Geschrieben am 26. Mai 2019 von für Musikmag

Rolf Barkowski: Besuch beim Bluesmusiker Schorsch Hampel

Vom Sekänd Händ zum Hoamweh  Blues

Sekänd Händ Blues

I war nia auf da Beale Street
Und a net in New Orleans
War a net in Chicago
Und Baumwoi ken I blos ois Jeans
I bin in München oid worn
I hab an sekänd händ blues  

So lautet die erste Strophe des Sekänd Händ Blues von der gleichnamigen CD aus dem Jahre 2006 des Bluespoeten Schorsch Hampel. 
Blues aus zweiter Hand – das „tragische“ Schicksal der meisten deutschen Bluesmusiker? 
Den Blues singen, aber nie im Heimatland des Blues gewesen sein. Den Blues spielen, ohne ihn erlebt zu haben, ohne je an den Ursprungsorten gewesen zu sein?
Das berühmte Bluesfeeling  – immer nur Emotionen aus zweiter Hand? 
Und:  Verändert eine Reise zu den Baumwollfeldern, zum Highway 61, zu Crossroads und den Juke Joints dieses Gefühl?
Hat die Begegnung mit den „Originalen“  – Orten wie Musikern im Delta – Folgen für den angereisten Blueser aus der Ferne? Muss danach der Sekänd Händ Blues neu geschrieben werden?   

Was also liegt näher, als den Verfasser und Sänger dieses Liedes zu diesem Thema zu befragen. Schorsch Hampel hat nicht nur den Sekänd Händ Blues geschrieben, sondern einige Jahre später genau die Reise in die Heimat des Blues, in die Südstaaten gemacht. Back to the roots.
Aber der Reihe nach. 

Schorsch Hampel
Rolf Barkowski beim Interview mit Schorsch Hampel

Zur Person von Schorsch Hampel: „Ich bin in München geboren und groß geworden. Musikalisch war und ist München bis heute meine Heimat.  Sprachliche Heimat wohl bemerkt, wobei die Betonung auf sprachlich liegt. Mit der bayrischen Staatspartei  habe ich nichts am Hut. (…..) Und so wie Hochdeutsch ideal zum Rappen ist, so ist das Bayrische eine ganz feine Sache für den Blues. Bayrisch passt zum Blues.“

Geboren 1953. Mit 13 die erste Gitarre, mit 16 der erste Gig, die erste Band. „Muddy Road“ , gefolgt von „Gantenbein“.  Sparte: Rock bzw. Krautrock. Die Sprache: (hoch)deutsch.
Musikalisch sozialisiert mit dem weißen Blues der englischen Bands in den 60er Jahre: Fleetwood Mac (mit Peter Green), Ten Years After, John Mayall, Chicken Shack
„Es hat schon lang‘ gedauert, bis wir bei den Songs mal richtig hingeschaut haben, was dahinter in den Klammern stand. Willie Dixon, Chuck Berry, Muddy Waters, Slim Harpo – die Namen waren für die meistens von uns Neuland. Autoren, die wir zum ersten mal bewusst wahrgenommen haben …“

Im richtigen Leben parallel dazu zig Stationen auf der Suche nach einem „ordentlichen und sinnvollen“ Beruf. Eisenbahner, Politikstudent, Taxifahrer, eine langjährige Ausbildung zum Therapeuten und Heilpraktiker. Bis heute gibt Schorsch Gitarrenunterricht und macht Projekte für den Funk (Bayrischer Rundfunk). „Ausschließlich von der Musik leben,  das hat nie geklappt.“

„Ende der 80er Jahre habe ich dann das Songwriting, also die Kombination von Musik und Text, für mich entdeckt. Steve Ray Vaughan und Gary Moore waren die aktuellen musikalischen Vorbilder.   
Irgendwann bin ich dann mit der Gitarre in den Südstaaten gelandet. Songwriting – ganz klar, das war der Blues.“

2001: Mit 48 Jahren ein Herzinfarkt. 
Dieser Einschnitt bleibt nicht ohne Folgen.
„Zum BAP-Jubiläum habe ich einen Niedecken-Film gesehenen. Ich war beeindruckt von der konsequenten Haltung Niedeckens, alle seine Texte auf kölsch zu singen. Von diesem Moment an stand für mich fest: Keine Kompromisse mehr. Weder musikalisch noch textlich. Blues spielen heißt ab sofort: Blues auf bayrisch. (….)
Blues lässt sich auf bayrisch echt gut machen, eigentlich nur auf bayrisch.
Die Klangbilder sind ähnlich wie im amerikanischen, ähnlich rund. 
Das Bayrische groovt!“

Es folgen zehn Jahre bayerischer Blues mit der Bagasch.

2013: Zum 60. Geburtstag dann das Geschenk von den Freunden: die Reise über den großen Teich in die Heimat des Blues. Ein Traum wird wahr. Der Mississippi Trail wartet.
Chicago, St. Louis, Nashville, Memphis, Clarksdale, Indianola, Leland, Atlanta, New Orleans , Austin sind die Stationen. Zum Abschluss ein Hauskonzert in Temple (nahe Austin) .
Eine Stunde bayrischer Blues in Texas! 
„Es ist schon ein geiles Feeling  da drüben zu sein. Du bist echt an den Wurzeln,wenn du da bist.
Vor Ort völlig normal. Aber von hier aus betrachtet schon toll.
Dreieinhalb Wochen sind natürlich viel zu kurz für den Blueshighway und blühende Baumwollfelder habe ich leider auch nicht gesehen.“ 
In Chicago der Besuch von Chess Records. „ Ist ein unglaubliches Gefühl da zu stehen mit dem Wissen, wer hier schon alles aufgenommen hat.“
„ Ganz, ganz furchtbar!“ – die Erinnerung an den Besuch in Buddy Guy’s Blues Club.
Nicht wegen des Clubs, sondern „ da erzählt mir der Barkeeper, vor zwei Tagen waren die Stones nachts hier… die Stones um zwei Tage verpasst. (….) Überhaupt der Barkeeper. Ich stell‘ mich dem Typ vor. 
‚Ich bin so ein durchschnittlicher Bluesgitarrist aus Deutschland‘ und der sagt zu mir ‚ah – just like Eric Clapton?‘!“
So begeistert wie Schorsch von den Gitarristen in Nashville schwärmt, so ernüchternd seine Einschätzung der Beale Street: „Ein bisschen so wie die Reeperbahn, nur ohne Sex (….)“
Beim Besuch des Club Ebony in Indianola war es absolut beeindruckend, mit welch großem Respekt alle im Club über B.B. King gesprochen haben. Er wurde immer nur Mister King genannt.
Dazu diese Gastfreundschaft. Eigentlich war der Club an diesem Tag geschlossen, aber für uns wurde extra die Küche geöffnet und ich habe den besten Hamburger meines Lebens dort gegessen (…)“ 
Und die Menschen?
„Offen und locker. So wie man es sich hier wünschen würde. Keinerlei Vorgaben , alles sehr unkompliziert. Die Jazzpolizei ist da, sagt man ja hier. Völlig undenkbar da drüben. Du kannst jederzeit Musiker bzw. eine Band finden und Musik machen. Und der Gedanke bei Sessions in Nashville, Clarksdale oder in New Orleans dabei gewesen zu sein, macht mich schon stolz (….)“

 Wie schon erwähnt, endet die Reise mit dem ‚Concert under the Oaktree“. 
Schorsch spielt den Bavarian Blues in Texas.
„Ich hab‘ natürlich meine Texte erklärt, aber das war schon exotisch für die Zuhörer denke ich. 
Als ich als Zugabe dann von Steve Earle ‚My old friend the blues‘ gespielt habe, ging ein Aufatmen durch das Publikum….“

Wie lautet das Resümee? Muss der Sekänd Händ Blues nun neu geschrieben werden?
Eher nicht. Vielleicht ein bisschen.
„Schon bald nach meiner Rückkehr habe ich allerdings bereits eine ‚erfahrungsgeschwängerte‘ Version des Sekänd Händ Blues gesungen. ..“
So vielfältig die Erfahrungen dieser Reise für Schorsch Hampel auch waren – den Blues hatte und hat er im Blut. Wann auch immer er auf seiner Crossroad dem Teufel begegnet ist.
Die Blutgruppe ‚Blues positiv‘ verändert sich nicht durch das Erlebnis einer Reise auf den Spuren von Robert Johnson. Blutdoping – das wohl.

Hier geht es exklusiv zur erfahrungsgeschwängerten Version:

Zwischenspiel: Bis der Boandlkramer kommt …
Als ich dieses Gespräch mit Schorsch Hampel führe (Juli 2018) ist gerade die Ep /CD München Blues mit der Max Bronski Band fertiggestellt. Schorsch hat zu den Wörtern  des Krimiautors Max Bronski die Töne gesetzt, den Blues geschrieben. 
Aus Krankheitsgründen war die Veröffentlichung  der nächsten eigenen CD auf das Frühjahr 2019 verschoben worden.
„Diese CD ist das Letzte, was ich machen werde. Ich habe alles geschrieben, was ich zu sagen habe. Ist jetzt keine Resignation, aber ich habe das Gefühl es hat sich ausgespielt. (….)
Für mich ist die Tonbildung auf der Gitarre das Wichtigste, deshalb bin ich immer auf der Suche nach dem einen Ton, der den Song dann ausmacht. Gerade das simple Schema vom Blues ist dabei total reizvoll. Es ist so spannend und wichtig innerhalb dieses Schemas eine andere Wendung zu finden, um so als Bluessongschreiber eine eigene Note zu entwickeln. (….) Ich bin zufrieden mit meinem Songwriting, mit meinem Leben. (….) Das ist zwar die letzte CD von mir, aber live werde ich weiterspielen, bis mich der Boandlkramer von der Bühne holt.
Und ich muss schon schauen, ob sich noch jemand an mich erinnert.“ 

Teil 2: Hoamwehblues

Schorsch Hampels neue CD Hoamwehblues ist fertig und erscheint am 13. Mai 2019.
Am 15. Mai stellt Schorsch Hampel im Duo mit Uli Kümpfel am Baß die CD live im Rotwand eins in München vor. 
1969 war der erste Gig – Schorsch feiert heuer also sein 50. (!) Bühnenjubiläum.

Der Raum im Rotwand eins ist voll bis auf den letzten Platz – ausverkauft.
Keine Spur von „…ob sich noch jemand an mich erinnert…“!
Das Interesse ist groß. Alle sind gespannt. Neugierig auf die neuen Songs.
Schorsch und Uli servieren ein eine tolle Mischung aus alten und neuen Stücken. Über zwei Stunden erleben wir  „… ein Programm aus Songs, die musikalisch in der Tradition des amerikanischen Blues stehen, gesungen wird jedoch in bairischer Mundast, gewissermaßen doppelt authentisch…..“  (Zitat: ausgelegter Handzettel).
Bagasch-Songs ebenso wie viele brandneue Stücke der Hoamwehblues CD.

Bluesman at work

Toll, mit zu erleben, mit welcher Präsenz und Kraft Schorsch seine neuen Stücke spielt.
… gewissermaßen doppelt die Begeisterung auf beiden Seiten – beim Künstler wie beim Publikum. Bei der Energie, die heute von der Bühne strömt, muss der Boandlkramer noch lange auf Schorsch warten.
Schorsch und Uli spielen bis die Polizei kommt – mehr Blues geht nicht (ein Nachbar hat sich über die Lautstärke beschwert). Mit dem ‚hoamwehblues‚ schickt uns Schorsch in die Nacht.

Uli Kümpfel
Die Polizei rückt wieder ab …

Von den neuen Songs gefallen mir neben dem ‚wanderblues‘  besonders ‚mississippi sehng‘ und ’siebter sohn‘ . Hier schließt sich der Kreis. Die Erinnerungen an den Missisippi Trail sind ganz nah. Heute hören wir  die „Folgen“ der Reise zur Heimat des Blues.
‚mississippi sehn‚ schließt sich für mich nahtlos an den Sekänd Händ Blues an.
schee wars‚ (ebenfalls von der neuen CD) – so lautet klar das Resümee dieses begeisterten Abends. 

Mit Hoamwehblues ist Schorsch Hampel endgültig auf seiner Front Porch im Isardelta angelangt. 
Sparsam instrumentiert und völlig entspannt groovt er (Gitarre, Banjo, Mundharmonika, Gesang) mit Bruder Dr.Will (Schlagwerk, Gesang) durch 15 Songs.  Bayrischer Blues vom Feinsten.
Der Alltag, Erinnerungen an den Mississippi, die Zeitgenossen, Nachbarn und Mitmenschen – der Bluespoet hat alles genau beobachtet, den Blues dazu verfasst. Auf bayrisch – wie sonst?
War ihm zwischendurch „das Bayrische verleidet wegen dem ganzen Heimatkrampf“ , zeigt uns Schorsch Hampel hier, was er unter Heimat versteht.
Und das dies die  letzte CD sein soll…….. Niemals!

Rolf Barkowski

  • Rolf Barkowski, Jahrgang 1950, hat mal Sozialwissenschaften & Germanistik studiert, ewiger Student;  hat mal als Gerüstbauer, lange als Briefträger und ganz lange als Sozialarbeiter (offene Kinder-und Jugendarbeit) gearbeitet; ist musikalisch sozialisiert in den 60er Jahren mit den Stones und weißem Blues; hat im Alter den schwarzen Blues entdeckt; ist seitdem regelmäßig in Mississippi bzw. im Süden der USA unterwegs; fotografiert leidenschaftlich gerne; handelt im richtigen Leben seit 30 Jahren mit Antiquitäten und Kunst.
  • Seine Blues-Festival- und CulturMag-Texte hier.
  • Rückfragen auch gerne an den Autor.
    E-Mail: rolfbarko (at) onlinehome.de

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