Der Perfektion trotzen
– Luise Pop machen raffinierte Musik und glänzen mit schmissigem Indie-Pop. Nur leider pflegen sie eine eigenwillige englische Aussprache, was Monique Schmiedl den Genuss des neuen Albums doch etwas verleidet hat.
Luise Pops zweite Platte „Time Is A Habit“ könnte der gelungene Start in ein musikalisches Jahr 2012 sein. Die Platte hat Schmiss, sie strahlt mit ihrem großartigen Indiepopsound. Die Songs sind geprägt von Taktwechseln, Spielereien mit Rhythmen und kleinen musikalischen Raffinessen. Was für ein musikalischer Jahresstart, möchte man schreien!
Aber dann … Dann fängt Sängerin Vera Kropf an zu singen. Okay, ihre Stimme ist dünn. Okay, das mit den getroffenen Tönen könnte besser klappen. Okay, die gesungene Melodie passt nicht immer so ganz genau zur gespielten Klangabfolge. Aber, hey, das muss wohl so sein?! Die österreichische Band bezieht sich immerhin auf niemanden geringeres als Le Tigre oder Bikini Kill. Da sind schiefe Gesänge und dünne Stimmen ja gerne mal gefragt. Was die genannten Bands aber im Gegensatz zu Luise Pop können, ist Englisch. Jawohl, die Weltsprache, die die Generation Web 2.0 im Alltag immer wieder einflicht. Die Sprache, die alle anderen Sprachen in den Schatten stellt und mit deren Gebrauch sich die jungen Menschen der nicht englischsprachigen Welt von den ‚Oldies‘ abgrenzen wollen.
Nur Vera Kropf, die scheint das mit dem Englischen nicht so hinzubekommen. Ihre Aussprache gleicht einem lingualen Gau. Man gewinnt den Eindruck, die Österreicherin müsste sich so sehr auf eine nicht-österreichische Aussprache konzentrieren, dass sie aus Versehen die deutscheste aller Aussprachen an den Tag legt.
Fast könnte man hinter diesem permanenten Sprachbrei ein Konzept vermuten. Wie großartig wäre diese Idee? Ein Album, das Indiesound mit Anti-Elite-Elementen mischt, umgesetzt bis ins letzte Detail – selbst der Gesang trotzt der Perfektion. Und so weit hergeholt scheint diese Idee gar nicht zu sein, schließlich zählt Luise Pop zu einem musikalischen Kreis, der durch Wortspiele, Neologismen und Sprachmischungen die Exklusivität der deutschen Sprache zum Ausdruck bringt – man denke insbesondere an Ja, Panik. Ein Kreis, der die deutsche Sprache als künstlerisches Statement versteht, auch wenn er sich anderer Sprachen bemächtigt.
Und doch bleibt die Frage: Ist das so? Ist die Verweigerung der englischen Aussprache ein konzeptionelles Element?
Wie gerne würde man diese Platte hochloben. Wie gerne würde man die Österreicher zu einem absolut gelungenen Indiepop-Album beglückwünschen. Wie gerne würde man die Raffinessen, die Spielereien und die durchaus geglückten instrumentalen Arrangements über den verwirrenden textlichen Part stellen … Und doch bleibt einem nur zu sagen: Schade eigentlich! Denn durch die Wahl der englischen Sprache und der so deutschen Aussprache gerät das gelungene Album fast in den Hintergrund. Fragen wie ‚gewollt oder nicht gewollt?‘ führen letztlich dazu, dass die Musik ein wenig aus den Augen verloren wird.
Ein bisschen weniger Aussprache-Debatte würde „Time Is A Habit“ zu einem der gelungensten Jahresanfänge seit langem machen.
Monique Schmiedl
Luise Pop: Time Is A Habit. Siluh Records. Zur Homepage von Luise Pop.