Geschrieben am 23. Oktober 2013 von für Musikmag

Prefab Sprout: Crimson/Red

prefabsprout_crimsonredWatch the legend grow…

1985 – man hört, was die SPEX, Klaus Walter oder die Jungs aus dem Chamäleon (leider lange nicht mehr existenter Plattenladen in Gießen) empfehlen. Aus dem amerikanischen Gitarrenkrach und dem englischen Schrammel-Pop sticht in diesem Jahr ein Album weit heraus, das auch heute noch in den Top-Five meiner Alltime-Favourites residiert: Steve McQueen von Prefab Sprout. Selten funkelte Pop-Musik so klar, so schön, gesungen von einer herzzerreißenden Männerstimme, unterlegt von einer engelsgleichen Frauenstimme, mit Liedern für die Ewigkeit.

Bis Anfang der Nuller-Jahre erscheinen mit immer größeren Abständen fünf weitere Alben, von denen insbesondere die beiden letzten „Andromeda Heights“ und „The Gunman And Other Stories“ ebenfalls völlig aus der Zeit gefallene Meisterwerke sind. Charterfolg war der Band im Ansatz nur Ende der 80er mit den Singles „Cars And Girls“ sowie „The King Of Rock’n’Roll“ beschieden.

Waren Prefab Sprout früher eine Band, so besteht sie heute nur noch aus ihrem Mastermind Paddy McAloon. In den letzten zwölf Jahren erschienen eine etwas sperrige Soloplatte unter eigenem Namen und die miserabel produzierte „Let’s Change The World With Music“ mit Material aus den 90ern. McAloon war in den letzten Jahren sehr stark durch massive Seh- und Hörerkrankungen gehandicapt, sodass es fraglich war, ob er überhaupt jemals wieder würde musizieren können. Das Spielen mit einer Band ist für ihn unmöglich, nicht jedoch das Basteln im heimischen Studio im verschlafenen Durham im Norden von England.

Das Herz schlägt höher, als für den Herbst 2013 neue Aufnahmen von Prefab Sprout zur Veröffentlichung angekündigt werden. Schon unter dem Namen „The Devil Came A Calling“ seit einigen Wochen illegal im Netz gehandelt, ist die Platte ab Anfang Oktober endlich draußen. Die Nachfrage nach der Scheibe ist wohl größer als erwartet. Der Plattenladen meines Vertrauens ist schon am Erscheinungstag ausverkauft, ich muss die Platte bestellen, und als ich sie drei Tage später abhole, empfängt mich der Plattenhändler mit der Einschätzung „Überragendes Album“.

Nun denn, ich bin gespannt. Und um es vorweg zu nehmen: Der Plattenverkäufer hat vollkommen recht. Sehr opulent instrumentiert mit Synthie-Schicht über Synthie-Schicht startet der Opener „The Best Jewel Thief In The World“. Es ist eine dieser Zaubermelodien, die sich unter dem prallen Arrangement herausschält. „The rooftops are for dreamers“. Kitschig und schön, bombastischer Einstieg.

Eher luftiger arrangiert sind „List Of Impossible Things“ und „Grief Build The Taj Mahal“, mit dieser unglaublichen Prefab Sprout-Atmosphäre. Irgendwie hingehaucht von der einzigartigen Stimme von Paddy McAloon, die so gar nicht zu seiner Waldschraat-Erscheinung mit weißer Mähne und Rauschebart passt. Und es geht weiter in dem Kaliber, die Platte ist toll und wächst noch mit jedem weiteren Hören, ich dürfte jetzt bei Durchgang sieben oder acht sein.

„Devil Came A Calling“ ist irgendwie eine Country-Nummer, aber irgendwie doch nicht. „Billy” mit einer Harmonica für die Ewigkeit, “Let Your Feelings Show” …und…und…und. Zehn wunderbare McAloon-Lieder, eine Entdeckungsreise für den Pop-Liebhaber. Und am Ende wird’s sogar noch groovy, “Mysterious from the start… hobo jive on overdrive… mysterious to the last”. Musik kann wirklich glücklich machen.

Zwei Dinge noch zum Schluss:

1) Zu der Zeit, als ich erste Songs der neuen Prefab Sprout im Sommer aus dem Netz gefischt habe, wurde unsere Tochter geboren. Danach habe ich die alten Scheiben rauf und runter gehört. Daher wird im speziellen „Crimson/Red“ und generell Prefab Sprout immer einen besonderen Stellenwert behalten.

2) Es ist ein goldener Pop-Herbst: Nach Erdmöbel nun Prefab Sprout. Was könnte da noch kommen. XTC…? The rooftops are for dreamers…!

Wolfgang Buchholz

Prefab Sprout: Crimson/Red. Embassy Of Music (Warner).

Tags :