Geschrieben am 12. Januar 2011 von für Musikmag

SOUNDCOLLAGE

In dieser Woche hat Tina Manske vier Instrumentalplatten gehört und für gut befunden…

Yann Tiersen: Dust LaneNaja, obwohl: nee, Yann Tiersen arbeitet ja durchaus mit Stimmen; die klingen jedoch oftmals in ihrer Flüchtigkeit wie ein weiteres Instrument und können auch im günstigsten Fall der Wucht der Violinen und Gitarren nicht standhalten (und das ist positiv gemeint). Bereits im Oktober 2010 erschienen ist „Dust Lane“, die bisher dunkelste Platte vom notorisch durch seinen „Amélie“-Soundtrack berühmt gewordenen Komponisten. Dafür hat er sich von der Vergänglichkeit inspirieren lassen und legt sein bisher dunkelstes Album vor. Die klassische Struktur aus Refrain, Bridge etc. pp begann ihn nach eigener Aussage zu langweilen, weshalb er die Songs mehr oder minder auseinandernahm – und so ist „Dust Lane“ tatsächlich schön cinematoskopisch-postrockistisch-ausschweifend. Zum ersten Mal hat er seine alten analogen Synthesizer in Betrieb genommen (nicht nur auf dem Cover grüßen also von ferne die 80er), die der Musik eine schöne Tiefe geben. Doch Dunkelheit hin oder her: auch hier siegt am Ende wieder die Hoffnung, die mit überbordenen Harmonien und bombastischen walls of sound Einzug hält.

Yann Tiersen: Dust Lane. Mute (EMI).
http://www.yanntiersen.com/

Felix Kubin & Ensemble Integrales: EchohausEine Zusammenarbeit von Felix Kubin mit einem Pop-Produzenten und einem zeitgenössischen kammermusikalischen Ensemble – da konnte man ja schon kommen sehen, dass das nicht Alltägliches sein würde. Und tatsächlich ist „Echohaus“ eine äußerst vielschichtige Platte, bei der sowohl die Genauigkeit der E- respektive Kammermusik, verkörpert im ensemble Intégrales, als auch die Experimentierfreude des Pop zu ihrem Recht kommen. Apropos Experiment: Für die Aufnahme entwickelten die Künstler ein Verfahren, das es ihnen möglich machte, die Stücke aufzunehmen, während sie sich – nur über Kopfhörer verbunden – in verschiedenen Räumen aufhielten. Die Akustik der Räume sollte Teil des Arrangements werden – sie sind die Echokammern, die dem Album seinen Namen geben. Über Kopfhörer gab Levin vor, wie gespielt werden sollte. Bisschen viel Kopf? Überhaupt nicht. Was wie ein angestrengtes Konzept klingt, war der Ursprung einer Platte, die Cinemascope ebenso leicht buchstabiert wie sie der Ästhetik der zeitgenössischen, insbesondere der improvisierten Musik eine Lanze bricht. Genaues Hinhören lohnt sich.

Felix Kubin & ensemble Intégrales: Echohaus. Dekorder (A-Musik).
http://www.felixkubin.com

Alain Weber: Hoover CoverMeist mit ganz einfachen Melodien fängt er an: Die paar Töne von „Union Square“ zum Beispiel, das könnte ja ein Klavierschüler mit Leichtigkeit in der zweiten Woche nachspielen. Kompositorisch noch wolkige Violinen drübergelegt, fertig. So einfach ist es tatsächlich, und dennoch vermag es der Schweizer Komponist Alain Weber mit seinen oft naiven Soundmalereien den Hörer für eine gute Stunde durchaus zu bannen. Die größte Überraschung dürfte bei „Personal Jesus“ lauern, wenn man langsam erkennt, welcher große Popsong hinter den paar harmlosen Tasten schlummert. Minimalistisch mit augenzwinkerndem Größenwahn. Komisch übrigens, dass dieses modern-klassische Album bei den anderen Nachbarn der Schweiz mehr Beachtung zu finden scheint als ausgerechnet in Deutschland. Das sollte sich ändern.

Alain Weber: Hoover Cover. Poor Records.
http://www.myspace.com/alainweber

Bill Wells & Stefan Schneider: PianotapesUnd nochmal Kammermusik verquickt mit Experimenten: Bill Wells – britischer Avantgardist zwischen Jazz, Folk und Neuer Musik – spielt fragile Melodien auf dem Bechstein-Flügel, Stefan Schneider – u. a. bekannt von To Rococo Rot – nimmt sie mit analogem Gerät auf, verfremdet sie, verändert ihr Tempo und lässt das so Enststandene mit Wells‘ Pianoimprovisationen in den Dialog treten. Wells nimmt die Anregungen auf, die wiederum sein eigenes Spiel beeinflussen, verändern, bereichern. Für die Aufnahme zu „Pianotapes“ vereinbarten die beiden lediglich technische Details, der Rest ist Improvisation und blindes Verstehen. Märchenhaft.

Bill Wells & Stefan Schneider: Pianotapes. Karaoke Kalk (Indigo).

Tina Manske