Geschrieben am 19. Februar 2014 von für Musikmag

Reinventing Metal: The True Story of Pantera and the Tragically Short Life of Dimebag Darrell

Reinventing-Metal-by-Neil-DanielsSehr puristisch

– Pantera brachten in den totgesagten Metal eine neue Härte, die sich auch gegen den erstarkten und äußerst populären Grunge durchsetzen konnte. Neil Daniels‘ inoffizielle Bandbiographie versucht eine Würdigung. Von Dominik Irtenkauf.

Mit ihrem Album „Vulgar Display Of Power“ (1992) konnten sich Pantera als eine Größe in einem Sektor des Metals etablieren, der in den frühen Neunzigern großes Publikum, Konzerte und Touren in Arenen und eine nicht geringe mediale Aufmerksamkeit erhielt. Das Album zeichnet sich durch einen starken Fokus auf das mittlere Tempo, auf aggressive Shouts von Phil Anselmo und ein sehr rhythmisch betontes Drumming aus. Waren auf dem Vorgänger „Cowboys From Hell“ (1990) noch Spuren der Glam Metal-Jahre, also quietschende Gitarren, Rockstar-Soli und dergleichen zu hören, wenn auch schon die Emanzipation von der Frühzeit der Band bereits vorangeschritten war, so bringt „Vulgar Display Of Power“ eine radikale Zäsur im Schaffen der texanischen Band.

Mit „Far Beyond Driven“ (1994) verfestigen sie ihren Erfolg, was auch zu ersten Abstürzen des Sängers Anselmo führt. „Far Beyond Driven“ schaffte es in meinem damaligen Fanzine „Metal Warrior“ zum Album des Monats. Der Impact, den diese Platte auf (junge) Metalheads hatte, kann nicht leicht unterschätzt werden. Pantera brachten in den totgesagten Metal eine neue Härte, die sich auch gegen den erstarkten und äußerst populären Grunge durchsetzen konnte. Neil Daniels rechnet in der vorliegenden inoffiziellen Biographie der US-Amerikaner Pantera ebenfalls zu Metal. Es wurden in den Neunzigern auch Stimmen laut, vor allem bedingt durch den Erfolg des Death und später des Black Metals, dass Pantera zu „alternativ“ seien, um wirklich als Metal bezeichnet zu werden.

Daniels führt im Vorwort aus, dass er gegen manchen Widerstand beim Schreiben der Biographie kämpfen musste. Die nach Dimebag Darrells frühem Tod verbliebenen Bandmitglieder sind nach wie vor zerstritten, und als Daniels seine Recherchen im Umfeld der Band begann, gab es einiges an bösem Blut. Entsprechend fehlen Originalinterviews mit den Bandmitgliedern, die zum besonderen Anlass des Buchs hätten geführt werden können. Es wäre sicher interessant gewesen, die Bandgeschichte aus der Sicht der Band nochmals aufzurollen. Daniels greift stattdessen auf Roadies, Manager, Labelpromoter und Artikel zurück. Aus der ethnologischen Feldforschung kennt man die Skepsis, die man den Selbstaussagen der Beteiligten entgegenbringen sollte. So wird „Reinviting Metal“ zu einem durchaus kritischen Blick auf die Band.

Auf der anderen Seite gibt es Formulierungen von Daniels, die sicher die unbestrittenen Leistungen der Band klar benennen, jedoch eine kritische Distanz vermissen lassen: „’Cowboys From Hell‘ opens with the title track, which is driven by one of the most groove-laden riffs in all of metal, and rarely lets up from there. ‚Primal Concrete Sludge‘ demonstrates the chugga-chugga guitar style that Pantera would become famous for, while the superlative ‚Psycho Holiday‘ is topped off by a great vocal performance.“   Im Metal-Musikjournalismus besitzt die emphatische Schreiberrolle eine beinahe unhinterfragte Spitzenposition. Bis hoch in professionell verteilte Fachzeitschriften schlägt sich die Fanbegeisterung im Stil nieder. Was „Reinventing Metal“ leistet, ist eine Rekapitulation des Aufstiegs einer Metalband, das Scheitern des Bandgefüges und tragische Folgen des Ruhms (der Gitarrist Dimebag Darrell wurde während eines Konzertes seines Projekts Damageplan im Jahr 2004 von einem „Fan“ erschossen).

Der Werdegang Panteras wird anschaulich in verschiedenen Kapiteln abgehandelt, die sich an den jeweiligen Releases orientieren. Für einen Metalhörer dieser Jahre ergänzt er das Bewusstsein zur Band, wartet aber nicht mit neuen Erkenntnissen auf. Das mag dem musikjournalistischen Zugang zum Thema geschuldet sein. (An dieser Stelle denke ich an Jörg Schellers Dissertation zu Arnold Schwarzenegger, die den Ex-Gouverneur und Hollywood-Schauspieler von seiner Bodybuilding-Passion her beleuchtet, also einen anderen Blickwinkel wagt und auch Verknüpfungen zu kulturtheoretischen Überlegungen nicht scheut.) Das lag nicht in der Absicht des Musikjournalisten Neil Daniels, der bereits über ein Dutzend Bücher zu u. a. Judas Priest, Robert Plant, Iron Maiden, Metallica und AC/DC geschrieben hat.

Die schriftstellerische Aufgabe lag darin, das eigene breit gestreute Magazinarchiv nach Pantera-Artikeln zu durchforsten, im Internet entsprechend Recherche zu betreiben und Interviews mit mehreren Beteiligten zu führen: traditionelle Zuständigkeiten eines Musikjournalisten. Martin Popoff, seines Zeichens ebenfalls Autor von Musikerbiographien, strukturiert seine Werke meist in ausführlichen Track-Analysen. Dies hat nur begrenzte Aussagekraft. Die Vokabeln zur Beschreibung von Powerchords oder Heavy-Musikstilen entfliehen quasi dem Zugriff des Autors, weil sich Topoi im Journalisten-Jargon fixiert haben, die eine Nullaussage durch Übertreibung zustandebringen. Es fehlen zum Beispiel auch im Pantera-Buch die sozialen, politischen und historischen Hintergründe, die das Buch wahrscheinlich auf die doppelte Dicke gebracht hätten. Zudem hätte die Recherche bedeutend längere Zeit in Anspruch genommen.

Doch stellt sich generell die Frage, ob der Musikjournalismus nicht neue Wege beschreiten muss, möchte er angesichts einer verschärften Weltlage ein Mitspracherecht behalten. Dies ist im Kontext einer Pantera-Buchbesprechung nicht fehl am Platze, weil die Band selbst wie ein Seismograph diese Erschütterungen in ihren Songs textlich, aber auch musikalisch aufgefangen hat. Man denke nur an „5 Minutes Alone“ – existenzielle Teenage-Angst, die durch eine erfolgreicher Musikerkarriere und Drogenmißbrauch intensivert wird. Es zeigt auch, wie Pantera in einer Art Blase ihren Groove Metal entwickeln. Eine Passage behandelt die anstehende Europatour im September 2001, als die Twin Towers in Manhattan durch Flugzeuge zum Einsturz gebracht wurden. Daniels führt nur kurz das Unwohlsein der Pantera-Mitglieder an: „They arrived in Ireland and went to sleep just about when the buildings were attacked on Tuesday morning. […] Pantera were freaked out about being such obviously blatant ‚Americans‘ and Texans during a time [when] it [didn’t] feel … too safe to be traveling through Europa as a sitting-duck target. They wanted to come home, but were stranded until planes started flying back to the U.S.A. again.“

Interessant wäre hier gewesen, die Rezeption Panteras im Nahen Osten und in vorwiegend islamischen Ländern zu erforschen. Man könnte versetzen, das sei nicht Aufgabe eines Musikjournalisten. X-t man das „Musik“ weg, manövriert sich der Verteidiger eines solchen Purismus ins Aus. Denn das hieße, ein Journalist könne politsche oder ethnographische Aspekte nicht berücksichtigen, weil er eine Band und eben keinen Schriftsteller oder gar Politiker interviewe. Biographien müssen sich wegen der Fülle des Stoffs in der Themenwahl einschränken, eine Expansion der Perspektive hätte jedoch „Reinventing Metal“ einem breiteren Leserkreis erschlossen. Metal existiert nicht im Vakuum, auch wenn Fans und vor allem Musiker dieser Richtung das häufig herbeisehnen.

Fazit? Solide Arbeit, die jedoch Pantera im Metal belässt und nicht die Ausbruchsversuche der Band ausreichend würdigt.

Dominik Irtenkauf

Neil Daniels: Reinventing Metal. The True Story of Pantera and the Tragically Short Life of Dimebag Darrell (An Unauthorized Biography). Milwaukee 2013: Backbeat Books/ Hal Leonard. 246 Seiten.

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