Geschrieben am 7. Oktober 2004 von für Musikmag

Joe Haider Trio: A Sunday in Switzerland

Große Piano-Kunst

Ist der Pianist Joe Haider ein komischer Vogel, weil er sich seit Jahrzehnten keinen Deut um Moden und Trends, Entwicklungen und Zeitgeist schert? Weil er seit Jahrzehnten sein Genie pflegt, einfache Melodien in große Piano-Kunst umzusetzen, und sich dabei höchstens um die Qualität seiner Mitmusiker und die der Aufnahme schert? Rhetorische Fragen natürlich.
Und immer noch, eben seit Jahrzehnten, freue ich mich auf jede neue Produktion und gerate bei ihm nie in die Routine des „Kennen-wir-doch-schon-lange“. Diesmal hat er sich mit dem Bassisten Giorgos Antoniou und dem Schlagzeuger Daniel Aebi zusammengetan, um einen Sonntag auf dem Schweizer Land musikalisch zu beschreiben. Aber keine Angst, Programm-Musik gibt`s hier nicht zu hören und auch keine eingebauten Folklorismen, womöglich mit Alphorn und Kuhglocke.

Zu hören satt gibt es den Haider-typischen glasklaren Sound, den präzisen, wie gemeißelt sitzenden Anschlag, die tausend guten, kleinen, diamantglitzernden Ideen und die perfekte Interaktion der drei beteiligten Musiker. Antonious Bass glockenklar, Aebis Schlagzeug pointiert, sparsam und absolut effektsicher. Höhepunkt? Schwer zu sagen, weil alle acht Tracks auf dem selben hohen Niveau ablaufen. Meine Favoriten: „Dark Circle Blues“, eine Komposition von Brigitte Dietrich, weil da die Freude an musikalischer Ironie so schön durchschlägt, und „For Line“ von Haider, weil es schlicht und einfach eine wunderbare Ballade ist. Wenn Sie mich morgen wieder fragen, nenne ich Ihnen vermutlich zwei andere Titel und nach vier Tagen war dann ein jedes Stück mal mein Lieblingsstück.

Thomas Wörtche

Joe Haider Trio: A Sunday in Switzerland. JHM Records JHM 3633