Geschrieben am 17. Oktober 2012 von für Musikmag

Stagetime: Das Al Foster Quartet live im Birdland

Al Foster, Foto: Giacomo Petronio

Alles, was ein Jazz-Konzert haben muss

– Am letzten Mittwoch gastierte das Al Foster Quartet im Birdland in Hamburg. Julian Klosik blickt auf diesen erstklassigen Jazz-Abend zurück.

Schon Miles Davis schrieb in seiner Autobiographie über Foster: „Er war umwerfend mit seinem Groove und seinen messerscharfen Einsätzen. Genau das suchte ich. […] Al Foster hatte einfach alles, was ein Drummer haben muß.“

Neben der 13 Jahre – und damit länger, als das irgendein anderer Schlagzeuger von sich behaupten könnte – anhaltenden Mitgliedschaft in Davis‘ Band, hat Foster mit einer schier endlosen Liste von erstklassigen Jazz-Musikern zusammengearbeitet. Darunter z. B. Herbie Hancock, Joe Henderson, Chick Corea, Thelonious Monk, Wayne Shorter sowie Sonny Rollins und McCoy Tyner, deren Partner er auch in den letzten Jahren häufiger war.

Trotz dieser Referenzen hält es Foster zu keinem Zeitpunkt für nötig, sich als Star zu inszenieren. Im Gegenteil: Auch bei seinem jetzigen Birdland-Auftritt wird er seiner Bandleader-Rolle gerade dadurch gerecht, dass er die wohlüberlegt ausgewählten Mitglieder seines Quartetts stets rhythmisch unterstützt und ihnen sogar mehr Zeit für ihre Soli einräumt als sich selbst. Überhaupt herrscht spätestens nach den ersten zwei Songs ein ausgezeichnetes Understatement in der Band, die neben Foster den Pianisten Adam Birnbaum und den Bassisten Douglas Weiss – beide seit einigen Jahren dabei – sowie, erst seit einigen Auftritten, den Tenor- und Sopransaxophonisten Wayne Escoffery umfasst.

Die Formation beherrscht Bebop-artige Geschwindigkeiten verbunden mit einem Hard Bop-artigen Groove genauso wie sanfte, melodiöse Balladen. Im Repertoire finden sich neben einigen Eigenkompositionen Standards aus der jahrzehntelangen Geschichte des modernen Jazz‘, wie etwa Hancocks „Cantaloupe Island“, Thelonious Monks „Round Midnight“ und einer vergleichsweise wenig veränderte Version von Davis‘ „So What“. Die virtuosen Improvisationen sind je nach Stück mal Harmonie-basiert, mal modal, wobei auch orientalisch anmutende Tonskalen hervorragend mit einbezogen werden.

Wayne Escoffery; Foto: Lorenzo Dasaro

Birnbaum spielt meist rhythmisch akzentuierte, volle Akkorde, aber zeigt seine ganze Virtuosität in ausgeprägten Soli, in denen er entweder das Thema umkreist oder in völlig neue Melodie-Versatzstücke abgleitet, während Doug Weiss wenig überladene Basslinien mit einem großartigen Gespür für Pause einbringt. Der Neue in der Band, Saxophonist Wayne Escoffery, verbindet die ausgereifte Technik eines an den besten Instituten ausgebildeten Jazzmusikers mit Einfallsreichtum, Virtuosität und atemberaubender Geschwindigkeit, sowohl in höherer Tonlage auf dem Sopransaxophon, als auch raumfüllender auf dem Tenorsaxophon. Seine Soli erhalten wohl zu Recht den meisten Applaus. Dennoch sticht gerade hier Foster durch exaktes Zuhören und exzellentes backing hervor, hält die Band zusammen, aber treibt gleichzeitig die jeweiligen Soli mit subtilen Rhythmusveränderungen voran. Generell spielt er etliche Rhythmen pro Stück, ohne den treibenden Groove zu zerstören. Ausflüge in lateinamerikanische Rhythmen, Andeutungen von Rhythmuswechseln, Rimshots und -clicks auf der bewusst wenig hallenden Snare und jede Menge Ghost-Notes  kennzeichnen seine wohl am besten mit „soundsensitiv“ betitelte Schlagzeugspielweise, bei der z. B. am Ende eines Songs nur für den letzten abschließenden Schlag ein Stick mit weicher Filzummantelung zum Einsatz kommt, um den Raum in einen warmen Beckenklang zu tauchen.

nicht im Birdland, aber mit gleicher Besetzung: Das Al Foster Quartet

Unterstützt wird die Klangwelt auf der Bühne, durch die einzigartige Atmosphäre im Hamburger Birdland, dem traditionsreichen Jazzkeller, in dem ein völlig gemischtes Publikum aus jungen und alten Jazzliebhabern, Musikstudenten und Leuten, deren jahrzehntelange Jazzhörerfahrung ihr gesamtes Erscheinungsbild geprägt hat, Platz nimmt. Einige von ihnen können nicht anders, als ihrer Begeisterung über die virtuose Musik des Al Foster Quartets durch laute „mhh‘s“, „ohh‘s“ und „Yeah’s“ Ausdruck zu verleihen.

Ab und zu hält Foster kurze Ansprachen, in denen er vor allem sein eigenes Alter betont und bezeugt, dass ihm in erster Linie das Vorankommen jüngerer Jazzgenerationen am Herzen liegt. Obgleich eines unglaublichen Gefühls für und sichtlicher Freude an seiner Musik, erklärt der fast 70-Jährige zum Schluss gar, dass er, hätte er genügend Geld, umgehend mit der Musik aufhören würde. Aufrichtig, ehrlich, tragisch. Nichts könnte die Emotionen dieses Moments besser aufgreifen, als eine drei Stücke lange Zugabe. Ein erstklassiger Jazz-Abend: Das Al Foster Quartet im Birdland – mhh-yeah!

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