Ausweglosigkeit und Schwermut
– Pünktlich zum 20-jährigen Bandbestehen veröffentlichen die Erfinder des Slowcores ihr zehntes Studioalbum „The Invisible Way“. Der Bandname Low ist wie immer Programm. Langsam und voller Wehmut entspinnen das Ehepaar Mimi Parker und Alan Sparhawk sowie Bassist Steve Garrington intime Songs über die traurigen Seiten des Lebens.
Selbstredend ist wie auf all den Alben zuvor von gebrochenen Herzen, Selbstmord und Mimis Großartigkeit die Rede. Das ist die Authentizität des von Depressionen gepeitschten Alan Sparhawk. Wobei es bei Liveauftritten immer umgekehrt aussieht. Da mimt Mimi mit ihrem meist säuerlich dreinschauenden Gesicht die Spaßbremse und Alan spielt den aufgedrehten Komiker. Aber vielleicht ist einem bei zwei Kindern und einem depressiven Ehemann einfach nicht mehr zum Lachen zu Mute. Ganz nebenbei, dürfen Mormonen eigentlich überhaupt lachen?
Produziert wurde „The Invisible Way“ von niemandem geringeren als Wilcos Jeff Tweedy. Bandjubiläum und runde Albumzahl ließen eine Werkschau erwarten. Andererseits verfolgen Low ihren Stil seit 1993 konsequent und experimentieren höchstens auf dem 2005er-Album „The Great Destroyer“ mit Lautstärke und einem Ausbruch aus der getragenen Langsamkeit.
„The Invisible Way“ setzt dann auch bei ihrem Klassiker „Christmas“ an. Den Hörer umfängt die erhabene Stimmung eines Weihnachtsoratoriums. Passt zum Schnee und der Kälte da draußen, die ebenfalls eher an Ende Dezember als an Ende März erinnern. Ist „The Invisible Way“ gar ein Gottesbeweis? Low sind bekennende Mormonen und haben offenbar einen guten Draht zu Gott, der das Wetter zur Albumveröffentlichung beschert. Und Leiden war doch auch eine der Sachen, die ein guter Christ perfektionieren muss, um ins Himmelreich zu kommen.
Wem sich das bisher zu missmutig anhört – wir reden hier über ein Low-Album! Das muss missmutig, langsam und nach schwerer Kost klingen. Dafür lieben wir diese Band. Man könnte Low auch als Musik gewordene Schönheit des Elends bezeichnen. Mimi singt ihre engelsgleichen Leadvocals, die immer wieder tief unter die Haut gehen und die man auf keinem Album vermissen möchte.
Im vorletzten Song „On My Own“ brechen endlich die wummernden Gitarrenriffs von „The Great Destroyer“ hervor. Es ist also doch eine Werkschau geworden, die leider die Atem zuschnürende Intensität von Trust (2002) vermissen lässt und lieber auf ausgiebige Klaviereinlagen setzt. Genau genommen fehlen auf ein Minimum und pulsierende, von den Drums getragene Songs wie „Little Argument With Myself“ oder „The Lamb“, die so viel Ausweglosigkeit und Schwermut ausstrahlen, dass einem jegliche eigene Lebenssituation als positiv und optimistisch erscheinen muss.
Und wahrscheinlich ist es genau das, was Low seit nunmehr 20 Jahren ausmacht – Musik, die alles Leid einfängt und mit sich nimmt. Letztlich schafft das aber auch „The Invisible Way“. Da die Welt vermutlich nicht besser wird, ist auf weitere 20 Jahre Bandgeschichte und weitere zehn Alben zu hoffen.
Janine Andert
Low: The Invisible Way. Sub Pop (Cargo Records). Zur Homepage und zur Facebook Seite. Zum kostenlosen Download von „Just Make It Stop“.