Verfehlte Gesellschaftskritik
–Vier Jahre sind vergangen, seit Placebo „Battle For The Sun“ veröffentlicht haben, eine ungewöhnlich lange Zeit für die britische Band. Umso höher die Erwartungen an das siebte, dem laut Frontmann Brian Molko „ehrlichsten“ Album der Band. Aha. Da fehlen nur noch die üblichen Hinweise auf das „persönlichste“ und „vielleicht beste“ Album der Band, und alle Frühwarnsysteme schlagen an: solche Phrasen gehören zum festen Repertoire der Marketingfanfaren, die allzu oft Unzulänglichkeiten und Abnutzungserscheinungen übertönen sollen. Leider gilt das bedingt auch für „Loud Like Love“. Von Heiko Naumann
Ich höre immer wieder den Vorwurf, Placebo sei spätestens seit dem Erscheinen von „Black Market Music“ eintönig und vorhersehbar geworden. Diese Kritik ist nachvollziehbar. Die Ursache ist aus meiner Sicht aber nicht in der Musik selbst zu finden; auch das Spektrum auf „Loud Like Love“ ist eine eigentlich ausgewogene Mischung von langsamen, einfühlsamen Titeln („Exit Wounds“, „Bosco“) und schnellen, treibenden Stücken („Scene Of The Crime“, „Rob The Bank“). Emotionale Höhepunkte allerdings sucht man vergeblich.
Das eigentliche Problem ist zugleich auch das Markenzeichen der Band, ein Dilemma: Brian Molkos charakteristische Stimme prägt den Sound von Placebo, es mangelt ihr aber an Vielschichtigkeit und Dynamik. Ob er gerade über Alkoholsucht, Sex, Kapitalismus oder das Wetter singt? Der Unterschied ist kaum spürbar. Man muss schon genau hinhören, um überhaupt Graduierungen wahrnehmen zu können.
Dabei offenbart sich neuerdings eine weitere Schwäche: Brian Molkos Texte. Mit 40 Jahren ist er seinen angestammten Themengebieten (Drogen, Feuchtgebiete) endgültig entwachsen und versucht sich nun als Gesellschaftskritiker. Dafür wird er derzeit besonders im Internet hart attackiert. Das liegt nicht zuletzt an plumpen Textzeilen wie „My computer thinks I’m gay / I threw that piece of junk away / on the Champs-Elysees” oder „the applications are to blame / for all my sorrow an my pain”; wer sich wie in „Too Many Friends“ so ungelenk und undifferenziert an gesellschaftlichen Themen (hier: soziale Netzwerke) abarbeitet, darf sich über Kritik und Spott nicht wundern.
Für Bestandsfans und Traditionalisten hat Placebo mit „Loud Like Love“ ein gefälliges Album abgeliefert, das sich harmonisch in jede Sammlung einfügen wird. Alle Hoffnungen auf eine Weiterentwicklung wurden allerdings enttäuscht. Die Band scheint endgültig am Ende ihrer Möglichkeiten angelangt, was auch die Verkaufszahlen in ihrer Heimat belegen. In „A Million Little Pieces“ scheint Molko dies erkannt zu haben: „But now I feel I’ve lost my spark / no more glowing in the dark”. Die vielleicht ehrlichste Textzeile des Albums.
Heiko Naumann
Placebo: Loud Like Love.