Immer 100-prozentig
In Großbritannien hat man sich bereits darauf verständigt, LoneLady zum nächsten großen Ding auszurufen, und warum auch nicht? Diese Musik ist ein Riesenversprechen. Von Tina Manske
Warp Records haben in letzter Zeit nichts falsch gemacht, und wenn doch, ist es nicht zu unserer Kenntnis gelangt. Auch durch die Veröffentlichung der Debütplatte von LoneLady bekleckert sich das Label mal wieder mit reichlich Ruhm und erweitert gleichzeitig seine eh schon genüsslich ausufernden Genre-Grenzen. „Nerve Up“ verortet sich tief in den musikalischen Wurmlöchern der englischen 80er-Jahre, klingt aber überhaupt nicht retro, sondern steht wie ein zukünftiger Klassiker monolithisch mitten im Jetzt, während es sich keck in die Zukunft reckt.
„Nerve Up“ ist besonders auf produktionstechnischer Ebene sehr weit vorne: Hört man das Album über Kopfhörer, so kann man die sehr prägnanten Percussions von links nach rechts mäandern hören, ein schöner 3D-Effekt, wie überhaupt die Platte sehr auf die Herstellung einer Live-Erfahrung bedacht ist, so rau und klappernd klingt dann manches wieder. Gitarren, Schlagzeug, Elektronik: alles in Maßen, aber bitte immer 100-prozentig.
Auch ohne Sozialbonus
Wer die Helden von Julie Campbell aka LoneLady sind, das wird schon im fulminanten Opener „If Not Now“ deutlich: Die Post-Punk-Hymnen von Joy Division oder Suicide schimmern sehr schön durch die eleganten Arrangements und klugen Kompositionen, gar nicht zu reden von den typischen Post-Punk-Gitarren – das Factory-Label lässt grüßen. Dabei kann Campbell aber auch – wie beim Titelsong – mit ihrem Oktavgesang große Pop-Momente von Bands wie Texas heraufbeschwören. Man weiß also nicht, ob man zu Songs wie „Nerve Up“ traurig shoegazen soll oder doch wild auf der Tanzfläche herumhüpfen. Bis auf die Percussions hat Campbell jedes Instrument auf „Nerve Up“ selbst eingespielt. Am Ende zeigt sie mit „Fear No More“ sogar noch eine sehr emotionale, zerbrechliche Seite mit einer Ballade, die von Geigen und einer sehr zurückhaltenden Gitarre flankiert wird.
Umso erstaunlicher, dass dieses Debüt mit Minimal-Budget innerhalb von vier Wochen in einem baufälligen Fabrikgebäude und einem winzigen Studio entstanden sein soll. Sicher hat Co-Produzent Guy Fixsen, der auch schon für die Breeders oder My Bloody Valentine tätig war, das seine dazugetan. Die auf armes Manchester gemachte PR-Maschinerie braucht das jedenfalls nicht. Auch ohne Sozialbonus nimmt man ihr den vollkommenen Einsatz für ihre Musik ohne Zweifel ab.
In Großbritannien hat man sich bereits darauf verständigt, LoneLady zum nächsten großen Ding auszurufen, und warum auch nicht? Dieses Album und diese Künstlerin sind tatsächlich ein großes Versprechen. Hoffen wir, dass man sie in Ruhe lässt in Manchester, damit sie weiter solche Songs schreiben kann.
Tina Manske
LoneLady: Nerve Up. Warp Records (Vertrieb: Roughtrade).