich mit der Option „kostenlos“ anbieten, damit es wenigstens bei uns bleibt.

Große Entrüstung brachte die von der GEMA angekündigte Reform des Tarifsystems mit sich. Das betrifft vor allem die Clubs, siehst Du damit das prophezeite Clubsterben einhergehen?

Vielleicht beginnt ja damit das Zeitalter der GEMA-freien Musik oder muss der Betrag pauschal bezahlt werden, unabhängig davon, was man spielt? Ich hoffe nicht, dass es die Clubs zu Grunde richtet.

Der Mythos, dass die Berliner Clubs alle schließen, geistert seit Längerem durch das Feuilleton. Dem gegenüber stehen jedoch permanente Neueröffnungen. Wie hat sich aus Deiner Sicht die Clubkultur in der letzten Dekade verändert?

Wie Daft Punk: Harder, Better, Faster, Stronger.

Vielen Dank für das Gespräch!