Geschrieben am 14. August 2013 von für Musikmag

Mohr Music: Pet Shop Boys – Electric

petshopboys_electricLiebe als bürgerliches Konstrukt

–Es mag an meiner fortschreitenden Vergreisung liegen, dass mir doch glatt entfallen war, dass das letzte Album der Pet Shop Boys vor weniger als einem Jahr erschienen ist – ganz offensichtlich fanden Neil Tennant und Chris Lowe aber auch, dass „Elysium“ allzu gediegen geraten war, dass wehmütiges, bittersüßes Schwelgen in Altersmelancholie ohne ironische Brüche zwischendurch auch mal sein darf, aber hey, sind wir Opas oder was? Von Christina Mohr

Die neue Platte „Electric“ schlägt jedenfalls einen ganz anderen Weg ein als „Elysium“, und das ist auch gut so: dreißig Jahre nach der Bandgründung gönnen Lowe & Tennant sich und den Fans einen Parforce-Ritt durch die Dancemusic der letzten Jahrzehnte (mit Schwerpunkten auf Hacienda-Rave und HiNRG) inklusive einer Best-of-Parade eigener Erfolge und legen noch was drauf, nämlich Producer-Tausendsassa Stuart Price, der den kühlen, glatten, eleganten PSB-Sound in ungeahnt hysterisch-verschwitzte Höhen pitcht und komplizierte Wörter wie „Bourgeoisie“ respektlos-effektvoll zerhäckselt.

„Electric“ beginnt mit dem absichtlich ungelenk herumeiernden „Axis“, das an die Anfangsschritte elektronischer Popmusik gemahnt und die Errungenschaft der elektrischen Energie preist – eine initiatorische Etüde, die ins knallige „Bolshy“ (mit russischen Vocals) übergeht, auf das der Key-Track „Love Is A Bourgeois Construct“ folgt, der alle wichtigen PSB-Ingredienzien enthält: „Go West“-Chorgesang, pompöse Synthie-Kaskaden, unwiderstehliche Beats und natürlich Neil Tennants alterslose Stimme, die scheinbar dancefloor-untaugliche Sätze formt („Now I´m digging through my student paperbacks / flicking through Karl Marx again / Searching for the Soul of England / Drinking Tea like Tony Benn“) – intelligent Disco at its best.

Die Pet Shop Boys sind distinguiert und dennoch mittendrin; sie legen keine geheimen Spuren aus, sondern machen offene Verweise: wer nicht weiß, wer Tony Benn ist, kann es ja schnell nachgucken und dann weitertanzen. Als Coverversion haben sich die Jungs aus der Zoohandlung ausgerechnet!, so möchte man ausrufen, Bruce Springsteens „The Last To Die“ ausgesucht, was sich – natürlich, so möchte man gleich anfügen – als glückliche Wahl entpuppt. Springsteens testosteronlastige Dauererregung (hier zu: Krieg, sinnlosem) wird von Tennants vordergründig gleichgültig-sanften Vocals auf eine andere, allgemeingültige Ebene gehoben, geradezu entrückt.

Von Springsteens zu Yello ist es bei der Kombi Pet Shop Boys/Price nur ein kleiner Schritt, in „Shouting In The Evening“ wird deutlich hörbar dem Schweizer Duo gehuldigt; der britische Rapper und Grime-Musiker Example hat in „Thursday“ einen kurzen Auftritt, der aber relativ sang- und klanglos untergeht, sprich, keine tieferen Spuren hinterlässt. Umso deeper wird es im letzten Track „Vocal“, der die wilden Raves der Hacienda-Ära wieder auferstehen lässt – nicht ohne nostalgisch-freundliche Selbstbetrachtung: „I like the people / I like the song / this is my kind of music / they play it all night long / I like the singer / he´s lonely and strange / every track has a vocal / and that makes a change.“ Oh yes.

Christina Mohr

Pet Shop Boys: Electric. Kobalt Label Services. Mehr hier.

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